Ein scheinbar reibungsloser Bewerbungsprozess, mehrere Gespräche, gute Stimmung – und trotzdem kommt es in letzter Minute zur Absage. Häufig verschwinden Bewerberinnen und Bewerber sogar spurlos. „Ghosting“ nennen Personaler dieses Phänomen. Laut einer IAB-Studie ist inzwischen jeder vierte Betrieb von unbesetzten Ausbildungsplätzen betroffen. Auch Stepstone bestätigt: Rund 70 Prozent der Personalverantwortlichen haben in den vergangenen zwölf Monaten erlebt, dass Kandidaten plötzlich nicht mehr erreichbar waren – vor allem direkt nach der Bewerbung oder nach dem ersten Gespräch.
Christine Trimpel, Personalexpertin und Gesellschafterin beim Personaldienstleiter Masterpiece, ordnet dieses Phänomen nach Angaben des Unternehmens folgendermaßen ein: „Aus biologischer Sicht ist dieses Verhalten keine Unhöflichkeit, sondern eine klassische Stressreaktion. Unsicherheit, fehlende Bindung und mangelnde Klarheit lösen Fluchtverhalten aus.“ Gründe reichen von geänderten Interessen über ein schlechtes Bauchgefühl bis zu zu langen Prozessen.
Jobwechsler unterschätzen oft die Risiken
Wie in der Natur greifen laut Trimpel auch im Bewerbungsprozess die Reaktionsmuster „fight, flight oder freeze“. Besonders Jobwechsler überschätzen dabei oft die Risiken eines Neuanfangs und unterschätzen ihre Anpassungsfähigkeit. Kommt es zu kognitiver Dissonanz – etwa wenn das gesagte Bild des Unternehmens nicht mit den Eindrücken aus Gesprächen übereinstimmt – werten Kandidaten, so Trimpel, dies als Warnsignal.
Auch fehlende Nähe kann Bewerber laut der Expertin verunsichern. Hier nennt sie die "Job-Teaser-Studie" des gleichnamigen französischen Recruiting-Unternehmens aus dem Jahr 2024, die zeigt, dass Gen Z besonders auf klare Kommunikation und den direkten Kontakt zur Führungskraft achtet.
Schon kleine Signale zählen: Da können Unternehmer ansetzen
Unternehmen können laut Trimpel Ghosting nicht völlig verhindern, aber die Wahrscheinlichkeit verringern. Drei Faktoren stehen im Vordergrund: Tempo, Authentizität und erlebbare Kultur.
„Je länger Entscheidungen dauern, desto größer die Unsicherheit und damit die Gefahr eines Absprungs“, warnt Trimpel. Orientierung geben Probearbeitstage oder Gespräche mit dem künftigen Team. Solche Einblicke schaffen Vertrauen. Auch klare Commitments entlang der Candidate Journey – etwa gemeinsame Pläne für die ersten 100 Tage – erhöhen die Verbindlichkeit.
Für Trimpel ist entscheidend: „Employer Branding zeigt sich nicht nur in Kampagnen, sondern in den kleinen Momenten der Interaktion. Positive Impulse summieren sich und geben den Ausschlag für ein Unternehmen.“

Christine Trimpel gründete 2022 gemeinsam mit Hagen Schönfeld die auf Executive Search spezialisierte Personalberatung Masterpiece mit Sitz in Frankfurt und München. Das Unternehmen wurde mehrfach von der WirtschaftsWoche als „Beste Personalberater“ ausgezeichnet, insbesondere in den Branchen Energie und Handel.