Fiege elektrifiziert Eigenfuhrpark

In Kürze Es hat länger gedauert als erwartet - aber im Februar hat Fiege seine ersten Elektro-Lkw von Greiwing Truck & Trailer entgegengenommen. Wir erfuhren bei einem Besuch in Greven, welche ersten Erfahrungen mit den E-Lkw gesammelt wurden und auf welche Ladeinfrastruktur der Logistikdienstleister dabei setzt. Die Anforderungen an den Transportsektor, mittelfristig einen großen Teil der heute verursachten CO2-Emissionen zu eliminieren, sind hoch. Schließlich geht es um die Transformation einer Flotte, die heutzutage bei den allermeisten Unternehmen ausschließlich oder größtenteils aus Verbrennern besteht. Diese Ausgangslage ist auch beim international tätigen Logistikdienstleister Fiege mit Stammsitz im westfälischen Greven nicht anders. Fiege setzt insgesamt etwa 1600 bis 2000 Fahrzeuge pro Arbeitstag ein. Die Transportaktivitäten werden zu einem Großteil von längerfristig gebundenen Transportpartnern übernommen, 30 bis 40 Prozent des Volumens werden über den Spotmarkt abgedeckt. Der Eigenfuhrpark besteht europaweit aus gut 100 Fahrzeugen, die meisten davon Euro-6-Diesel-Lkw. Nun geht Fiege neue Wege und hat die ersten Elektro-Lkw vom Typ Volvo FH und Designwerk High Cab in Empfang genommen. Fiege mietet die Fahrzeuge beim ebenfalls in Greven ansässigen Nutzfahrzeugvermieter Greiwing Truck & Trailer (GTT). Weitere E-Lkw sind fest eingeplant Wie Heinrich Schorn, Head of Transport bei Fiege, gegenüber der VerkehrsRundschau bei einem Vor-Ort-Besuch Anfang März am Standort Greven-Reckenfeld erklärt, habe man zum Start vier Elektro-Sattelzugmaschinen bestellt, drei davon seien seit wenigen Wochen im Einsatz. Die Fahrzeuge fünf und sechs seien bereits in Vorbereitung. Die E-Lkw werden nun "im Real-Life-Betrieb" in verschiedenen Bereichen eingesetzt: "Das ist erst einmal der klassische Teil- und Komplettladungsverkehr auf der Mittelstrecke. Bei einem großen Kunden aus dem Spirituosenbereich in Bocholt übernimmt das Fahrzeug die Belieferung des Handels im Ruhrgebiet", sagt Schorn. Der zweite Lkw beliefert demnach vom Standort Biblis aus im Umkreis von 125 Kilometern die Stores eines großen Non-Food-Discounters. Der dritte Lkw, der in Kürze in Münster an den Start geht, fährt derweil im Healthcare-Bereich Shuttles kombiniert mit der Kundenauslieferung. "Die Lkw vier, fünf und sechs sollen im Raum Frankfurt, Ruhrgebiet und Berlin Handels-Zentrallager bedienen", so Schorn. "Das Kundeninteresse an emissionsfreien Transportlösungen ist sehr groß, gerade im FMCG-Segment", ergänzt Hannes Streeck, Managing Director des Fiege-Geschäftsbereichs Fast Moving Consumer Goods (FMCG). Man habe sich nicht unbedingt bewusst für ein Mietmodell entschieden, sondern in erster Linie deshalb, weil dies die Möglichkeit war, schnell an Fahrzeuge zu kommen und erste Erfahrungen zu sammeln, "und dafür ist das Modell Miete tatsächlich perfekt geeignet", so Streeck. Bis zur Entgegennahme der ersten E-Lkw im Februar dieses Jahres war es allerdings ein steiniger Weg. Von den langen Lieferzeiten kann vor allem GTT-Geschäftsführer Simon Greiwing ein Lied singen: "Die ersten Fahrzeuge sollten eigentlich im September 2022 kommen. Geworden ist es dann Januar 2023." Dabei war Greiwing in Sachen Förderung früh tätig geworden: "Wir hatten bei dem ersten Förderaufruf das Glück, dass die TU Berlin im Rahmen des E-Haul-Projekts mit der Anfrage auf uns zugekommen ist", erzählt der Nutzfahrzeugvermieter. Dabei ging es um die Refinanzierung von Elektro-Sattelzugmaschinen mit einem Batteriewechsel-System (siehe auch Kasten Seite 34). Von dem Potenzial der Elektromobilität überzeugt, hat Greiwing darüber hinaus 20 weitere Sattelzugmaschinen zur Förderung beantragt. Im Rahmen der ersten Förderrunde musste der Vermieter fünf Monate auf den Zuwendungsbescheid warten. "Bei dem zweiten Förderaufruf wurden seit August 2022 rund viermal so viele Anträge gestellt, und wir warten bis heute auf einen positiven Bescheid", umschreibt Greiwing den aktuellen Förderstau. Auch für Schorn ist das Thema Förderung essenziell für den Einstieg in den emissionsfreien Transport: "Wir reden hier von Anschaffungskosten von über 430.000 Euro pro Lkw. Ohne Fördermittel ist das kommerziell nicht abbildbar." Dass es hier seit dem zweiten Förderaufruf sehr zäh läuft, bestätigt auch er: "Wir haben Ende August 2022 weitere Fahrzeuge beantragt. Bis heute haben wir allerdings noch keine Ab- oder Zusage erhalten", sagt Schorn. Aber wie machen sich die allerersten E-Lkw bei Fiege denn nun im Praxiseinsatz? Die Reichweite liegt laut Schorn im Realeinsatz bei Voll-Last bei 250 bis 270 Kilometern. "Es ist schon vorgekommen, dass ein Lkw mit drei Prozent Akkustand wieder auf den Hof gefahren ist", erzählt er. Man lerne gerade sehr viel über das Verhalten von Batterien, zum Beispiel darüber, was es bringt, die Fahrzeuge im Winter vorzuwärmen. Rund ums Thema Reichweite hat Fiege einen Back-up-Plan erstellt. Wenn es kritisch werden sollte, könnten Fahrer auf eine Karte zugreifen, auf der geeignete Pkw-Ladesäulen im Einsatz-radius gelistet sind. "Der Fahrer muss dann zwar absatteln und der Ladevorgang dauert relativ lange. Wenn der Lkw aber nach einer Stunde Ladezeit die noch fehlenden 25 Kilometer auf den Hof schafft, ist viel gewonnen", sagt Schorn. Bislang musste in der Zeit, in der Fiege die Lkw hat, allerdings noch nicht auf dieses Notfall-Szenario zurückgegriffen werden. Vier DC-Schnelllader sind beantragt Das Fahrpersonal zeigt sich jedenfalls angetan: Diejenigen, die jetzt einen der E-Lkw fahren, täten dies voller Begeisterung: "Für die Fahrerinnen und Fahrer ist es tatsächlich ein Privileg, so ein neuartiges Fahrzeug fahren zu dürfen", so Schorn. Bei der Ladeinfrastruktur fährt Fiege momentan zweigleisig. "Vier DC-Schnelllader sind im Rahmen des KsNI-Programms beantragt, wir warten jedoch noch auf die Freigabe", berichtet er. Die Netzanschlüsse an den Standorten seien auf jeden Fall fürs Schnellladen ausgelegt. Für den Übergang hat Greiwing seinem Kunden eine mobile Ladeinfrastruktur mit 44 kW zur Verfügung gestellt, die an CE-Steckdosen betrieben werden kann. Es dauert damit acht bis zehn Stunden, bis ein Lkw wieder voll geladen ist. Mit den DC-Schnellladern würde sich der Ladevorgang auf dann nur noch zwei Stunden verkürzen. Handelsketten in die Pflicht nehmen Streeck bringt auch die Handelsketten ins Spiel: "Lkw müssen an der Rampe öfter mal zwei Stunden warten - und das wäre natürlich eine ideale Gelegenheit, um zwischenzuladen." Darüber hinaus verweist er auf den Faktor Nachhaltigkeit: Fiege-Standorte würden mit Ökostrom betrieben, an manchen Standorten werde so viel Photovoltaik-Strom produziert, dass damit der Eigenbedarf gedeckt und teilweise überschüssiger Strom ins öffentliche Netz eingespeist werden könne. "Diesen Strom auch für das Laden von E-Lkw zu nutzen, liegt natürlich auf der Hand. Wenn es irgendwann ans Megawatt-Charging geht, wird man an Großspeicherlösungen nicht vorbeikommen", sagt Streeck. Er geht davon aus, dass in den nächsten Jahren noch viel am Markt passieren wird: "Auch das Konzept Batteriewechsel-Systeme für E-Lkw, das Greiwing gerade im Rahmen eines Pilotprojekts testet, ist für uns hochinteressant." Und was ist mit anderen alternativen Antrieben? "Ob wir H2-Sattelzugmaschinen, wenn sie hoffentlich ab Ende 2024 verfügbar sind, testen werden, haben wir noch nicht final entschieden", sagt Schorn. Er sieht zwar viele Argumente für Wasserstoff, vor allem die Reichweite sowie den deutlich kürzeren Auftankprozess und damit die Zeit, bis ein Fahrzeug wieder einsetzbar ist. Zu den Nachteilen zähle dagegen, dass derzeit hinter der Kabine baulich bedingt die Wasserstofftanks liegen und sich dadurch die technischen Maße der Sattelzugmaschine und der Sattelauflieger verändern. "Vor allem aber beschäftigt uns die noch ungeklärte Frage der Wasserstoff-Infrastruktur. Deswegen warten wir aktuell ab", so Schorn. H2 muss zum Einsatzfeld passen "Wasserstoff als Antrieb wird für uns erst dann interessant, wenn die entsprechenden Fahrzeuge auch zu unseren Einsatzfeldern passen. Wir brauchen in erster Linie Sattelzugmaschinen, fast nirgendwo Gliederzüge", ergänzt Streeck. Und wie könnte der Lkw-Fuhrpark seiner Einschätzung nach in zehn Jahren aussehen? Das könne jetzt wohl noch niemand seriös vorhersagen, meint Streeck und sagt abschließend: "Wir werden in puncto Antriebstechnologien sicherlich auf verschiedenen Füßen stehen. Ganz allgemein gilt: Wenn wir beamen könnten, würden wir beamen." Batterie, wechsle dich! Simon Greiwing, Geschäftsführer Greiwing Truck & Trailer „Wechselsysteme können ein Schlüssel sein, wenn diese im Energienetz integriert sind, um beispielsweise Lastspitzen der Industrie zu kappen oder um längere Laufzeiten bei Windkrafträdern zu realisieren. China beispielsweise hat das bereits erkannt und setzt schon im großen Stil auf BatteriewechselSysteme“, sagt Simon Greiwing, Geschäftsführer Greiwing Truck & Trailer. Sein Unternehmen engagiert sich im sogenannten E-Haul-Projekt, das 2021 unter Konsortialführung der Technischen Universität Berlin und wissenschaftlicher Begleitung des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) gestartet ist. Herzstück des Projekts ist ein automatisierter Batteriewechsel. „An den Wechselstationen übernehmen Roboterarme die abgeladenen Batterien und tauschen sie in wenigen Minuten gegen geladene aus“, erläutert Greiwing. Sein Unternehmen lässt gerade in der Schweiz zwei E-Lkw auf Wechselsysteme umbauen. Stand jetzt sollen die Fahrzeuge Anfang April kommen, im Rahmen des E-Haul-Projekts werden sie dann ab Mitte April auf einer Strecke im Raum Berlin unterwegs sein. „Wir testen das jetzt über 18 Monate mit zwei Lkw, danach wird dann entschieden, an welchen Standorten weitere Wechselstationen Sinn ergeben“, so Greiwing.

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