Multimodale Transportlösungen: Lkw, Schiff und Digitalisierung kombinieren

Großraum- und Schwertransporte (GST) sind für Industrie und Infrastrukturbau unverzichtbar - doch die Möglichkeiten auf der Straße sind zunehmend limitiert. Marode Brücken, überlastete Straßen und aufwendige Genehmigungsverfahren bremsen den Transport schwerer und sperriger Güter aus. Gleichzeitig steigt der Druck, klimafreundliche Alternativen zu finden. Die Binnenwasserstraße bringt zwar klare Vorteile mit sich, führt jedoch bislang ein Nischendasein und wird zu wenig genutzt. Was jetzt passieren muss, damit aus Potenzial gelebte Praxis wird, zeigen Unternehmen wie Felbermayr und die Am Zehnhoff Söns Gruppe, die bereits erfolgreich auf das Binnenschiff setzen. Innovative Transportlösungen Als Vorreiter bei der Nutzung multimodaler Konzepte betreibt das international tätige Unternehmen Felbermayr eigene Schwerlastterminals an Rhein und Donau und kombiniert Binnenschiff und Lkw, um Transformatoren, Windkraftkomponenten oder großformatige Maschinen zu transportieren. Dabei übernimmt das Binnenschiff in der Regel die Langstrecke, während der Vor- und Nachlauf über die Straße erfolgt. Die Verladungen finden regelmäßig sowohl projektbezogen als auch auf festen Relationen statt. Felbermayr sieht insbesondere bei sperrigen und schweren Gütern große Vorteile im Wassertransport - trotz höherer organisatorischer Komplexität im Vergleich zum Lkw-Verkehr. Doch auch für Felbermayr bleibt die "Letzte Meile" eine Herausforderung. Häufig sind die letzten Kilometer vom oder zum Hafen die aufwendigsten - sei es durch fehlende Schwerlaststrecken, enge Ortsdurchfahrten oder unzureichende Infrastruktur. Die genaue Abstimmung zwischen Verladeterminen, verfügbaren Kranen und Transportfahrzeugen ist entscheidend, um reibungslose Abläufe sicherzustellen. Verzögerungen führen unmittelbar zu steigenden Kosten. Ein weiteres Beispiel für innovative Transportlösungen auf der Binnenwasserstraße ist ein seit März 2025 bestehender Schwergut-Shuttle, der regelmäßig zwischen Bonn und den bremischen Seehäfen verkehrt. Die Linie ist eine Zusammenarbeit von der Am Zehnhoff-Söns Gruppe mit der BLG Logistics und richtet sich insbesondere an Projektverladungen sowie den Transport von High-&-Heavy-Selbstfahrern. Einmal monatlich werden die speziell konzipierten Schiffe beladen - in der Regel in der ersten Woche des Monats. Mit 60 bis 73 Metern Länge, einer Breite von bis zu 8,70 Metern und einer Laderaumhöhe von vier Metern unter Deck bieten die eingesetzten Einheiten ausreichend Kapazität für anspruchsvolle und voluminöse Fracht. Die Transitzeit beträgt rund sechs Tage. Bei Bedarf können zusätzliche Stopps entlang der Route eingeplant und Rückladungen individuell organisiert werden. Dieser neue Service zeigt, wie regelmäßige und planbare Schwergutverkehre per Schiff realisiert werden können. Die logistische Herausforderung bleibt jedoch auch hier die Anbindung an den Hafen. Vorteile erkennen Ein entscheidender Vorteil des Transports per Binnenschiff liegt in der Genehmigungsfreiheit: Während GST auf der Straße individuell beantragt und häufig polizeilich begleitet werden müssen, lassen sich Transporte auf dem Wasser einfacher und schneller organisieren. Das spart nicht nur Zeit und Kosten, sondern bietet insbesondere für großvolumige oder regelmäßige Verkehre attraktive Möglichkeiten. Der Anteil der Binnenschifffahrt am Gesamtvolumen der Großraum- und Schwertransporte lässt sich zwar nicht genau beziffern, wird jedoch aktuell auf weniger als fünf Prozent geschätzt. Die Gründe dafür sind vielfältig: Neben höheren Transportkosten und längeren Laufzeiten im Vergleich zum Lkw sind auch infrastrukturelle Defizite eine Hürde. In vielen Binnenhäfen fehlen stationäre Krane, schwerlastfähige Kaianlagen oder ausreichend große Lagerflächen. Der Umschlag muss oft mit Mobilkranen erfolgen, deren Einsatz aufwendig und kostspielig ist. Zudem erfordert die enge Koordination zwischen Lkw, Kran und Schiff ein präzises Timing - Verzögerungen führen schnell zu Mehrkosten durch Wartezeiten oder Verschiebungen im Gesamtprozess. Auch die Letzte Meile bleibt ein neuralgischer Punkt: Kurze, aber komplexe Transportstrecken vom oder zum Hafen bereiten logistische Herausforderungen. Nicht tragfähige Brücken, fehlende Umgehungsstraßen oder aufwendige Genehmigungsverfahren für den Straßenvorlauf erschweren eine durchgängige Transportkette. Oft müssen mehrere Behörden eingebunden werden, was die Planung und Durchführung zusätzlich verzögert. Trotz dieser Herausforderungen hat sich in jüngerer Vergangenheit einiges bewegt. Seit Juni 2024 hat die Politik zahlreiche Maßnahmen angestoßen und weiterentwickelt, um den GST-Transport effizienter und klimafreundlicher zu gestalten. Dazu gehören Pilotprojekte wie bei einem Windpark im Sauerland mit sogenannten Mikrokorridoren, die schnellere Dauer- und Kurzzeiterlaubnisse für bestimmte Strecken ermöglichen. Der Elektronische Wasserstraßen-Informationsservice (ELWIS) wurde erweitert, um geeignete Umschlagpunkte zu identifizieren, und Vemags, das zentrale Genehmigungstool für Straßentransporte, wurde vollständig digitalisiert. Darauf aufbauend ist ein multimodaler Routenplaner in Arbeit, der Straße, Schiene und Wasser kombiniert. Förderprogramme des Bundes unterstützen Investitionen in Fahrzeugumbauten, neue Shuttleverkehre und moderne Umschlaganlagen. Ergänzend dazu wurde eine zentrale Plattform zur besseren Koordination von Schwertransporten entlang der Wasserstraßen etabliert. Digitalisierung vorantreiben Neben der Infrastruktur ist auch die Digitalisierung ein zentrales Thema. Während für den Straßentransport mit Vemags ein etabliertes System besteht, fehlt eine vergleichbare digitale Integration für die Binnenschifffahrt. Der Bund arbeitet derzeit daran, Schiffe und Häfen besser in digitale Netzwerke einzubinden. Ziel ist es, Prozesse zu vereinfachen, Transparenz zu schaffen und multimodale Verkehre effizienter zu gestalten. Ein wesentliches Hindernis für die breitere Nutzung der Wasserstraße dürfte auch der geringe Bekanntheitsgrad bestehender Transportlösungen sein. Viele Verlader wissen nicht, dass es bereits Linienverkehre für Schwergut gibt, oder fürchten zusätzliche Umschläge und Zeitverluste. Hier besteht großer Aufklärungsbedarf - digitale Routenplaner, bessere Informationssysteme und gezielte Beratung könnten helfen, Vorbehalte abzubauen. Die Branche sieht darüber hinaus Investitionen in moderne Schleusen, leistungsfähige Hafeninfrastruktur und standardisierte digitale Schnittstellen als zentrale Voraussetzung für eine stärkere Nutzung der Binnenschifffahrt. Ebenso wird der Ausbau paariger Verkehre zur Vermeidung von Leerfahrten als wichtig erachtet. Auch betonen viele Akteure die Notwendigkeit, die Binnenschifffahrt stärker in die berufliche Aus- und Weiterbildung einzubinden - etwa in der Ausbildung von Speditionskaufleuten, Logistikplanern oder Disponenten. Nur wenn zukünftige Fachkräfte frühzeitig mit den Möglichkeiten und Anforderungen des Wasserwegs vertraut gemacht werden, kann ein nachhaltiger Wandel in der Schwerlastlogistik gelingen. Fazit ist: Die Binnenwasserstraße bietet große Potenziale für eine nachhaltige, effiziente und entlastende Transportlösung bei besonders schweren oder sperrigen Gütern. Die Beispiele aus der Praxis zeigen, dass regelmäßige und wirtschaftlich tragfähige Verkehre möglich sind - vorausgesetzt, die logistischen Voraussetzungen stimmen. Entscheidend ist nun, diese Angebote weiter auszubauen, bekannter zu machen und durch Infrastruktur, Förderung und klare politische Rahmenbedingungen zu unterstützen. So kann die Wasserstraße zu einer tragenden Säule der zukünftigen Schwerlastlogistik werden. Dieser Artikel erschien in der Ursprungsversion in unserer Partnerzeitschrift SUT, dem Magazin für Schifffahrt und Technik, Ausgabe 5/2025.