Future Skills: Die Schlüsselkompetenzen im Zeitalter KI

Digitalisierung, ökologischer Umbau und demografischer Wandel - die Welt dreht sich scheinbar immer schneller. Diese Triple-Transformation stellt nicht nur die Unternehmen vor nie gekannte Herausforderungen, sondern verändert auch die Arbeitswelt massiv. Klarer Trend zu Future Skills Um in diesen unsicheren und von stetiger Transformation geprägten Zeiten handlungsfähig, offen, kritisch und selbstwirksam zu bleiben, brauchen Menschen "Future Skills". Das sind vor allem überfachliche Kompetenzen, die oft auch Softskills genannt werden, wie etwa Lernbereitschaft und kritisches Denken, um zum Beispiel mit neuen Technologien umzugehen, sich verändernde Tätigkeitsfelder zu erschließen, Desinformation zu erkennen und in einer vielfältigen Gesellschaft respektvoll zusammenzuarbeiten. Um so dringlicher stellt sich die Frage: Welche Future Skills gewinnen aus Sicht der Arbeitgeber an Bedeutung? Die Studie "Kompetenzen für morgen" der Bertelsmann Stiftung, für die 47 Millionen Online-Stellenanzeigen analysiert wurden, zeigt einen klaren Trend hin zu einer stärkeren Nachfrage nach Future Skills: In vier von fünf Stellenanzeigen werden Selbstmanagement-Kompetenzen wie Anpassungsfähigkeit gesucht, in drei von vier Stellenanzeigen soziale Fähigkeiten wie Einfühlungsvermögen. Auch kognitive Kompetenzen wie kritisches Denken fordern Arbeitgeber in mehr als jeder zweiten Stelle. Revival von Kardinaltugenden Allerdings variiert je nach beruflichem Anforderungsniveau die Nachfrage nach Future Skills. Die Klassifikation der Berufe der Bundesagentur für Arbeit unterscheidet vier Stufen: Hilfskräfte verfügen meist über keinen oder einen einjährigen Berufsabschluss, Fachkräfte über eine zwei- bis dreijährige Berufsausbildung. Spezialisten haben meist eine Meister- oder Techniker-Qualifikation oder einen Bachelorabschluss, während Experten in der Regel mindestens vier Jahre studiert und einen Master-, Diplom- oder Staatsexamensabschluss haben. Durchschnittlich fünf überfachliche Kompetenzen suchen Unternehmen in Jobanzeigen für Hilfskräfte. Bei Experten sind es mit acht deutlich mehr. "Anpassungsfähigkeit" ist beispielsweise entscheidend, um sich immer wieder auf neue Tätigkeitsanforderungen einzustellen. Sie wird besonders bei Hilfskräften nachgefragt, die stärker von Automatisierung betroffen sind (2023: 21 Prozent). Bei Experten liegt der Anteil zwar nur bei 16 Prozent, dieser ist jedoch seit 2019 deutlich gestiegen (plus 24 Prozent). Mit dem erhöhten Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) wird Anpassungsfähigkeit auch in komplexen Dienstleistungsberufen zunehmend zur Schlüsselkompetenz. Auch "Einfühlungsvermögen" gewinnt an Bedeutung, besonders in Jobanzeigen für Experten, die öfter Führungsverantwortung innehaben als Fachkräfte. Seit 2019 ist die Nachfrage nach dieser Kompetenz um 76 Prozent gestiegen. Empathie gilt als zentraler Bestandteil einer modernen Führungskultur, die auf Vertrauen und Wertschätzung setzt. Gleichzeitig erleben auch traditionelle Tugenden wie Verlässlichkeit und Sorgfalt einen Nachfrageaufschwung - vor allem bei Hilfs- und Fachkräften. Seit 2019 stieg die Nachfrage nach Verlässlichkeit um 23 Prozent und wird inzwischen in jedem vierten Stellenangebot genannt. Wo Fachkräfte fehlen, setzen Unternehmen zunehmend auf diese "Grund-Tugenden" - fehlendes Fachwissen lässt sich hingegen meist einfacher vermitteln. Was in der Logistik zählt In den Berufsgruppen "Führer von Fahrzeug- und Transportgeräten" sowie "Verkehrs- und Logistikberufe" der Klassifikation der Berufe dominieren die Future Skills "Einsatzbereitschaft", "Teamfähigkeit", "Selbstständigkeit", "kritisches Denken" und "Anpassungsfähigkeit". Zu den Berufen der Fahrzeug- und Transportgeräteführung zählen Tätigkeiten im Straßen-, Schienen- und Luftverkehr sowie in der Führung von Bau- und Transportmaschinen. Verkehrs- und Logistikberufe umfassen hingegen unter anderem Servicekräfte im Personenverkehr, Tätigkeiten im technischen Betrieb des Eisenbahn-, Luft- und Schiffsverkehrs sowie Berufe in der Lagerwirtschaft, bei der Post und im Güterumschlag. Während Einsatzbereitschaft in mehr als der Hälfte dieser Stellenanzeigen genannt wird, liegt die Nachfrage nach kritischem Denken bei 27 Prozent in Verkehrs- und Logistikberufen und bei 15 Prozent in Berufen in der Fahrzeug- und Transportgeräteführung. Verkehrs- und Logistikberufe erfordern zudem häufiger Planungsfähigkeit (12 Prozent) und analytisches Denken (6 Prozent), während bei Berufen in der Fahrzeug- und Transportgeräteführung Kundenorientierung (15 Prozent) stärker im Vordergrund steht. Auch wenn sich die relevanten Future Skills teils nach Beruf und Branche unterscheiden, sind alle Bereiche vom Einzug der KI betroffen, wenngleich in unterschiedlichem Maße. Inwiefern wird die KI also den Menschen aus Jobs verdrängen? Einige sehen in KI ein großes Potenzial, die Produktivität der Arbeit zu steigern und angesichts des Fachkräftemangels schwer zu besetzende Stellen durch Automatisierung zu ersetzen. Andere hingegen befürchten den Verlust von Arbeitsplätzen. Neue Technologien können einige menschliche Tätigkeiten ersetzen, aber auch neue Aufgabenfelder schaffen. Während Computer bisher vor allem Routinetätigkeiten automatisierten, können KI-Systeme heute auch komplexe Aufgaben übernehmen - oft ohne detaillierte Anweisungen. Welche Berufe KI ersetzt Die genauen Entwicklungen sind schwer vorherzusagen. Die vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) entwickelten Substituierbarkeits-Potenziale sind Grundlage für entsprechende Prognosen. Sie beschreiben, in welchem Umfang Computer oder computergesteuerte Maschinen berufliche Tätigkeiten vollständig automatisiert ausführen können. Studien des IAB zeigen, dass das Substituierbarkeits-Potenzial für Fertigungsberufe mit über 80 Prozent relativ hoch ist, während es für soziale und kulturelle Dienstleistungsberufe mit weniger als 15 Prozent vergleichsweise gering ist. Das Substituierbarkeits-Potenzial für Verkehrs- und Logistikberufe liegt bei knapp über 60 Prozent. Doch selbst bei hohem Automatisierungspotenzial verschwinden Berufe selten - oft verhindern ethische oder rechtliche Aspekte, wie in der Pflege oder beim autonomen Fahren, eine vollständige Automatisierung. Auch wirtschaftliche Überlegungen spielen eine Rolle - insbesondere die Energieeffizienz, da generative KI-Systeme einen hohen Energiebedarf haben. Der Beitrag von KI zur Lösung des Fachkräftemangels ist daher voraussichtlich begrenzt. KI-Systeme können Beschäftigte jedoch entlasten und Arbeit effizienter gestalten, indem sie zum Beispiel Routineaufgaben übernehmen oder bei der Texterstellung unterstützen. Durch die multiple Transformation müssen Menschen sich stetig neue Fachkompetenzen aneignen, um beruflich anschlussfähig zu sein. Voraussetzung dafür sind aber Future Skills wie Lern- und Anpassungsfähigkeit sowie kreatives Denken, um Veränderungen auch aktiv zu gestalten. Future Skills stärken die Resilienz von Beschäftigten und Organisationen gleichermaßen. Sie ermöglichen es, Herausforderungen lösungsorientiert zu begegnen und die Chancen des Wandels, zum Beispiel für mehr Produktivität durch den Einsatz von KI, zu nutzen. Kompetenzen für KI stärken Kompetenzen, die Menschen für die Arbeit mit KI benötigen, gehen aber weit über technisches Verständnis hinaus. Kritisches Denken, Selbstreflexion und Planungsfähigkeit sind Future Skills, die wir benötigen, um die Ergebnisse der KI kritisch zu bewerten, die Technologie ethisch korrekt einzusetzen und Prozesse mit KI zu optimieren. Weiterbildung und kontinuierliche Kompetenzentwicklung sind damit die Grundlage für Wettbewerbsfähigkeit und gesellschaftliche Teilhabe. Entscheidend ist, wie Menschen auch nach ihrer Ausbildung Future Skills weiterentwickeln können - das Arbeitsumfeld spielt dabei als praxisnaher Lernort eine zentrale Rolle. Voraussetzung dafür sind passende Rahmenbedingungen und eine Unternehmenskultur, die lebenslanges Lernen fördern. Unternehmen und Führungskräfte können die Zukunftsfähigkeit ihrer Organisation entscheidend stärken, indem sie Weiterbildung und lebenslanges Lernen fest verankern. Regelmäßige Weiterbildung stärkt wichtige Future Skills der Mitarbeiter, wie Lernfähigkeit, Problemlösungskompetenz und Sinnstiftung - unabhängig vom jeweiligen Lerninhalt. Dafür braucht es Zeit, finanzielle Mittel und gezielte Anreize: Mitarbeiter sollten für Weiterbildung freigestellt und durch ein festes Weiterbildungsbudget motiviert werden. Führungskräfte übernehmen dabei eine Vorbildfunktion, indem sie selbst aktiv an Weiterbildungen teilnehmen und ihre Teams ermutigen, sich stetig weiterzuentwickeln. Wichtig ist, dass Weiterbildungsangebote zu den Lebensrealitäten der Menschen passen. Sie sollten selbstbestimmt in ihrer Wahl der Weiterbildung sein, wozu ausreichend Weiterbildungsangebote erforderlich sind. Unternehmen sollten Weiterbildung zudem strategisch managen und klare Verantwortlichkeiten dafür festlegen. Zu einer guten Weiterbildungsstrategie gehören regelmäßige Soll-Ist-Abgleiche der Kompetenzen und die Vereinbarung von Entwicklungszielen. Beides zahlt auch beim Onboarding von neuen Mitarbeitern positiv auf deren Lernmotivation und eine schnelle Einarbeitung ein. Kompetenzprofile der Mitarbeiter werden idealerweise mithilfe eines 360-Grad-Feedbacks erfasst, das sowohl ihre Selbsteinschätzung als auch die Rückmeldungen von Führungskräften und Kollegen einbezieht. Das stärkt Future Skills wie Selbstreflexion, Kritikfähigkeit und Selbstwirksamkeit. Darüber hinaus fördern informelle Lernformate, wie kollegiale Beratung, Mentoring sowie Peer-Learning, oder gemeinsame Projekte den Erfahrungsaustausch und kreatives Denken. Auch partizipative Formate, in denen Mitarbeiter Ideen einbringen und mitgestalten, stärken das Engagement für die Firma und Innovationskraft - und damit die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Unternehmens. Die fünf zentralen Treiber des Wandels Der Transformationsdruck auf Unternehmen steigt - mit Folgen für die Arbeitswelt. Welche Treiber dafür maßgeblich sind, zeigt die Studie "Stetiger Wandel der Anforderung" der Bertelsmann Stiftung. 1. Fachkräftemangel: Der demografische Wandel verringert die Erwerbsbevölkerung, wodurch viele Stellen unbesetzt bleiben. Zugleich finden Bewerber oft keinen passenden Job - ihre Qualifikationen entsprechen nicht immer den Anforderungen der Unternehmen. Lernbereitschaft wird daher immer wichtiger, damit Betriebe Bewerber, die nicht exakt ins Stellenprofil passen, nachträglich qualifizieren können. 2. Digitalisierung: Innovationen wie Cloud-Technologien, Automatisierung und künstliche Intelligenz (KI) verändern Geschäftsprozesse rasant. Unternehmen müssen IT-Strukturen modernisieren, Arbeitsprozesse digitalisieren und Beschäftigte für den Umgang mit neuen Technologien qualifizieren. 3. Steigende Kosten und geopolitische Unsicherheiten: Energiepreise, Lieferengpässe und Inflation zwingen Unternehmen, ihre Wertschöpfung effizienter und resilienter zu gestalten. Hier ist die gezielte Förderung von kreativen Lösungen und Innovation gefragt. 4. Nachhaltigkeit: Gesetzgebungen zum Klimaschutz und gesellschaftlicher Druck beschleunigen den Übergang zu nachhaltigen Geschäftsmodellen. Auch hier können Future Skills wie ganzheitliches Denken zugleich zu kosteneffizienteren Lösungen führen. Ökologische Transformation wird zunehmend zu einem Wettbewerbsfaktor. 6. New Work: Die Erwartungen von Menschen an ihre Arbeit haben sich in den vergangenen Jahren verändert: Diese soll sinnstiftend sein und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben, sollten Unternehmen darauf reagieren und zum Beispiel flexible Arbeitsmodelle einführen, flachere Hierarchien etablieren und partizipativere Entscheidungsprozesse ermöglichen. Larissa Klemme hat Soziologie studiert und ist seit 2021 Project Manager bei der Bertelsmann Stiftung, Gütersloh, und dort Expertin für Future Skills am Arbeitsmarkt. Im Projekt "Beschäftigung im Wandel" analysiert sie die Nachfrageentwicklung nach Future Skills in Online-Stellenanzeigen, identifiziert lernförderliche Unternehmenskulturen und etabliert derzeit ein digitales Softskill-Assessment, um Future Skills bei jungen Menschen und Erwachsenen sichtbar zu machen.

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