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Regierung will nach Haushaltsurteil alle Sondervermögen überprüfen

20.11.2023 11:16 Uhr | Lesezeit: 5 min
Der deutsche Reichstag in Berlin
Wie geht es weiter nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts? Nicht nur prüft die Bundesregierung alle Sondervermögen, auch eine Debatte darüber ist entbrannt, woher die fehlenden Milliarden kommen könnten (Symbolbild)
© Foto: Mummert-und-Ibold/stock.adobe.com

Bundeswirtschaftsminister Habeck befürchtet zudem, dass durch das Urteil neben dem Klima- und Transformationsfonds weitere Fonds, etwa für die Energiepreisbremse betroffen sein könnten. Die Ampel-Koalition sucht außerdem nach Lösungen, wie sich das Haushaltsloch stopfen lassen könnte.

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Die Bundesregierung will nach dem Karlsruher Haushaltsurteil alle Sondervermögen auf mögliche Folgen überprüfen. Das Urteil habe weitaus größere Auswirkungen über den konkreten Fall hinaus, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit.

Es solle jedes einzelne Sondervermögen daraufhin angeguckt werden, ob das Urteil auch darauf angewendet werden müsse. Diese Prüfung werde einige Zeit dauern. Sondervermögen sind selbstständige Nebenhaushalte, aus denen oft langfristige Investitionen finanziert werden.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in der vergangenen Woche eine Umwidmung von Krediten von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Sie waren zur Bewältigung der Corona-Krise genehmigt worden, sollten aber für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden.

Nun stehen die Milliarden nicht zur Verfügung. Offen ist, inwiefern das Urteil darüber hinaus Folgen für den Umgang mit schuldenfinanzierten Sondervermögen im Bund auch in Länder haben könnte.

Habeck befürchtet neben KTF Auswirkungen auf weitere Fonds

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck befürchtet nach dem Karlsruher Haushaltsurteil auch Auswirkungen auf die Energiepreisbremsen. Das Urteil beziehe sich zwar nur auf den Klima- und Transformationsfonds (KTF), sagte der Grünen-Politiker am Montag, den 20. November im Deutschlandfunk. Allerdings: „In der Begründung bezieht sich das Urteil, weil es so fundamental gesprochen ist, in der Tat im Grunde auf alle Fonds, die aufgesetzt wurden und die überjährig sind.“

Zur Ankündigung von Unionsfraktionschef Friedrich Merz, auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds auf Verfassungsmäßigkeit prüfen zu lassen, sagte Habeck, das Urteil beziehe sich seiner Ansicht nach auch auf diesen Fonds. Die Union müsse nicht klagen. „Das heißt aber im Klartext, dass jedenfalls für die Zukunft, der (Fonds) soll ja andauern bis zum Sommer 2024, die Bürgerinnen und Bürger höhere Strom- und gegebenenfalls höhere Gaspreise bekommen werden.“

Die Preisbremsen für Strom und Gas gelten noch bis zum 31. März. Die Preise werden dabei für einen Großteil des Verbrauchs von Privathaushalten gedeckelt - für Strom bei 40 Cent und für Gas bei 12 Cent je Kilowattstunde. Die Marktpreise sind inzwischen aber so stark gesunken, dass die Deckel für die meisten Haushalte irrelevant sein dürften.

Wie weiter mit den Finanzen? Schuldenbremse und Sozialausgaben in der Diskussion um Lösungen

Die Ampel-Regierung streitet derweil auch um Schlussfolgerungen aus dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts und sucht Lösungen. Die große Frage ist, wie die Ampel-Koalition das Finanzloch von 60 Milliarden Euro stopfen wird, dass durch das Urteil entsteht.

Grünen-Politiker sprachen sich für Änderungen der Schuldenbremse aus. SPD-Parteichefin Saskia Esken hatte gar dafür plädiert, die Schuldenbremse 2023 und 2024 nicht anzuwenden.

Die FDP hingegen will die Schuldenbremse nicht antasten und stattdessen Sozialleistungen auf den Prüfstand stellen - sie wandte sich zudem abermals gegen Steuererhöhungen. SPD-Chef Lars Klingbeil warnte vor einem Modernisierungsstopp in Deutschland.

Politiker von SPD und Grünen gegen drastische Einsparungen

Klingbeil sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darf nicht dazu führen, dass wir aufhören, unser Land zu modernisieren. Es geht uns um Arbeitsplätze und darum, dass wir ein starker Wirtschaftsstandort bleiben.“

Es brauche Investitionen und Planungssicherheit, um das Land auf Vordermann zu bringen. „Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren zu sehr auf dem Status quo ausgeruht. Das spüren wir gerade jeden Tag, wenn Züge nicht fahren oder Brücken nicht tragen“, sagte der SPD-Parteichef.

Auch Grünen-Parteichefin Ricarda Lang machte am Sonntagabend (19. November) in der ZDF-Sendung Berlin direkt deutlich, dass sie wenig von einem strikten Sparkurs hält. Die Logik, nun müsse der Gürtel enger geschnallt werden, werde am Ende nicht funktionieren.

Gerade am Sozialen zu sparen, sei keine gute Idee, denn die Regierung müsse auch den sozialen Zusammenhalt erhalten. „Wir wissen, dass gerade insbesondere rechte Parteien soziale Sorgen, Ängste der Menschen immer wieder mobilisieren.“

Gefragt nach den Prioritäten der Grünen, wo gespart werden könne, sagte Lang: „Wir können gerne über klimaschädliche Subventionen sprechen.“ Das Umweltbundesamt (UBA) hatte darauf hingewiesen, dass sich im Jahr 2018 die umweltschädlichen Subventionen auf mindestens 65 Milliarden Euro beliefen - neuere Daten liegen nicht vor.

FDP will Sozialleistungen überprüfen

Hingegen sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr der Funke-Mediengruppe (Montagsausgabe), die Koalition müsse auch darüber reden, wo der Sozialstaat seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten könne.

Steuererhöhungen seien dagegen der falsche Weg, um die Wirtschaft anzukurbeln und den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen.

Schuldenbremse reformieren oder abschaffen…

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sprach sich für Änderungen an der Schuldenbremse aus. „Wir Grünen werben schon seit vielen Jahren dafür, die Schuldenbremse zu reformieren, da sie ökonomisch schlecht gemacht ist“, sagte sie der Zeitung Tagesspiegel (Montagsausgabe).

Die Regel bremse notwendige Investitionen aus und sei „in ihrer jetzigen Form eine Belastung für den Wirtschaftsstandort Deutschland“. Jetzt zeige sich zudem, dass die Schuldenbremse auch in Krisenzeiten nicht flexibel genug sei, um Menschen und Unternehmen richtig zu unterstützen.

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse gibt dem Bund nur einen geringen Spielraum zur Aufnahme von Krediten. Ausnahmen sind bei Naturkatastrophen und in außergewöhnlichen Notsituationen zulässig, wie zuletzt wegen der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine.

…versus Schuldenbremse stärken und beibehalten

Die Schuldenbremse gehört zu den zentralen Wahlversprechen der FDP, in Teilen von Grüne und SPD ist sie hingegen umstritten.

So hatte Bundesfinanzminister und FDP-Parteichef Christian Lindner der Zeitung Bild am Sonntag gesagt: „Die neue Rechtsklarheit ist kein Anlass, die Schuldenbremse zu schleifen, sondern sie zu stärken.“

Die oppositionelle Union warnte die Regierungskoalition davor, die Schuldenbremse auszusetzen. „Die einzige Notlage, die wir haben, ist vielmehr eine von der Bundesregierung selbstverursachte politische Notlage“, sagte CDU/CSU-Chefhaushälter Christian Haase den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

„Es gibt aber keine ökonomische Notlage, denn sonst hätte die Bundesregierung diese ja schon kurz nach ihrer Herbstprognose im Oktober erklären müssen.“

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