Zweistelliges Wachstum

Die Rail Cargo Group (RCG), Güterkonzern der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), hat seit Beginn dieses Jahres einen neuen obersten Weichensteller: Clemens Först (40), promovierter Chemiker und Physiker, steht nach einem kurzen Intermezzo als Produktionsvorstand bei DB Cargo jetzt wieder auf der Lohnliste seines früheren Arbeitgebers ÖBB. In der Funktion des Vorstandssprechers soll er die Güterverkehrsparte in eine profitable Zukunft führen. Neben Först agieren auf der obersten Führungsebene der RCG weiter die bisherigen Vorstände Ferdinand Schmidt und Erik Regter. Wobei Schmidt nicht mehr allzu lange mit auf der Kommandobrücke stehen wird, sondern Ende Mai dieses Jahres sein Vorstandsmandat "auf eigenen Wunsch" zurückgibt. Ob es für ihn einen Ersatz geben wird, ist derzeit noch offen. Först plant keine Revolution Für RCG war 2016 kein leichtes Jahr. Das Transportvolumen ist leicht gesunken, die Leistung minimal gestiegen (siehe Kasten Seite 19). Das Unternehmen bekam die scharfe Konkurrenz zwischen Schiene und Straße nicht zuletzt wegen des niedrigen Dieselpreises zu spüren. Für Först aber kein Grund zur Unruhe. "Die RCG hat 2016 zwar nicht die Planvorgaben erreicht, aber trotzdem mit einem erfreulichen, positiven operativen Ergebnis im zweistelligen Bereich abgeschlossen", sagt der RCG-Chef im 10. Stock des ÖBB-Towers beim Wiener Hauptbahnhof. Först sagt gleich zu Beginn des Gesprächs mit der VerkehrsRundschau ganz klar: Er tritt nicht mit einer revolutionär neuen Strategie an, vielmehr geht es ihm um das Fortschreiten auf dem bisherigen Weg, nämlich den Konzern zu einem Bahn-Logistikdienstleister mit europäischer Ausrichtung zu formen. Dabei stehen sowohl Westeuropa als auch Osteuropa im Fokus. Im ersten Halbjahr dieses Jahres wird die Strategie an die bevorstehenden Herausforderungen angepasst, die da Digitalisierung, 3-D-Druck oder Industrie 4.0 heißen. Först: "Wir müssen uns fragen, ob wir neue Geschäftsmodelle entwickeln müssen, ausreichend innovativ sind und die richtigen Dienstleistungen anbieten." Das gilt aus seiner Sicht besonders für Deutschland, den wichtigsten Handelspartner Österreichs mit Importen im Wert von 41 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Nach Deutschland exportiert Österreich Waren im Wert von 39 Milliarden Euro. Deutschland ist für RCG das Kernland für internationale Warenverkehre, hier sind die wichtigsten Ballungsräume. Deshalb "spielt für uns Deutschland eine ganz wichtige Rolle, und wir sind hier maßgeblich im Logistik-, Operator- und Eigentraktionsgeschäft aktiv", betont der Manager. Als Beispiel nennt er Rennstrecken wie Hamburg und Bremerhaven nach Linz, Wien und Wolfurt in Vorarlberg. Über diese Gateways rollen Ganzzüge mit starker maritimer Tangente, zumal Deutschlands Nordhäfen traditionell sehr wichtige Häfen für die österreichische Außenwirtschaft sind. Hamburg beispielsweise ist der wichtigste Container-Exporthafen für Österreich mit beinahe 300.000 TEU (20-Fuß-Container) pro Jahr (Gesamtmarkt Österreich: etwa 500.000 TEU). Eigene Bahngesellschaft in Deutschland Neben den regulären Zugangeboten kommen noch einige Company-Trains: beispielsweise zwischen Triest und Duisburg mit vier Rundläufen pro Woche im Auftrag von Samskip, zwei Rundlaufzüge zwischen Triest und Ludwigshafen im Auftrag des türkischen Logistikers Ekol sowie Triest und Burghausen mit einer Abfahrt pro Woche für den deutschen Industriekunden Wacker Chemie. Dazu fährt RCG eigene Züge von Curtici in Rumänien nach Duisburg sowie von Ljubljana nach Duisburg. Der steigende Anteil der Eigentraktion in Deutschland (1,6 Milliarden Tonnenkilometer in 2016) hängt mit dem Kauf von zwei deutschen Bahngesellschaften zusammen, die auf dem Markt als Rail Cargo Carrier Germany und Rail Cargo Carrier PCT agieren. 2017 sind zusätzliche Zugangebote geplant: beispielsweise zwischen Rijeka und Ludwigshafen oder Triest und Duisburg. Außerdem ist man derzeit gerade in der Planungsphase für neue Zugprodukte nach Deutschland. Trotz der Angebotsausweitung will Först mit einem Optimierungsprogramm die wirtschaftliche Zukunft der RCG mit ihren mehr als 8000 Mitarbeitern absichern. Dazu zählen unter anderem eine Erhöhung der Produktivität, eine bessere Auslastung der Ressourcen und ein Innovationsmanagement. Oben auf der Agenda in diesem Jahr steht der Ausbau der Transportkorridore. Ein Beispiel dafür ist der Shuttleverkehr zwischen Antwerpen und Linz, der für den konventionellen Wagenladungsverkehr konzipiert und mittlerweile gut ausgelastet ist. P Der KV gilt als Hoffnungsmarkt für die RCG. Rail Cargo Operator als Operateur und Produzent von intermodalen Korridorzügen in Europa will in den nächsten Jahren deutlich wachsen. Först hält ein Wachstum in einem zweistelligen Bereich für durchaus realistisch, da für den kontinentalen, aber auch für den maritimen KV in Europa eine steigende Nachfrage vorhergesagt wird. Im vergangenen Jahr sei es gelungen, die Leistung im KV um eine Milliarde Tonnenkilometer zu steigern. Besonders für den intermodalen Verkehr würden sich große Chancen zur besseren Auslastung der hochfrequenten Langstreckenverbindungen zwischen den potenten Wirtschaftsregionen bieten. Mischzüge als neue Variante In bahninternen Kreisen wird sogar eine Steigerung des KV um 50 Prozent für möglich gehalten. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass Europas Schwerindustrie zurückfällt und damit Volumen im Wagenladungsverkehr verloren geht. Anderseits steigt die Nachfrage nach containerisierter Ladung und nach intermodalen Transportkonzepten. Zusätzliches Volumen rechnet sich Först in Südosteuropa aus, wo zwar das klassische Bahntransportgeschäft gering ist, doch der KV an Profil gewinnt und seine Stärken ausspielt. Die Langstreckenzüge nicht ausschließlich als reine Intermodal-Züge zu führen, sondern als Mischvariante - sprich Container, Trailer und konventionelle Wagen zusammen auf einen Zug zu bringen -, sei eine weitere Möglichkeit, neues Volumen für den KV zu gewinnen. P Mehr zum Thema im Dossier Kombinierter Verkehr www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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