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Postbote in Schussweste: Feldpostamt in Kabul

30.03.2010 11:24 Uhr
Feldpost
Wöchentlich erreichen drei bis vier Tonnen Briefe und Pakete das Feldpostamt in einem Camp der Internationalen Schutztruppe Isaf
© Foto: ddp/Michael Kappeler

Max-Peter Michel leitete fünf Monate lang ein Feldpostamt in Afghanistan

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Nordenham. Normalerweise ist der Job von Max-Peter Michel alles andere als gefährlich. Briefe frankieren, Pakete wiegen und Einschreiben anfertigen. So sieht sein Tagesgeschäft aus. Seit 27 Jahren arbeitet der 58-Jährige aus Nordenham (Kreis Wesermarsch) bei der Deutschen Post. Doch zuletzt musste er dabei immer wieder eine Schussweste tragen. Statt in Niedersachsen trug er die Post in Kabul aus. Fast fünf Monate leitete Michel das Feldpostamt in einem Camp der Internationalen Schutztruppe Isaf nahe der afghanischen Hauptstadt. Einmal die Woche musste er die schützenden Mauern verlassen, um Pakete und Briefe zu anderen Stützpunkten zu bringen. "Man wurde vorher nach der Blutgruppe gefragt", erläutert Michel. Außerdem musste er Schussweste, Schutzbrille, feuerfeste Handschuhe und Ohrstöpsel tragen - als Schutz vor Selbstmordattentätern, die es vor allem auf Militärkonvois abgesehen haben. In gepanzerten Wagen ging es quer durch Kabuls Verkehrsgewühl, an jeder Kreuzung konnte Gefahr lauern. "Da kriegt man schon ein mulmiges Gefühl", erinnert sich Michel. Für einen kurzen Moment blickt er sehr ernst drein. Anschläge gab es während seines Einsatzes von Oktober bis Februar reichlich, im Januar griffen die Taliban sogar das als sicher geltende Regierungsviertel an. Trotzdem fuhr Michel weiterhin seine Touren. "Danach war man froh, wieder im Camp zu sein." Für Michel war es bereits der zweite Einsatz in Kabul. Vor seiner Zeit bei der Post war der 58-Jährige zwölf Jahre lang Soldat bei der Bundeswehr. Als die Feldpost damals bei ihm anfragte, ob er bereit wäre, auch mal ins Ausland zu gehen, zögerte er keine Sekunde: Auch er wollte eigenen Angaben zufolge einen kleinen Beitrag für Deutschland leisten. Bis es soweit war, vergingen jedoch einige Jahre - und dann landete er gleich zweimal in Kabul. "Mit 60 werde ich ausgemustert, und da wollte die Feldpost noch mal meine Erfahrung nutzen", begründet Michel. 2008 hatte er das Feldpostamt in dem ISAF-Camp selbst umgebaut und neu eingerichtet. "Es hat sich nichts verändert. Ich kam wieder in mein Amt." Und wie beim letzten Mal lief die Kaffeemaschine ununterbrochen. Denn wer bei Michel seine Post holen kommt, ist herzlich auf einen Plausch eingeladen. Wie die Stimmung im Camp war und was die Soldaten gerade beschäftigte, darüber wusste der kontaktfreudige Niedersachse immer gut Bescheid. Dauerthema war der Luftschlag auf die von den Taliban entführte Tanklastzüge. "Die Soldaten können nicht verstehen, dass darüber in Deutschland diskutiert wird. Natürlich ist es traurig, wenn Frauen und Kinder sterben. Ihrer Ansicht nach war das aber die richtige Entscheidung", erzählt Michel. Selbst wenn viel zu tun war, hatte er für die Sorgen seiner Kunden von Bundeswehr, deutscher Botschaft, Entwicklungsdienst und anderen ISAF-Nationen ein offenes Ohr. Viel Arbeit gab es für Michel und seinen Mitarbeiter eigentlich immer. Drei bis vier Tonnen Briefe und Pakete aus der Heimat gingen wöchentlich ein, so viel wie sonst in einer Kleinstadt. Jeden Tag standen die beiden hinter dem Postschalter, auch am Wochenende und über die Feiertage. "Es war gut, dass wir so viel zu tun hatten. Da war man abends geschafft und kam nicht so ins Grübeln." Weihnachten und Neujahr hatte Michel deshalb kaum Zeit, seine Familie zu vermissen. Stapelweise kamen Pakete mit Mettwurst von der Großmutter, selbst gebackenen Keksen von der Frau oder gemalten Bilder von den Kindern an. "Das sind die schönen Momente, die man hat. Die harten Kerle freuen sich wie die kleinen Kinder." Bei dem Gedanken daran werden die Lachfalten um Michels Augen noch tiefer, sein buschig-grauer Schnurrbart hüpft fröhlich auf und ab. Auch er selbst konnte sich nicht beklagen. Einmal die Woche schickte ihm seine Frau ein Paket mit Zeitungen, Zigaretten und Kuchen. Auch seine Kinder und Freunde bedachten ihn mit Süßigkeiten und Grußkarten. Seit etwa einem Monat ist Michel nun aus Kabul zurück. Viel Zeit, um sich in Deutschland wieder heimisch zu fühlen, war bisher aber nicht. Direkt nach seiner Rückkehr ist Michel mit seiner Frau nach Kenia in den Urlaub geflogen. "Einfach mal runter kommen von allem und Ruhe haben." In diesem Jahr wird der Postbeamte 59. Noch ein Jahr, dann will Michel in den Ruhestand gehen. Dieses Mal war also sein letztes Mal in Afghanistan. Oder? "Wenn Not am Mann wäre, würde ich wohl noch mal einspringen." (dpa)

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