Turbine nachgeschaltet

Drehzahlmesser lügen nicht. Insofern erklimmt der auf 40 Tonnen ausgeladene Sattelzug diese schwedische Autobahnsteigung tatsächlich nur mit 900 Touren. Angesichts der auf dem Typenschild ausgewiesenen 460 PS beachtlich und ein Indiz für die jüngste Überarbeitung der Fernverkehrsmodelle des Volvo FH. Die Maßnahmen des Updates fasst der schwedische Hersteller unter der Bezeichnung "I-Save" zusammen und verspricht eine Verbrauchsreduzierung von nicht weniger als sieben Prozent - bezogen zum bisherigen Modell. Wobei I-Save bis auf Weiteres nur für die beiden populärsten Leistungseinstellungen des 12,8 Liter großen D13-Reihensechszylinders mit 460 beziehungsweise 500 PS zu haben ist. Drei Prozent davon will Volvo durch Maßnahmen an Soft- und Hardware holen. Das neue Leichtlauf-Motoröl (5/W30) verringert innere Reibungen ebenso wie die neue, um 100 Kilogramm und mit weniger Öl arbeitende Hinterachse mit 12 Tonnen Traglast. Nochmals besser auf den Fernverkehr abgestimmt hat Volvo außerdem das automatisierte Getriebe I-Shift und spendiert passend dazu dem GPS-Tempomat I-See eine verbesserte, kartenbasierte Arbeitsweise. Unter anderem verordnet die Elektronik dem Getriebe vor dem Erreichen der Bergkuppe nun früher den Neutral-Modus und verlängert auf diese Weise die Rollphasen. Zudem macht I-See vor Bergen noch fleißiger vom hinterlegten Angasmodus Gebrauch und spart sich auf diese Weise viele steigungsbedingte Rückschaltungen. Stolz sind die Göteborger auf die neuen wellenförmigen Mulden auf der Kolbenoberseite. Diese sollen die Verbrennung verbessern und den Wirkungsgrad erhöhen, indem sie die Wärme und Energie in die Mitte des Zylinders leiten. Denn Wärme ist in den I-Save-Modellen ein wertvolleres Gut und obligatorisch dafür, dass die für die restlichen vier Prozent der versprochenen Verbrauchseinsparung zuständige Turbo-Compound-Technik arbeiten kann. Eine Neuheit ist Letztere keinesfalls, bereits Anfang der 90er versuchte sich Erzkonkurrent Scania für einige Jahre an dem aufwendigen Verfahren, das zudem im aktuellen Topmodell des Mercedes-Benz Actros die Performance verbessert. Vereinfacht gesagt wandelt eine dem Turbolader nachgeschaltete Turbine die überschüssige Wärmeenergie der Abgase in mechanische um und überträgt diese über ein Getriebe direkt auf die Kurbelwelle. Lohn der Mühe: Drehmomentwerte, die in der jeweiligen Leistungsklasse ihresgleichen suchen. Bringt es der "normale" D13 mit 460 PS auf keinesfalls schlechte 2300 Newtonmeter Drehmoment, wuchtet der intern D13 TC (für Turbo-Compound) genannte Bruder 300 Nm mehr an die Hinterachse. Beim 500 TC sind es sogar 2800 Nm, womit der 500er sein um 40 PS stärkeres Pendant um 200 Newtonmeter überflügelt und mit der schwächsten Version des 16,1 Liter großen Reihensechszylinders des Topmodells FH 16 sticht. Allerdings fürchten die Volvo-Verantwortlichen diese hausinterne Konkurrenz nach eigenen Angaben nur bedingt. Die Turbocompound-Technik steht bei den Schweden mehr für geringe Verbräuche als für Temporekorde. Und die sollen weniger steigungsbedingte Rückschaltungen und das daraus resultierende niedrige Drehzahlniveau bringen. Das könnte gelingen, auch wenn sich bei den ersten Testfahrten im Raum Göteborg noch keine Möglichkeit für Verbrauchsmessungen ergab. Berge, die der Standard-D13 mit 460 PS nur unter Zuhilfenahme der elften Fahrstufe und mit Drehzahlen jenseits der 1400-Touren-Marke schafft, wuchtet das TC-Pendant aber mit den eingangs erwähnten 900/min im zwölften Gang hinauf. Nie mehr als 1300 Touren am Berg Und sollte eine Gangrückstufung unumgänglich sein, wandert die Nadel des Drehzahlmessers hangwärts nie über die 1300er-Marke hinaus. Der Abstand zu seinem vorausfahrenden Pendant ohne Turbo-Compound, das den Berg dafür mit höherer Drehzahl überwindet, verliert er dabei trotzdem nicht. Gleiche Charaktereigenschaften offenbart der stärkere 500er-TC, der naturgemäß nochmals souveräner, sprich schneller die Kuppe erreicht. Auch weil hier das optionale Doppelkupplungsgetriebe Dual Clutch in den Testfahrzeugen für blitzschnelle Gangwechsel ohne spürbare Zugkraftunterbrechung sorgt. Allerdings wiegt unserer Meinung nach die beim Dual Clutch obligatorische Overdrive-Funktion den aufwendig erkämpften Vorteil des Turbo-Compound-Systems auf. Denn um möglichst lange im direkt übersetzten elften Gang arbeiten zu können, stuft die Steuerungssoftware bereits am Fuße von vergleichsweise harmlosen Steigungen entsprechend zurück und verordnet dem Sechszylinder ein unnötig hohes Drehzahlniveau. Wir würden uns diese teure Option sparen und entsprechend in eine umfangreiche Kabinenausstattung investieren. Bislang noch keine Angaben macht der Hersteller übrigens zum Mehrpreis der I-Save-FH. Nutzlasthungrige Kunden dürften allerdings bereits am vom Hersteller angegebenen Mehrgewicht von exakt 101 Kilogramm zu knabbern haben. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Volvo www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Kraftstoff sparen durch ein niedriges Drehzahlniveau ist das Motto bei Volvos neuen I-Save-Modellen für den FH. Neben vielen Verbesserungen an Soft- und Hardware setzen die Schweden zusätzlich auf die Turbo-Compound-Technik.