Die Teilnehmer des 2023 gestarteten EU-Projekt ZEFES (Zero Emissions flexible vehicle platforms with modular powertrains serving the long-haul Freight Eco System) trafen sich im Rahmen des K-Expert-Talks beim Trailerhersteller Kässbohrer auf der Messe transport logistic in München. Während zur vergangenen IAA Transportation noch die Entwicklung von elektrifizierten Lkw und Trailer im Fokus stand, ging es nun vornehmlich um den wirtschaftlich effizienten Einsatz der Zero-Emission-Nutzfahrzeuge und die Anpassung von Logistikprozessen an die spezifischen Erfordernisse der E-Lkw.
Der spanische Lebensmittellogistiker Primafrio betreibt rund 3000 Einheiten in nationalen und internationalen Verkehren. Als erster spanischer Flottenbetreiber hat das Unternehmen laut Marina Förch, Commercial Director Primafrio, 2023 die ersten vollelektrischen Lastwagen beschafft. Inzwischen sind es 15 batterieelektrische Trucks. Das größte Manko zu Beginn: Es gab keine Ladeinfrastruktur, so dass Primafrio seine eigene Ladepunkte im Depot errichtet hat. Auch heute noch sind laut Förch Lademöglichkeiten für Lkw Mangelware, insbesondere im grenzüberschreitenden Verkehr.
Das ideale Lademanagement entwickeln
Eine weitere Herausforderung in der Praxis ist nach ihren Angaben das Energiemanagement. Denn das hat spürbare Auswirkungen auf den Strompreis. Der eigenerzeugte PV-Strom ist ein wichtiger Baustein für Kostenparität zu Diesel-Lkw. Primafrio benötigt die Energie aus der Photovoltaik aber auch für die Versorgung des 15.000 Quadratmeter großen, gekühlten Warenhauses. „Zu unserer Aufgabe gehört es, das ideale Lademanagement zu entwickeln“, berichtete sie. Nur mit dessen Hilfe könne man eine Kostenparität zu Diesel-Trucks erzielen.
Die Elektrifizierung soll aber weiter gehen. So plant Primafrio laut Förch Depotlademöglichkeiten an Standorten in Valencia und Belfort, um Lücken entlang der Routen zu schließen, um schlussendlich emissionsfrei von Spanien nach Schweden zu fahren. Hierbei ist eine weitere Herausforderung der Anschluss an das öffentliche Stromnetz, das vielfach nicht den Anforderungen genügt, und die Kommunikation mit den jeweiligen Netzbetreibern.
Forderung nach öffentlicher Ladeinfrastruktur für Lkw
Das bestätigte auch Rogier Laan, Vice President Sales bei der TIP Group, die bereits zahlreiche vollelektrische Einheiten im Mietfuhrpark unterhält: „90 Prozent unserer Kunden laden derzeit im eigenen Depot. Wir benötigen dringend eine öffentliche Ladeinfrastruktur für Lkw, um die Lücken entlang der Transversalen zu schließen.“ Zudem seien wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle nötig, da die Margen in der Transportbranche zu gering sind, um Zero-Emission-Fahrzeuge als Schauprojekte zu betreiben. Auch diese müssten Geld verdienen. Laan riet allen Transportunternehmern dazu, Ladestrompreise mit Ladeparkbetreibern und Stromversorgern zu verhandeln, da es gewisse Spielräume gebe.
Fahrzeugauslastung bietet wirtschaftliches Potenzial
Wirtschaftliches Potenzial bietet vor allem die Auslastung der Zero-Emission-Lastzüge. Ein Baustein hierfür ist die Revision der EU-Richtlinie Vehicle Weight & Dimensions, die E-Nutzfahrzeugen einen Bonus beim zulässigen Gesamtgewicht einräumt, um beispielsweise das Mehrgewicht der Batterien zu kompensieren. Doch die Revision ist laut Fernando Liesa, Generalsekretär der Transportvereinigung ALICE noch nicht in allen Nationalstaaten der EU wie Österreich umgesetzt, so dass E-Fahrzeuge kostspielige Umwege nehmen müssen. „Der Zeitpunkt der Kostenparität wird aber kommen und schneller als manch einer denkt“, bekräftigte er. Deswegen müssten Flottenbetreiber sich schon heute mit E-Lkw auseinandersetzen, um den Anschluss nicht zu verlieren.
Digitalisierung entscheidend für wirtschaftlichen Fahrzeugeinsatz
Digitalisierung könnte zusätzlich dazu beitragen, die Transformation zu beschleunigen und Kostenparität zu erzielen. Dieser Meinung ist auch Marina Förch. „Künstliche Intelligenz, digitaler Zwilling – wir nutzen alle Möglichkeiten, um die Auslastung unserer Fahrzeuge zu steigern und den Ladestrompreis zu senken“, sagte sie. Etwa um zu ermitteln, wann der eigenerzeugte Strom in die Fahrzeugbatterien fließt und wann ins Lagerhaus.
Auch Rogier Laan erläuterte: „Der E-Lkw wird bleiben, aber die Logistikprozesse werden sich noch ändern. Es ist ein Irrglaube, dass sie so wie heute bestehen bleiben könnten, denn E-Fahrzeuge setzen andere Abläufe voraus.“ Er forderte Offenheit bezüglich Zusammenarbeit von den Flotten. „Glauben sie nicht, dass sie alle Herausforderungen allein bewältigen können. Dafür benötigen sie sachkundige Partner.“ Es dauere mindestens ein Jahr, um neue Abläufe zu entwickeln und um geeignete Relationen für die Elektrifizierung auszuwählen. Das gelinge nur mit Beobachten, Parameter anpassen und erneut beobachten, argumentierte Maurice Loef, Director Line Haul DPD BeNeLux.
Trailer-Vecto bestraft kombinierten Verkehr
Iffet Turken, Mitglied der Geschäftsführung von Kässbohrer und Gastgeberin des K-Expert-Talks, wies noch auf die Bedeutung des kombinierten Verkehrs für die Reduktion des CO2-Ausstoßes hin. Der Mix aus Elektrifizierung und Verlagerung von Transporten auf die Schiene sei wirksam, die geeigneten Trailer dafür vorhanden. Doch die Kapazitäten der Bahn viel zu gering, erklärte sie.
Als kontraproduktiv wurde auch die CO2-Vorgaben für Trailer durch die EU bewertet. Denn Fahrzeuge mit aerodynamischen Verkleidungen wie sie das Simulations-Tool Vecto belohnt, ließen sich beispielsweise nicht mehr auf Waggons verladen. Die aus der CO2-Gesetzgebung drohenden Strafzahlungen könnten die Transportbranche wie ein Hammer treffen, so Rogier Laan. Die nächste ZEFES-Runde soll dann klären, wie sich Logistikproesse wirtschaftlich erfolgreich anpassen lassen, so Ben Kraaijenhagen, technischer Projektleiter ZEFES. Das dürfte dann ein weiterer wichtiger Meilenstein für die Transformation sein.