Grundprinzip: Wer haftet wofür im Straßengüterverkehr?
Die Haftung im gewerblichen Güterverkehr basiert im Wesentlichen auf dem Zusammenspiel von:
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Verwaltungsrechtlicher Verantwortung (z. B. Bußgelder)
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Arbeitsrechtlicher Verantwortung (z. B. Abmahnungen, Kündigungen)
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Strafrechtlicher Verantwortung (z. B. Fahrlässigkeit, Vorsatz)
Dabei gilt: Der Fahrer haftet für seine persönlichen Pflichtverstöße, der Unternehmer für systemische oder organisatorische Mängel – etwa bei fehlender Kontrolle, mangelhafter Einweisung oder unklarer Arbeitsanweisung.
Typische Fälle der Fahrerhaftung
Der Fahrer haftet in der Regel bei:
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Verstößen gegen Lenk- und Ruhezeiten, sofern eigenverantwortlich begangen
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Technischen Mängeln, die ihm bei der Abfahrtskontrolle hätten auffallen müssen
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Nicht gesicherter Ladung, wenn er die Verantwortung dafür übernommen hat
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Überladung, wenn der Fahrer an der Beladung mitgewirkt hat oder hätte einschreiten müssen
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Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr (z. B. Handy am Steuer, Rotlichtverstoß)
Wichtig: Auch eine „Befehlsnotstand“-Verteidigung (z. B. „Der Chef hat gesagt, ich soll weiterfahren“) schützt Fahrer nur in sehr engen Ausnahmefällen.
Typische Fälle der Unternehmerhaftung
Unternehmer haften z. B. bei:
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Verstößen gegen das Fahrpersonalrecht, wenn Fahrer nicht richtig eingewiesen oder kontrolliert wurden
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Fehlender Überwachung der Fahrerkarten und digitalen Tachographen
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Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz
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Überladung, wenn systematisch zu viel geladen wird oder Fahrer unter Druck gesetzt werden
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Technischen Mängeln, wenn Wartungen nicht durchgeführt oder Dokumentationen fehlen
Hier greift das sogenannte Organisationsverschulden: Hat der Unternehmer keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen, um Verstöße zu verhindern, haftet er persönlich – teils auch neben dem Fahrer.
Rechtsprechung: Wer wurde wofür verurteilt?
⚖️ OLG Hamm, 2018:
Ein Unternehmer wurde wegen vorsätzlicher Ordnungswidrigkeit verurteilt, weil er keine wirksame Kontrolle der Lenkzeiten seiner Fahrer durchgeführt hatte – trotz mehrfacher Hinweise.
⚖️ Amtsgericht Kassel, 2021:
Ein Fahrer, der mit einem überladenen Lkw kontrolliert wurde, musste allein haften, weil er die Beladung abgesegnet und keine Bedenken geäußert hatte.
⚖️ EuGH, Urteil C-421/20 (2023):
Das Gericht stellte klar, dass die Verantwortung für die Einhaltung der Wochenruhezeitregelungen auch beim Unternehmen liegt – selbst wenn Fahrer wiederholt dagegen verstoßen.