Russland

Russland Auf Wiedersehen Wachstumsmarkt Russland verabschiedet sich aus dem Kreis der interessanten Wachstumsmärkte für deutsche Logistiker. Eine Entwicklung, die sich schon vor der aktuellen Krise um die Ukraine und die Krim abzeichnete. Der Warenhandel mit dem flächenmäßig größten Land der Erde ist seit einiger Zeit rückläufig. Das zeigen die aktuellen Daten des Import-Export-Seismografen, die der VerkehrsRundschau vorab vorliegen: Die Exporte von Deutschland nach Russland sind demnach im Jahr 2013 um 13 Prozent auf 5,1 Millionen Tonnen eingebrochen. Insbesondere in den Segmenten Metalle (-49%), Automobile (-20%) und Nahrungsmittel (-20 %) sind starke Rückgänge zu verzeichnen. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum nahm die Güterausfuhr aus Deutschland insgesamt um 0,4 Prozent leicht zu. Die Bedeutung Russlands für den deutschen Export lässt nach – zumindest was die Tonnage betrifft. Aktuell tragen noch ein Prozent aller deutschen Ausfuhren eine russische Anschrift. 20 Prozent weniger als 2011 Begonnen hat diese Entwicklung schon im Jahr 2011. Seitdem hat der Export in Richtung Russland um 21,2 Prozent abgenommen. Kommt es jetzt noch zu den vom Westen angedrohten Wirtschaftssanktionen, dann dürfte der Warenstrom auch in den kommenden Jahren weiter nachlassen. „Die Boomjahre im Russland-Geschäft scheinen vorerst vorbei zu sein“, sagt Professor Christian Kille von der Hochschule Würzburg-Schweinfurt, der den Seismografen zusammen mit dem PR-Experten Wolfpeter Hocke entwickelt hat und regelmäßig veröffentlicht. Auch Spediteure bestätigen diese Entwicklung. Vor allem Mittelständler scheinen sich in den vergangenen Monaten vermehrt aus dem Ostgeschäft zurückgezogen zu haben. „Neben den Mengenrückgängen liegt dies vor allem an dem fehlenden Vertrauen der deutschen Unternehmer in die Putin-Administration“, sagt ein erfahrender Marktkenner, der nicht genannt werden möchte. „Bei den Investitionsgütern ist schon seit 2009 ein Rückgang erkennbar“, berichtet auch Carsten Schmidt, der bei der Rieck-Tochter Homtrans für die Russlandverkehre zuständig ist. Doch es gibt auch wenige Bereiche, in denen das Russlandgeschäft auch im Jahr 2013 weiter zunahm. Dazu zählen vor allem pharmazeutische Produkte (+7,3%) und Bekleidung (+11%). „Russland bleibt nach wie vor ein riesiger Markt“, zeigt sich deshalb auch Dieter Müller überzeugt, der bei der Spedition Emons das Osteuropageschäft verantwortet. Derzeit gebe es noch keine Beeinträchtigungen im Grenzverkehr mit Russland, berichtet Müller, der jeden Tag einen Sattelzug nach Moskau sowie Minsk schickt. Momentan laufe alles wie gewohnt, erzählen auch andere Russland-Spediteure. Doch die Unsicherheit wächst. Was passiert, wenn die angedrohten Sanktionen des Westens wirksam werden? Die Spediteure befürchten Gegenmaßnahmen der russischen Administration. Durch eine Verschärfung der Visaverfahren könnte es noch schwieriger als heute werden, Mitarbeiter zwischen der EU und Russland zu bewegen. Und auch an den Grenzen könnte die Zollabfertigung komplizierter werden, so die Angst der Spediteure und Verlader. Einen Vorgeschmack gab in den vergangenen Monaten das Hin und Her bei den Carnet-TIR-Transporten. Die russischen Behörden behinderten immer wieder das Zollverfahren, sodass der internationale Transporteursverband IRU Staatspräsident Wladimir Putin Anfang Februar in einem Brief mit dem Ausschluss Russlands aus dem international anerkannten Zollverfahren drohte. Doch ob sich Russlands oberster Herrscher derzeit davon beeindrucken lässt, ist fraglich. Momentan versucht die IRU, Moskau in Gesprächen zu einem Umdenken zu bewegen, doch spätestens auf der Vollversammlung am 4. April muss die IRU eigentlich eine Entscheidung fallen. Denn während europäische Spediteure bis zu 83 Mal mehr Geld für die Verzollung aufwenden müssen, genießen die russischen LKW nach wie vor die Vorzüge des TIR-Verfahrens. Indes haben sich die Spediteure mit kleineren Schwierigkeiten wie beim Carnet TIR arrangiert. „Es ist die Aufgabe eines internationalen Logistikers, hier Lösungen zu finden, das sind wir gewohnt“, zeigt sich der Emons-Verantwortliche Müller gelassen. So werde beispielsweise in Weißrussland das Carnet TIR aufgelöst, um sich dann in der seit 2010 geltenden Zollunion Russland, Weißrussland und Kasachstan mit den Waren relativ frei bewegen zu können. Ein Zusammenschluss, dem nach Willen von Präsident Putin eigentlich auch die Ukraine hätte beitreten sollen. Doch ein Großteil vor allem der Bevölkerung im Westen des Landes hat sich mit den Aufständen auf dem Maidan in Kiew für eine Annäherung an die EU entschieden. Russen raten Ukraine zu umfahren Seit Wochen herrscht in der Ukraine große Unsicherheit, nicht zuletzt aufgrund der Besetzung der Krim durch russische Truppen und dem Antrag der Krim-Regierung zum Beitritt in die Russische Förderation. Die politischen Unruhen im Süden und Osten des Landes haben auch Auswirkungen auf den Güterverkehr. Ruslan Kiss, Generaldirektor des russischen Logistik-Unternehmens RLP, erklärte kürzlich, dass wohl schon alsbald der russisch-europäische Transitverkehr die Ukraine umgehen werde. „Selbst wenn die Grenze nicht geschlossen wird, ist es angeraten, wegen der auf den ukrainischen Straßen entstandenen Kontrollposten und der dort anzutreffenden Persönlichkeiten aus Rücksicht auf die Sicherheit von Fahrern und Fracht das unruhige Gebiet zu umfahren“, so die Warnung aus Moskau. Kiss empfiehlt den Transit über Weißrussland. Dieser wird von europäischen Unternehmen schon heute bevorzugt (siehe Karte oben). Dramatisch ist schon heute der Absatzrückgang westlicher Waren in der Ukraine: „Das Frachtvolumen von West nach Ost in die Ukraine ist eingebrochen“, berichtet Müller. Von anderen namhaften Logistikhäusern ist zu hören, dass diese aufgrund der Krise sogar erhebliche Verluste und Sonderabschreibungen einkalkulieren müssen. Um dem hoch verschuldeten Land schnell zu helfen, will die EU Waren aus der Ukraine ab Juni einen weitgehend zollfreien Zugang zum gesamten EU-Binnenmarkt gewähren. Diese einseitigen Handelserleichterungen haben laut Brüssel einen Wert von rund 500 Millionen Euro. Die EU zieht damit einen wesentlichen Teil des noch nicht unterschriebenen Assoziierungsabkommens mit Kiew vor. Ob dies aber wirklich hilft, die Wirtschaftsprobleme zu lösen, ist fraglich. „Viele Spediteure sehen es eher als „Tropfen auf den heißen Stein“ und verweisen darauf, dass eine wirkliche Lösung der Probleme nur mit Russland möglich sei. „Die Ukraine muss eine verbindende Rolle zwischen der EU und Russland einnehmen“, so die Meinung vieler Kenner Osteuropas. Ob aber dazu die neue ukrainische Führung, der Westen und Wladimir Putin bereit sind, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. ❙❚■ Andre Kranke Was passiert, wenn die Sanktionen des Westens wirksam werden? „Das Frachtvolumen von West nach Ost in die Ukraine ist eingebrochen“ Dieter Müller, Area Manager East, Emons Spedition

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