Berlin. Der Chef der Gewerkschaft Transnet, Norbert Hansen, wechselt kurz vor dem geplanten Börsengang der Bahn die Seiten und soll Arbeitsdirektor des Konzerns werden. „Ich bin vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG und aus Kreisen der Politik gefragt worden, ob ich als Arbeitsdirektor zur Verfügung stehen würde“, teilte Hansen heute in Berlin mit. Er habe seine Bereitschaft dazu erklärt. Vom Gewerkschaftsvorsitz, den der 55-Jährige seit 1999 innehatte, trat er bereits zurück. Der Vorstand der Gewerkschaft wertete den vorgesehenen Schritt als „eine weitere Garantie für den integrierten Konzern und für die Sicherung der Beschäftigung“. Von der Partei Die Linke und Gegnern der Bahn-Privatisierung kam heftige Kritik. Die Deutsche Bahn äußerte sich nicht. Der Aufsichtsrat des Konzerns kommt am Donnerstag nächster Woche zusammen, um den Börsengang vorzubereiten. Der Transnet-Vorstand habe seine Entscheidung begrüßt und wolle seine Ernennung durch den Aufsichtsrat der Bahn unterstützen, teilte Hansen weiter mit. Er kündigte an, das vereinbarte Beschäftigungsbündnis im neuen Amt umsetzen zu wollen. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles rügte in der „Berliner Zeitung“: „Dieser einmalige Vorgang wirft einen Schatten auf die gesamte Bahnreform.“ Der SPD-Bundestagsabgeordnete Niels Annen warf Hansen in der „Leipziger Volkszeitung“ eine „gewisse Schamlosigkeit“ vor, die dessen Rolle in der Debatte um die Bahnprivatisierung „in einem ganz bestimmten Licht“ erscheinen lasse. Hansen selbst sagte dagegen der „Frankfurter Rundschau“: „Die Unterstellung, ich hätte als Gewerkschaftschef aus persönlichen Motiven die Bahnreform unterstützt, ist aberwitzig.“ Linke-Fraktionsvize Werner Dreibus kritisierte, „mit windelweichen Regelungen zur Beschäftigungssicherung“ bei gleichzeitiger Zustimmung zur Bahn-Privatisierung habe Hansen sich „eine gute Ausgangsposition im neuen Job geschaffen“. Das privatisierungskritische Bündnis „Bahn für alle“, das auch Verdi und IG Metall unterstützen, warf Hansen vor, der Vorstandsposten sei sein Motiv gewesen, die Privatisierung zu betreiben. Die Gewerkschaft GDBA begrüßte dagegen den Schritt, da Hansen um die Sorgen und Nöte der Mitarbeiter bei der Bahn wisse. Dem Vernehmen nach soll Hansen als Arbeitsdirektor auf der Ebene des Mutterkonzerns engagiert werden. Für den Börsengang ist geplant, dass darunter eine neue Gesellschaft für den Personen- und Güterverkehr gebildet wird, die zu 24,9 Prozent an private Investoren verkauft werden soll. Darauf hatte sich die schwarz-rote Koalition verständigt. Personalvorstand im Konzern ist derzeit Margret Suckale, die gerade den Tarifkampf mit der Lokführergewerkschaft GDL beigelegt hatte. In die Lösung des monatelangen Konflikts war auch Transnet eingebunden. Nach Informationen der Tageszeitung „Die Welt“ soll Suckale Personalchefin der künftig börsennotierten Transport- Tochter werden. Die Rochade sei zum 1. Juni vorgesehen. Erst kürzlich hatten Hansen und der Chef der Gewerkschaft GDBA, Klaus-Dieter Hommel, vom Bahnvorstand die Zusage erhalten, dass es in Zusammenhang mit der Privatisierung bis Ende 2023 keine Entlassungen geben wird. Hansen ist bisher auch stellvertretender Vorsitzender des Bahn-Aufsichtsrats, der von Evonik-Chef Werner Müller geleitet wird. Hansen hatte den Börsenkurs von Bahnchef Hartmut Mehdorn gestützt und auch gegen Widerstand in der SPD und im Lager der DGB-Gewerkschaften verteidigt. An diesem Freitag sollen die Spitzengremien von Transnet über die Nachfolge beraten. Im Gespräch ist unter anderem der bisherige Tarifvorstand Alexander Kirchner. Direkte Wechsel führender Gewerkschafter in Chefetagen der deutschen Wirtschaft sind selten. Im Jahr 2001 war der ehemalige Vorsitzende der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Herbert Mai, als Arbeitsdirektor zum größten deutschen Flughafenkonzern Fraport in Frankfurt gegangen. (dpa)
Transnet-Chef Hansen wechselt die Fronten

Rücktritt als Gewerkschaftschef. Hansen soll neuer Arbeitsdirektor bei der Deutschen Bahn werden