Studie: Riesiger Finanzbedarf für Infrastruktur - Pkw-Maut als Lösung?

25.11.2025 08:34 Uhr | Lesezeit: 3 min
Baustellenschild
Damit die Finanzierung von Straßen, Brücken und Schienen auf gesicherten Beinen steht, ist eine grundlegende Reform nötig, mahnt das Deutsche Verkehrsforum. Auch eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Gelder wohl nicht reichen und bewertet verschiedene Finanzierungsoptionen. Schnelles Handeln der Politik sei wichtig (Symbolbild)
© Foto: studio v-zwoelf/stock.adobe.com

Eine Studie nennt einen Finanzbedarf von fast 400 Milliarden Euro bis 2030 für Verkehr. Wo soll das Geld herkommen? Handlungsbedarf sieht auch das DVF.

Mindestens 390 Milliarden Euro – so viel Geld benötigt der öffentliche Sektor bis 2030, um Schienenwege, Fernstraßen und den öffentlichen Personenverkehr zu finanzieren sowie daneben auch noch die Transformation der Automobilwirtschaft zu unterstützen. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Studie der beiden Thinktanks Agora Verkehrswende und Dezernat Zukunft.

„Etwas mehr als die Hälfte entfällt auf die bundeseigenen Verkehrsinfrastrukturen und die Förderung der Transformation der Automobilwirtschaft und liegt damit in der Finanzierungsverantwortung des Bundes“, heißt es in der Studie.

Sondertöpfe für die Infrastruktur werden nicht reichen

Interessant sind auch die Steigerungen, zum Beispiel im Bereich Erhalt von Schienen und Bundesfernstraßen:

  • 2025 bestand ein Investitionsbedarf von knapp 30 Millionen Euro
  • 2030 liegt er laut Studie bei 43 Milliarden Euro

Das Fazit der beiden Denkfabriken: Es braucht zusätzliche Finanzierungsquellen. Auch das Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz reiche zur Deckung voraussichtlich nicht aus, wie die Organisationen weiter mitteilen.

Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende, sieht es als einen wichtigen ersten Schritt. „Es hilft, den Investitionsstau abzubauen, reicht aber bei Weitem nicht aus, um Schienen, Brücken und Straßen sowie Busse und Bahnen für die Zukunft fit zu machen.“ Bislang werde nur einer prognostizierten Verkehrsentwicklung hinterhergeplant, bemängelt sie.

Pkw-Maut und Steuerreformen als Finanzierungsoption für kaputte Straßen und Brücken

Die Studie macht insgesamt fünf Vorschläge, um eine künftige Finanzierung dieser prognostizierten Summe zu decken:

  • staatliche Kreditaufnahme
  • Steuerreformen (Kfz-Steuer, Dienstwagenbesteuerung, Entfernungspauschale, Energiesteuer an ökologischen und sozialen Kriterien ausrichten)
  • Straßennutzungsgebühren für Lkw und Pkw – also eine Maut für alle,
  • die finanzielle Beteiligung von Gruppen, die von einem leistungsfähigen ÖPNV-Angebot indirekt profitieren
  • privates Kapital.

Sachverständige mahnen zu Reformen bei Schienenverkehr

Ein von den Denkfabriken hinzugezogener Sachverständigenrat aus Politik, Wissenschaft, Verkehrs-, Finanzunternehmen und Gewerschaften teilte zwar die Meinung, dass zusätzliche Finanzierungsquellen benötigt werden, war sich aber nicht einig, welche Optionen wie stark in ein entsprechendes System Eingang finden sollten. Das müsse die Politik entscheiden.

Privates Kapital sollte nach Meinung der Sachverständigen nur zu einem geringen Teil beitragen. Denn die Finanzierungskosten seien höher als bei staatlichen Krediten, zudem könnten die Renditeerwartungen zu insgesamt höheren Kosten für die Allgemeinheit führen.

Der Rat mahnt in der Studie zum Beispiel beim Verkehrsträger Schiene dazu, dass das Investitionsvolumen hier stetig steigen müsse. Ein überjähriger Eisenbahninfrastrukturfonds könne Planungssicherheit schaffen; eine Reform der Trassenpreise in Richtung Grenzkosten die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene erhöhen.

Zeit für die Umsetzung: Politik zum Handeln aufgefordert

Für eine dauerhaft tragfähige Finanzierung des Verkehrssystems sind aus Sicht der Thinktanks zusätzliche Kredite und Gebühren zentral.


"Eine verursachergerechte Pkw-Maut sichert die Infrastrukturfinanzierung unabhängig von der öffentlichen Haushaltslage und ermöglicht eine fairere Verteilung der Kosten."

ergänzt Vera Huwe vom Dezernat Zukunft zu einem Aspekt.


„Es braucht Zeit, bis neue Instrumente wirken können. So sollten etwa eine verursachergerechte Pkw-Maut und ÖPNV-Beiträge für Nutznießende sozial verträglich und schrittweise umgesetzt werden“, erklärt Huwe zum Zeithorizont. „Diese Instrumente werden daher erst nach 2030 ihr volles Potenzial entfalten können.“

Gleiches gelte für eine Reform der Schuldenregeln. „Auch wenn die Finanzbedarfe der Infrastruktur nach Abbau des Sanierungsstaus wieder sinken, ist eine Ausweitung der Kreditfinanzierung für eine dauerhaft tragfähige Finanzierungslösung, die über zeitlich begrenzte Sondervermögen hinausreicht, nötig.“ Wichtig sei daher, dass die Politik nun entsprechend handle.

DVF fordert Infrastruktur-Pakt: Fünf Handlungsfelder für die Politik

Nicht nur die Studienautoren fordern die Politik auf, tätig zu werden. Fast zeitgleich meldete sich auch das Deutsche Verkehrsforum (DVF) zu Wort und mahnte Reformen bei der Finanzierung der Infrastruktur an. Es greift fünf Handlungsfelder auf, die seitens der Bundesregierung schnellstens angegangen werden müssten:

  1. Nachbesserungen beim Sondervermögen: Eine Investitionsquote von 15 Prozent im Kernhaushalt sollte als Zielmarke für die Zusätzlichkeit gelten. Eine gegenseitige Deckungsfähigkeit und die Übertragbarkeit von Ausgabenresten müssten sichergestellt werden
  2. Strukturreformen bei der Finanzierung und den Zielbildern und Infrastrukturplänen im Bereich Fernstraße, Schiene, Wasserstraße und Häfen: Zielbilder und Infrastrukturpläne müssten entwickelt werden. Finanzmittel sollten langfristig gesichert werden, über Mehrjährigkeit und Fondskonzepte.
  3. Investitionsklima und Partnerschaften stärken: Unter anderem sollte die Kompetenz der privaten Wirtschaft bei Planung, Bau und Betrieb von Infrastrukturen in Form von partnerschaftlichen Modellen und entsprechenden Anreizstrukturen aktiviert werden.
  4. Ausschreibungs- und Vergabeprozesse vereinfachen und beschleunigen: etwa über stärkere Standardisierung und Digitalisierung der Verfahren, Bündelung von Projekten. Für neue Verfahren und Vergabekriterien sollte der Gesetzgeber Rechtssicherheit schaffen.
  5. Bürokratie abbauen, Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen, mehr digitalisieren: Unter anderem nennt das DVF als Maßnahmen Stichtagsregelungen, eine stärkere Parallelisierung der Prozesse, die Etablierung der Plangenehmigung als Regelverfahren, die Reform des materiellen Umweltrechts und die Vereinfachung von Verfahren zur Infrastrukturinbetriebnahme.

„Wir sind sehr um den Zustand unserer Verkehrsinfrastruktur und die investive Handlungsfähigkeit Deutschlands besorgt“, so DVF-Präsidiumsvorsitzender sowie Vorstand Aviation und Infrastruktur Fraport AG Pierre Dominique Prümm. „Aktuell kommt das Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität nicht mit voller Kraft im Verkehrssektor an. Gleichzeitig werden notwendige Strukturreformen hinausgezögert oder unterlassen.“

Das DVF-Präsidium fordert den Bund auf, Finanzierungsstrukturen zu reformieren, Prozesse zu beschleunigen und Investitionen zu erhöhen. Nur so könne Deutschland aus dem Negativtrend des Verfalls der Verkehrswege und des Wirtschaftsabschwungs herauskommen. Hierzu sei ein gemeinsamer Kraftakt von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft notwendig.


Hintergrund zur Studie "Eckpunkte für die Finanzierung eines zukunftsfähigen Verkehrssystems"

Für ihre Berechnung führten die beiden Denkfabriken bereits vorliegende Studien zusammen und ergänzten sie um eigene Annahmen. Darüber hinaus wurde die Studie von einem Sachverständigenrat begleitet. Mit im Sachverständigenrat dabei waren etwa die IG-Metall-Chefin Christiane Benner, der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bahn, Werner Gatzer, und Alexander Möller vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen.

Der Abschlussbericht „Eckpunkte für die Finanzierung eines zukunftsfähigen Verkehrssystems“der beiden Thinktanks, einschließlich der Empfehlungen des Sachverständigenrats findet sich hier auf der Webseite von Agora Verkehrswende zum Download.



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#Verkehrsinfrastruktur Finanzierung

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