Interview: "Wir sind die Henne"

Herr Waldenberger, was bedeutet Nachhaltigkeit für Gebrüder Weiss? Die steckt gewissermaßen in unseren Genen und zählt zu den Kernwerten unseres Unternehmens. Bei Gebrüder Weiss gibt es ein klares Bekenntnis zu einer ressourcenschonenden Logistik. Als ältestes Logistikunternehmen der Welt schauen wir auch auf unseren Beitrag für eine lebenswerte Zukunft. Eine solche kann es nur geben, wenn es gelingt, den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid kontinuierlich und rasch zu senken. Wie sieht da bei Ihnen die Strategie aus? Gebrüder Weiss verfolgt das Ziel, seinen CO2-Ausstoß jährlich um zehn Prozent zu reduzieren und bis 2030 CO2-neutral zu sein. Dafür investieren wir in Fotovoltaikanlagen auf Logistikterminals, einen eigenen Windpark, in Schienentransport-Lösungen und unterstützen nachhaltige Mitarbeitermobilität. Da der Großteil der CO2-Emissionen in der Logistikbranche aber immer noch beim Transport selbst entsteht, investieren wir seit vielen Jahren zusätzlich in die Förderung alternativer Antriebe. Im Praxisalltag setzen wir bereits Elektro- sowie mehrere Gas-Lkw ein. Neben diesen Maßnahmen bieten wir unseren Kunden auch die Möglichkeit des Emissionsausgleichs. Wir sind überzeugt davon, dass jedes Unternehmen sehr viel tun kann, um seinen CO2-Ausstoß zu reduzieren, man wird ihn aber nie ganz auf null stellen können. Was bedeutet das für die einzelnen Niederlassungen? Um die CO2-Neutralität bis 2030 zu schaffen, haben wir ein System entwickelt, mit dem wir an unseren 170 Niederlassungen den CO2-Austoß ermitteln - also eine konzernweite Kohlenstoffdioxid-Bilanz erstellen. Ein mittelgroßer Standort kommt ungefähr auf 500 Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr - ohne Lkw-Flotte. Pro Jahr sollen zehn Prozent eingespart werden, davon dürfen wiederum maximal zehn Prozent über Zertifikate abgedeckt werden. Der Rest muss durch lokale Maßnahmen passieren. An welche Maßnahmen denken Sie da? Das fängt im Kleinen an. Die Niederlassungsleitung evaluiert zum Beispiel: Welche Verkehrsmittel setze ich ein? Wo kommt der Strom her? Haben wir schon Fotovoltaik auf dem Dach der Terminals? Gibt es Möglichkeiten für Fahrgemeinschaften? Kann ich für Dienstreisen die Bahn anstelle des Flugzeugs nutzen? Wir unterstützen unsere Niederlassungen zentral mit einem Katalog an Maßnahmen. Oft sind es die kleinen Anreize, zum Beispiel die Einführung eines intelligenten Staplermanagements, das weniger Energie verbraucht. Viele Ideen kommen aber auch von den Mitarbeitern selbst. Zum Beispiel? Wir hatten einen Mitarbeiter, der das Angebot von Job-Bikes für den Arbeitsweg vorschlug. Das haben wir gleich umgesetzt. Außerdem bieten wir unseren Mitarbeitern auch Jobtickets für den ÖPNV. Ganz neu ist nun, dass Sie in Altenrhein in der Schweiz einen Wasserstoff-Lkw* von Hyundai einsetzen. Wie ist Ihr erster Eindruck? Der erste Eindruck ist sehr gut. Ich bekomme von dem Fahrer regelmäßig das Feedback, dass er zufrieden ist. Insofern war die Entscheidung richtig. Aktuell fahren wir 300 bis 400 Kilometer am Tag ohne feste Linienbindung. Das funktioniert wunderbar. Wer hatte die Idee für den Lkw? Wir wurden auf die Initiative in der Schweiz durch einen Mitarbeiter aufmerksam und haben dann den Antrag auf Aufnahme im Förderverein für Wasserstoff-Mobilität "H2 Mobility" beantragt. Darin sind verschiedene Tankstellenbetreiber, Wasserstoffhersteller, Einzelhändler und Mitbewerber vertreten. Auf diesem Weg konnten wir uns einen der Hyundai Xcient Fuel Cell im Rahmen eines Kilometerleasing-Modells sichern. Klingt, als seien Sie ganz überzeugt von der Brennstoffzellentechnologie? Sie ist für uns die ideale Lösung mit nur wenigen Einschränkungen. Wir verlieren etwas Nutzlast - wir können nur sechs statt siebeneinhalb Tonnen laden, was für uns aber kein Problem ist. Außerdem dürfen wir kein Gefahrgut transportieren und müssen die Touren entlang der sechs Tankstellen in der Schweiz planen. Ansonsten ist das für uns ein Lkw wie jeder andere auch. Finanziell landen wir etwa 20 Prozent über einem Diesel-Lkw. Allerdings ist das Wasserstoffauto in der Schweiz von der Maut befreit. Können Sie sich den Einsatz auch in anderen Ländern vorstellen? In der Tat versuchen wir gerade in Österreich, unsere Kunden und große Fuhrunternehmen an einen Tisch zu bekommen und ein ähnliches Projekt wie in der Schweiz aufzubauen. Immer auf staatliche Unterstützung zu warten, wird unserer Meinung nach nicht funktionieren. Es ist besser, mit einem fertigen Konzept zur Politik zu gehen und zu sagen: "So sieht's aus. Welche Rahmenbedingungen können Sie uns bieten?" Unser erster Ansatz ist, dass wir eine gewisse Losgröße brauchen. Wir können uns vorstellen, dass das Pilotprojekt in Österreich mit 50 Fahrzeugen, verteilt auf uns und andere Mitbewerber, startet. Darauf kann man dann kontinuierlich aufzubauen. Es ist wie so oft das Henne-Ei-Prinzip. In der Schweiz sind wir jetzt die Henne und probieren es einfach mal. * Mehr über den Wasserstoff-Lkw lesen Sie auf Seite 50 im E-Paper der VerkehrsRundschau 06/2021. In Kürze Ein schwieriger Spagat: Transportunternehmen und Logistiker müssen in der Regel so günstig wie möglich arbeiten. Das Thema Umwelt in den Businessplan zu integrieren, ist oft schwierig. Das Beispiel von Gebrüder Weiss zeigt, dass es oft die kleinen Stellschrauben sind, die in ihrer Gesamtheit einen guten Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit leisten können.

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