Während in den vergangenen Tagen Hunderttausende auf der Straße gegen Rassismus, Rechtsextremismus und die politische Agenda der AfD protestiert haben, wächst auch in der Wirtschaft die Sorge vor dem Umfragehoch der in mehreren Bundesländern vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Partei.
„Uns bereitet es sehr große Sorgen, dass die AfD aus der gegenwärtigen Vertrauenskrise gegenüber der Bundesregierung zusätzliches Kapital schlagen kann. Wir müssen den Menschen ins Bewusstsein rufen, dass diese offenkundig rechtsradikale Partei keine Lösungen anzubieten hat. Als bayerische Wirtschaft setzen wir uns mit niemandem an den Tisch, der rechte Parolen propagiert und in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird“, heißt es etwa in einem am Mittwoch veröffentlichten Statement von Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft.
Das nationalstaatliche undemokratische Denken und die Propaganda gegen die EU und den Euro schade dem Standort Bayern und den Unternehmen in ganz Deutschland massiv. „Je mehr die AfD das gesellschaftliche Klima vergiftet, umso unattraktiver wird Deutschland für die Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland, die wir zur Behebung des Fachkräftemangels dringend brauchen“, so Brossardt.
Warnung vor Weidels Dexit-Fantasien
Auch der Maschinenbauverband VDMA sieht in nationalistischen Ideen eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland. „Ein Land, das so exportstark ist wie Deutschland, braucht offene Grenzen, eine Willkommenskultur für ausländische Fachkräfte und eine feste Verankerung in Europa und im Euro-Raum“, hieß es in einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung des VDMA-Präsidiums und der Hauptgeschäftsführung. „Die nationalistischen Ideen der AfD und anderer extremistischer Parteien würden, insbesondere mit Blick auf ihre Wirtschaftspolitik, den Standort Deutschland dagegen in Kürze ruinieren.“
Insbesondere die jüngste Forderung eines „Dexit“ durch die AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel stößt beim VDMA auf entschiedene Ablehnung: Wer den Ausstieg Deutschlands aus der EU fordere, habe nicht begriffen, dass kein europäisches Land im wirtschaftlichen Machtkampf zwischen den Kontinenten allein bestehen könne, hieß es weiter. Der von der AfD ins Spiel gebrachte Austritt aus dem Euro würde Deutschlands und Europas Wirtschaft schweren Schaden zufügen. Darüber hinaus warnte der VDMA: „Wer ausländische Fachkräfte deportieren will, hat nicht begriffen, dass die Parole 'Deutschland den Deutschen' nur einem Standort schweren Schaden zufügt - unserem Land.“ Die Verbandsspitze fordert daher: „Wirtschaft und Verfechter einer demokratisch-marktwirtschaftlichen Gesellschaft müssen sich daher klar gegen solche wohlstandfeindlichen Ideen positionieren.“ AfD und ähnliche Parteien bezeichnet der Verband als "großes Standortrisiko für Deutschland, seine Unternehmen und die Menschen, die hier bei uns arbeiten".
Auch der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe betrachtet den zunehmenden Rechtsextremismus mit großer Sorge. "Als deutsche Seehafenbetriebe fühlen wir uns unzähligen Partnern und Freunden in aller Welt verpflichtet, Haltung zu zeigen gegen Rechtsextremismus", so ZDS-Präsidentin Angela Titzrath. Es dürfe keine falsche Toleranz für Intoleranz geben. "Die Kundgebungen in ganz Deutschland vom Wochenende mit Hunderttausenden von Teilnehmenden sind ein starkes Zeichen für die Position, der wir uns ausdrücklich anschließen: Demokratie, Grundrechte und Rechtsstaat sind nicht verhandelbar."
Gegen Rassimus und für Vielfalt
Bereits vor einigen Tagen warb der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) in einem Statement für kulturelle Vielfalt, allerdings ebenfalls ohne die AfD zu nennen. Demnach arbeiteten Menschen aus aller Welt bei den Paketdienstleistern, hielten die Branche am Laufen und seien unverzichtbar für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. „Rassismus, die Verunglimpfung von Menschen mit Migrationshintergrund und das Schüren von Ängsten in der Bevölkerung haben in unserer Gesellschaft nichts zu suchen, dafür treten wir entschieden ein und werden dies auch in Zukunft tun“, heißt es weiter.
Auch Unternehmen und CEOs aus der Logistikbranche grenzen sich von Rechtsextremismus ab, jedoch in den meisten Fällen, ohne die AfD namentlich zu benennen. So schreibt Dachser-CEO Burkhard Eling auf LinkedIn: „Rechtsextremes Gedankengut, Intoleranz und Isolationismus sind mit den Werten von Dachser nicht vereinbar. Im Namen des Dachser-Vorstands beziehe ich daher eine klare Haltung gegen jede Form von politischem Extremismus.“
Fiege postete ebenfalls auf LinkedIn: „Wir sind stolz, dass in unserem Familienunternehmen über 23.500 Menschen aus 123 Nationen zusammenarbeiten. Diese Vielfalt macht das Arbeiten bei Fiege so besonders und uns gemeinsam erfolgreich.“ Demokratische Grundprinzipien, die in unserer Gesellschaft lange als selbstverständlich galten, würden durch populistische und rechtsextreme Kräfte bedroht. „Wir treten dieser Entwicklung mit aller Entschlossenheit entgegen und verurteilen Hass, Hetze und Fremdenfeindlichkeit auf das Schärfste.“
Versicherer Kravag schreibt in einem Statement, dass Demokratie und Freiheit in Deutschland ernsthaft in Gefahr seien: "Rechtsextreme Kräfte propagieren zunehmend unverhohlen ihre demokratiefeindlichen und menschenverachtenden Ideologien. Uns bei Kravag beunruhigt das zutiefst. Wir bekennen uns klar zu den Grundprinzipien einer freiheitlich-demokratischen Ordnung, die den Menschen in unserem Land beispiellose persönliche Freiheiten und Wohlstand gebracht hat. Daher stehen wir entschlossen an der Seite der Menschen, die in den letzten Tagen in Deutschland auf die Straße gegangen sind, darunter auch viele unserer Kolleginnen und Kollegen."
Als erster großer Lkw-Hersteller hat sich dieser Woche zudem Daimler Truck positioniert – und dabei mehr als deutlich explizit gegen die AfD Stellung bezogen.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel wird fortlaufend aktualisiert (zuletzt am 26. Januar 2024, Statement Kravag)