Pischetsrieder-Abgang: Neue Wende im Übernahmepoker um Scania

08.11.2006 15:16 Uhr

Der Abgang von VW-Chef Bernd Pischetsrieder sorgt für weitere Turbulenzen im Übernahmekampf in der Lastwagenbranche.

Stockholm/München/Wolfsburg. „Die Frage ist: Wer spricht jetzt eigentlich für Volkswagen?“, heißt es bei einem der beteiligten Unternehmen. Die ohnehin schon festgefahrene Lage werde nun noch komplizierter. MAN versucht derzeit mit einem feindlichen Übernahmeangebot, den schwedischen Konkurrenten Scania zu übernehmen. VW spielt dabei als Großaktionär beider Lastwagenbauer eine Schlüsselrolle. Der Wolfsburger Konzern würde gern eigene Lastwagen-Aktivitäten in einen neuen Dreierbund einbringen. Pischetsrieder hatte sich aktiv in den Übernahmekampf eingeschaltet. Zunächst sah es so aus, als ob VW die Übernahmeofferte von MAN unterstützen würde. Doch kurz nach Bekanntwerden wies Pischetsrieder das Angebot zurück und forderte MAN und Scania auf, auf friedlichem Wege eine Allianz zu schließen. Möglicherweise habe es in der Taktik Unstimmigkeiten gegeben zwischen Pischetsrieder und seinem Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch, spekuliert ein Branchenexperte. „Es sieht so aus, als sei Pischetsrieder von Piëch zurückgepfiffen worden.“ Dies sei ein denkbarer letzter Auslöser für die Trennung. Das Verhältnis zu Piëch sei aber schon vorher belastet gewesen. Ob der künftige VW-Chef Martin Winterkorn sich bei dem Thema ähnlich stark engagieren wird wie Noch-Amtsinhaber Pischetsrieder, ist offen. „Er ist ein reiner Automann“, sagt ein Branchenexperte. Allerdings wird im Umfeld von Scania darauf hingewiesen, dass auch Piëch bei dem Thema stark engagiert war und zum Beispiel Gespräche mit dem anderen Scania-Großaktionär Investor geführt habe. Daher müsse der Wechsel an der Spitze von VW weitere Gespräche nicht unbedingt bremsen. Investor lehnt bisher eine Übernahme von Scania durch MAN ab. Die Beteiligungsgesellschaft aus dem Umfeld der Industriellenfamilie Wallenberg stockte gerade erst ihre Scania-Anteile auf über 20 Prozent auf, um sich noch mehr Einfluss zu sichern. Nach schwedischer Einschätzung kann die Übernahme nun durch Investor blockiert werden. Daher müsse MAN noch stärker auf Scania und Investor zugehen. Die beteiligten Unternehmen geben sich angesichts der überraschenden Nachricht aus dem Hause Volkswagen erwartungsgemäß bedeckt. Man kommentiere die Situation nicht, hieß es bei MAN. Bei Scania wurde betont, Pischetsrieder sei Aufsichtsratsvorsitzender und man habe keine Signale, dass er dies ändern wolle. Investor verwies darauf, dass man Managementveränderungen in anderen Unternehmen nicht kommentieren könne. Jedenfalls dürfte das Ziel, bis Ende des Jahres eine Lösung zu finden, nicht einfacher geworden sein. „Da ist noch zu viel Nebel da“, heißt es in Branchenkreisen. „Die Karten werden jedenfalls neu gemischt.“ Dabei dürfte in den nächsten Tagen bereits so manche Aktivität erfolgen. Denn MAN hat die Einreichung der Angebotsunterlagen bei der schwedischen Finanzmarktaufsicht für die erste Novemberhälfte angekündigt. Zudem hatte Pischetsrieder MAN und Scania am 9. Oktober aufgefordert, sich innerhalb von vier Wochen zu einigen. Offiziell ist er nun noch bis Jahresende im Amt. „Wir wissen nicht, ob er jetzt schon weg ist oder ob er noch ein bisschen was mitzureden hat“, heißt es im Umfeld eines der Unternehmen.

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