Weiterhin frisches Geld dank Mini-Zinsen

Die deutsche Transport- und Logistikbranche steht in diesem Jahr vor mehreren Herausforderungen: Die Konjunktur läuft weiter auf Hochtouren, aber die Kapazitäten sind oft begrenzt - zum Beispiel in puncto Personal, Frachtraum oder Lagervolumen.Zeitgleich müssen sich die vor allem kleinen und mittleren Unternehmen aus diesem Wirtschaftszweig mehr mit der Digitalisierung auseinandersetzen. Viele investieren deshalb nicht nur in übliche Betriebsmittel zur Abwicklung der Aufträge, sondern wollen zunehmend auch Geld für Technik oder sogar für neue Geschäftsmodelle ausgeben. Nicht immer genügend ist das Eigenkapital zur Finanzierung aller Projekte. In solchen Fällen ist nach wie vor oft der Kredit von der Hausbank gefragt. Die Banken und Sparkassen könnten 2018 aber die großen Bremser werden: Denn Unternehmen haben es schwerer, Geld für ihre Pläne zu erhalten. Das ergab der jetzt vom digitalen Mittelstandsfinanzierer Creditshelf erhobene Finanzierungsmonitor. Für diese Studie wurden zusammen mit der Technischen Universität (TU) Darmstadt 200 Finanzentscheider aus mittelständischen Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen befragt.Sieben von zehn Unternehmen gehen laut dem Creditshelf-Finanzmonitor davon aus, dass die Kreditvergabe der Banken in nächster Zeit restriktiver wird. Creditshelf-Geschäftsführer Daniel Bartsch begründet das zunehmende Zögern der Banken "speziell bei unbesicherten Krediten auch mit den immer strengeren Bankenvorgaben seit der letzten Finanzkrise".EZB leitet eine sanfte Zinswende einZudem dürfte die Politik die Kreditvergabe stark beeinflussen. Finanzexperten gehen davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) nach dem zum Jahresende erwarteten Ende ihrer Anleihekäufe auch den Leitzins vorsichtig anheben wird."Ein Aufkeimen der Inflation, zusätzliche Unsicherheiten im internationalen Umfeld und nicht zuletzt auf wieder höhere Margen bedachte Banken dürften dazu beitragen, dass wir über längere Zeit eher wieder höhere Zinsen sehen werden", meint Dirk Schiereck, Professor für Unternehmensfinanzierung an der TU Darmstadt. Er begleitet den Creditshelf-Finanzmonitor regelmäßig und warnt, dass Transport- und Logistikunternehmen lieber nicht auf eine Rückkehr zu alten Zinstiefs aus dem vergangenen Jahr hoffen sollten. Vor allem kleinere Betriebe mit nicht ganz so guter Bonität tragen demnach Zinsänderungsrisiken. "Sie verfügen nicht über die gleiche Verhandlungsmacht wie die Großen und es fehlt ihnen ein ähnlicher Zugang zu Alternativen wie etwa einer kapitalmarktorientierten Finanzierung.""Hinzu kommt, dass die Diskussionen über den Brexit und die Strafzölle vielen Verantwortlichen in Banken und Sparkassen vermutlich etwas Sorgen bereiten", erklärt Schiereck. Das könnte sich negativ auf Transport- und Logistikbetriebe auswirken, die stark vom Außenhandel abhängen. "Angesichts der möglicherweise zu erwartenden Einbußen aufgrund von Restriktionen beim Export und Import müssen die Banken davon ausgehen, dass die Profitabilität dieser Branche leidet." Der Finanzforscher der TU Darmstadt rechnet damit, dass die Geldhäuser deshalb gegenüber diesem Wirtschaftszweig künftig vorsichtiger bei der Kreditvergabe agieren. Die Erfahrung zeige, dass die Speditionen die zusätzlichen Kosten infolge solcher Marktverschiebungen wegen des hohen Wettbewerbs untereinander meist nicht an ihre Kunden weitergeben können.Mittelfristig rechnet Schiereck damit, dass sich die wirtschaftliche Perspektive gerade international aktiver Unternehmen durch einen verschlechtern könnte, sollte es zu einem Außenhandelsrückgang kommen. "Dadurch überlegen sich die Banken zunehmend, ob sie in diesen Fällen langfristige Kredite überhaupt vergeben oder zusätzliche Sicherheiten verlangen sollten."Nicht alle können so, wie sie wollenGerade für kleine und mittelständische Unternehmen könnten der anhaltende Konjunkturboom und die sich langsam andeutende EZB-Zinswende laut Schiereck zum Fluch werden. Die Auftragsbücher sind voll, bereits jetzt arbeiten viele Betriebe an der Grenze ihrer Kreditrahmen, um Projekte vorzufinanzieren.Laut dem Creditshelf-Finanzmonitor liegen diese kurzfristigen Investitionen bei 87 Prozent der Betriebe noch einmal deutlich über dem Vorjahresniveau. Trotz großen wirtschaftlichen Erfolgs bleibt finanziell also wenig Luft, um Zukunftsprojekte anzustoßen. "Das ist ein Problem, dass für anhaltende Zeiten der Hochkonjunktur nicht unüblich ist", erklärt Bartsch. Zum Teil würden dabei auch psychologische Gründe eine Rolle spielen: Denn in Unternehmen, denen es gut geht, sieht man oft keine Notwendigkeit, sich für die Zukunft neu aufzustellen.Schiereck von der TU Darmstadt empfiehlt kleinen und mittleren Transportund Logistikunternehmen, wieder mehr Eigenkapital vorzuhalten. "Parallel sollten Spediteure versuchen, bei bestehenden Finanzierungen die Laufzeiten zu verlängern, um weiter von den Niedrigzinsen profitieren zu können", sagt der Professor für Unternehmensfinanzierung. Zudem sei es ratsam, sich bei der Finanzierung unabhängiger von der Hausbank zu machen - Alternativen, um an frisches Geld zu kommen, bieten mittlerweile diverse Fintechs wie Lendico, Funding Circle und Kapilendo auf ihren Internetportalen. Aber auch bei den Online-Kreditmarktplätzen erhalten nur Gewerbetreibende mit guter Zahlungsfähigkeit günstige Konditionen. Es lohnt sich also, vorher genau hinzuschauen.Die Prognosen der Banken und Sparkassen sind weniger pessimistisch. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken etwa sehen derzeit keinen Grund, die Kreditvergabe an mittelständische Gewerbekunden einzuschränken. Das teilte deren Bundesverband mit. Die aufkeimende Zinswende bedeute nicht, dass der Leitzins schnell wieder auf drei oder vier Prozent steigen werde, sagte ein Sprecher. "Vielmehr werden wir mittelfristig weiter sehr niedrige Zinsen sehen." Im Jahr 2018 sei keine grundsätzliche Änderung der Niedrigzinsen zu befürchten."Die kurzfristigen Auswirkungen der handelsprotektionistischen Maßnahmen der USA und des anstehenden Brexits auf die deutsche Exportwirtschaft und auf das Firmenkundengeschäft der Genossenschaftsbanken bleiben überschaubar", betonte kürzlich auch Andreas Martin, Vorstand der Bankengruppe. Die längerfristigen Gefahren seien aber nicht zu unterschätzen, wenn der internationale Handel zwei Belastungsproben ausgesetzt wird.Aus Sicht des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) entfaltet der politische Protektionismus zwar Störpotenzial. Die deutsche Konjunktur zeige sich zum Jahresbeginn aber insgesamt aber weiter sehr robust und die Kreditnachfrage sei ungebrochen hoch, erklärt DSGV-Experte Holger Schulz. Vor allem der Mittelstand ist aus seiner Sicht in hervorragender Verfassung und nutzt weiterhin seine geschäftlichen Spielräume für Investitionen.Ähnlich äußert sich der Bundesverband deutscher Banken. Die darin vertretenen Privatbanken stimmt zuversichtlich, dass die meisten konjunkturellen Frühindikatoren auf einem sehr hohen Niveau liegen. Der Bankenverband geht davon aus, dass die Inflationsrate im Euroraum nur moderat anzieht und den weiteren Anstieg der Kapitalmarktzinsen begrenzt. Obwohl Banken und Sparkassen unter dünnen Gewinnmargen leiden, können sich Unternehmen also auch im Jahr 2018 über gute Finanzierungsbedingungen freuen.Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Finanzierung" www.verkehrsrundschau.de/dossiersFinanzpolitikZinswende durch Europäische Zentralbank allmählich in SichtMit viel billigem Geld versuchen die Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) seit Jahren die Inflationsrate in der Eurozone zu steuern und die Konjunktur anzukurbeln. Erspartes bei der Bank wirft daher kaum noch Zinsen ab, Kreditnehmer kommen dagegen billiger an Geld.Die EZB halte an ihrer extrem lockeren Geldpolitik fest, betonte Präsident Mario Draghi Anfang März auf einer Konferenz in Frankfurt erneut."Es gibt eine sehr klare Bedingung für uns, die Netto-Anleihekäufe zu beenden: Wir müssen eine nachhaltige Anpassung des Inflationspfads an unser Ziel sehen, was mittelfristig einer Inflationsrate von unter, aber nahe zwei Prozent entspricht."Derzeit kauft die EZB Wertpapiere, überwiegend Staatsanleihen, für 30 Milliarden Euro je Monat. Die Käufe, die im März 2015 begonnen haben, sollen noch bis mindestens Ende September laufen. Höhere Zinsen erwarten Fachleute frühestens im kommenden Jahr. Allerdings hält die EZB ihren Leitzins weiter auf dem Rekordtief von null Prozent und verlangt von Banken auch künftig für Einlagen mit einem Negativzins eine Art Strafgebühr. Dennoch reagieren die Finanzmärkte bereits auf den sich abzeichnenden Kurswechsel der EZB - die Zinsen beginnen langsam zu steigen. dpa/ag

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