Schwierige Ausgangslage

Sieht man sich die großen Unternehmen wie Alibaba, Apple, Amazon oder auch Tesla an, um festzustellen, wer im Vergleich zu den deutschen Pendants (Siemens, Otto Versand/Neckermann oder Daimler/VW) besser abgeschnitten hat, dann fällt die Antwort eindeutig aus - zumindest was die Marktkapitalisierung betrifft. Neckermann existiert nicht mehr. Tesla verkauft zwar deutlich weniger Autos als die großen europäischen Pkw-Hersteller. Aber an der Börse ist Tesla mehr wert als BMW, Daimler und VW zusammen. Mit diesem Geld lässt sich natürlich Druck auf die etablierten Anbieter aufbauen. Deutschland abgeschlagen hinter USA Liegt es also am verfügbaren Geld, dass Start-ups in den USA erfolgreicher sind? Nicht nur, aber das verfügbare Kapital spielt schon eine Rolle. "Die institutionellen Anleger sind in den USA deutlich risikofreudiger", sagt Jenny Boldt, Leiterin Start-ups beim Verband Bitkom. Das betrifft vor allem die Start-ups mit einer Marktbewertung von mehr als einer Milliarde US-Dollar, die als Unicorns (Einhörner) bezeichnet werden. Einer Untersuchung des Hurun Research Institute in Shanghai zufolge gibt es 586 solcher Unternehmen weltweit, von denen sich alleine 233 in den USA und 227 in China befinden. Deutschland belegt Rang sechs, aber hierzulande gibt es gerade mal zehn solcher Start-ups. "Die institutionellen Anleger in Deutschland wie Versicherungen oder Rentenfonds investieren keine dreistelligen Millionenbeträge in solche Start-ups", sagt Boldt. Thomas Prüver, Partner beim Beratungsunternehmen Ernst & Young und Leiter EY Start-up, stimmt zu, was die großen Beträge betrifft. "In den USA gibt es viele Fonds wie die Rentenfonds einzelner Berufsgruppen, die viel risikofreudiger sind", sagt der Experte. Kein Finanzierungsproblem sieht er hingegen hierzulande für Start-ups, die sich in der Gründungsphase befinden. Prüver hat eine recht simple Erklärung dafür parat, wenn junge Start-ups in Deutschland scheitern: "Dann liegt es eher daran, dass das Geschäftsmodell nicht funktioniert." Wobei er sehr wohl auch Unterschiede bei den Rahmenbedingungen zwischen USA und Deutschland erkennt: zum Beispiel beim Personal. "Berlin ist weiterhin attraktiv. Die Stadt zieht nach wie vor junge Arbeitskräfte an, gerade auch aus dem Ausland." In anderen Städten Deutschlands hingegen würde viele Startups vor allem im IT-Sektor selbst bei guter Bezahlung keine Fachkräfte finden. Boldt ergänzt: "In Deutschland gibt es vergleichsweise wenig Know-how über die Gründung von Unternehmen." Sie bezieht sich auf eine weltweite Studie des US-Marketing-Unternehmens Amway in Zusammenarbeit mit der GFK in Nürnberg. Demnach sind nur 35 Prozent der in Deutschland Befragten der Meinung, das deutsche Bildungssystem lehrt ihnen jene Fähigkeiten, die man als Unternehmer braucht. In Nordamerika sind es hingegen 52 Prozent. Zudem gibt es in Deutschland bei der Unternehmens-Gründungskultur durchaus noch Luft nach oben: "52 Prozent der von Bitkom in einer Studie befragten Gründer von IT- Start-ups stimmten der Aussage zu, dass ihre Lehrer dem Thema Gründung/Selbstständigkeit ablehnend gegenüberstanden", nennt Boldt als Beleg das Ergebnis einer Bitkom-Befragung. Ernüchterung bei den Logistik-Start-ups Hinzu kommt, dass in den USA die Einstellung zu Unternehmern, die zunächst keinen Erfolg haben, ein anderer ist als in Deutschland. "In den USA gibt es einen ganz anderen Umgang mit dem Scheitern", sagt Prüver. Ein Unternehmer bekomme dort immer eine zweite oder dritte Chance. "Wer bei uns hingegen mit einer Geschäftsidee scheitert, wird schnell als unfähig angesehen", sagt der Berater. Wie sind vor diesem Hintergrund dieser Aussagen die Aussichten von Start-ups in der Logistik in Deutschland zu bewerten? Martin Schwemmer ist Senior Consultant beim Fraunhofer SCS in Nürnberg. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen Startups in der Logistik. Die großen Hoffnungen der Start-ups von vor etwa fünf Jahren, den Logistikmarkt aufzumischen, hätten einen Dämpfer erhalten. Als jüngstes Beispiel dafür sieht er die Abgabe des Logistikgeschäfts von Uber an Sennder. "Das hat mich schon stark überrascht. Ich hätte gedacht, die Amerikaner ziehen das durch", sagt Schwemmer. Große Aktivitäten von Start-ups hat er in den Segmenten letzte Meile, Intralogistik und Seefracht beobachtet. In der Seefracht sei das Maersk- Engagement bei Forto (ehemals Freighthub) eine interessante Entwicklung. Und Intralogistik sei immer schon ein Betätigungsfeld mit einem großen Potenzial für Start-ups gewesen. "Bei der Auslieferung auf der letzten Meile ist jedoch Ernüchterung eingetreten", sagt Schwemmer. Merklich abgeflaut sei die Debatte und damit die Gefahr einer Disruption, wie sie noch vor etwa fünf Jahren von vielen diskutiert wurde. "Es hat sich gezeigt, dass das System Logistik verwobener und damit nicht so einfach zu verdrängen ist", so der Wissenschaftler. "Alles digital zu machen, das reicht nicht. Dazu sind die Logistiker zu stark, deren Netzwerke sind im Markt etabliert und stellen einen großen Wert dar", begründet Schwemmer, warum viele Logistik Start-ups nicht den Erfolg gehabt haben, den viele ihnen prophezeit hatten. Doch daraus den Schluss zu ziehen, Startups seien nicht bedeutsam und ohne Einfluss, sei falsch. Im Gegenteil: "Auf der Ebene der Digitalisierung sowieso, aber auch in anderen Bereichen der Logistik können sie weiter an Bedeutung gewinnen und wichtige Impulsgeber und Partner sein, auch für den Mittelstand", sagt Schwemmer. Weshalb er auch den etablierten Unternehmen eine Zusammenarbeit empfiehlt, wenn Start-ups mit guten Ideen in den Markt kommen. Mehr zum Thema unter #startupsinderlogistik www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Warum sind Start-ups in den USA erfolgreicher als in Deutschland? Dafür gibt es verschiedene Gründe. Ein wichtiger ist, dass es zu wenig Know-how bei den Gründern gibt. Eine andere Ursache ist das fehlende Geld in der Expansionsphase.

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