Neuer Schub die Grüne City

Als die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo vor zwei Jahren ankündigte, binnen sechs Jahren alle Diesel- Autos aus der Pariser Innenstadt zu verbannen, wurde sie in Deutschland verspottet. Doch der große Aufschrei in der Diesel-Nation Frankreich blieb aus. Kein Wunder, dass Hidalgos Projekt Nachahmer in Deutschland findet. Selbst ein Fahrverbot für Diesel ist in deutschen Städten nicht mehr ausgeschlossen - Stichwort Blaue Plakette (siehe VR 24/2016), die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks im April auf der Umweltministerkonferenz ins Gespräch brachte und nun von den Umweltverbänden eingefordert wird - mittlerweile sogar mit juristischen Mitteln, wie das Beispiel München zeigt. Problem ist: Sollte diese Blaue Plakette tatsächlich kommen, dürfen nur noch Euro 6-Fahrzeuge und Elektromobile in die ausgewiesenen Innenstadtzonen. Wer sich im vergangenen Jahr ein Euro-5-Fahrzeug gekauft hat, müsste demnach draußen bleiben. Entsprechend alarmiert sind KEP- und Speditionsdienstleister, die täglich an gewerbliche und private Empfänger in Innenstädte ausliefern müssen. "Ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge in den Innenstädten wäre für die Branche der Supergau", formuliert es Peter Voß, Geschäftsführer des Club of Logistics in Dortmund, in dem namhafte Branchenunternehmen vertreten sind. Allerdings bezweifelt er, dass die Blaue Plakette so schnell kommt. Voß: "Bis die rechtlichen Bestimmungen die Einführung einer Blauen Plakette erlauben, wird das noch Jahre dauern", ist er überzeugt. Trotzdem wächst der Druck - allen voran in der KEP-Branche, sich in puncto Elektromobilität und intelligenter Innenstadtlogistik stärker zu engagieren. Auch und gerade weil Logistikgrößen wie Deutsche Post DHL und UPS das Geschäftsfeld "City Logistik" für sich neu entdecken. In diesem Feld der Logistik spielt derzeit viel Musik. Mit dem Vorteil, dass sich die Unternehmen viele innovative Lösungen einfallen lassen, um die Städte verkehrlich zu entlasten und die Umwelt zu schonen (siehe Kästen Seiten 25 und 26). Der Weg in die E-Mobilität ist noch weit Das Positive an den gezeigten Lösungen ist, dass sich jede der vorgestellten Lösungen auch betriebswirtschaftlich für die Unternehmen rechnet, wie die Gesprächspartner betonen. Gleichwohl zeigen die Beispiele auch: Der Weg in die Elektromobilität ist noch sehr weit - nicht nur rein aus monetären Gründen, sondern auch weil die Nutzfahrzeugindustrie offenbar noch nicht die passenden E-Fahrzeuge offeriert. Das moniert zum Beispiel Oliver Lanka, Leiter Zentraleinkauf und Fuhrpark der Hermes Germany. Sein Unternehmen vermisst insbesondere elektrifizierte Serien-Lösungen in der Sprinteroder aber VW-Crafter-Klasse. Lanka wörtlich: "Wir glauben fest an die Elektrifizierung der KEP-Branche und sind bei Hermes sehr gerne bereit, zuverlässige Modelle auch in größerem Umfang einzusetzen." Gut möglich aber, dass der Streetscooter-Deal von Deutsche Post DHL dem Thema Elektromobilität nun einen Schub gibt. Davon geht Sebastian Stütz, Wissenschaftler am Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund, aus: "Mit dem Kauf von Streetscooter hat die Post einen kleinen Coup gelandet." Andere Paketdienste könnten dadurch in Zugzwang geraten, da DHL nun direkten Zugriff auf passgenaue E-Fahrzeuge in hoher Stückzahl hat. "Gerade für die übrigen KEP-Dienste könnte das ein Wettbewerbsnachteil werden, da das für KEP-Dienste passende Angebot an E-Fahrzeugen abseits des Streetscooters dünn ist." So lange dies so ist, sind nicht nur die Firmen in der Pflicht, sondern auch die Städte. So betont UPS-Deutschlandchef Frank Sportolari. "Wir benötigen intelligente Stellplätze und Stellflächen in den Innenstädten, um Waren zu Fuß oder per Lastenrad und nicht per Lkw zustellen zu können." Dass dies erfolgreich funktionieren könne, zeige das UPS-Container-Modellprojekt in Hamburg. UPS wird dieses Projekt daher jetzt auch in anderen Städten ausrollen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier KEP www.verkehrsrundschau.de/dossiers Praxislösung Deutsche Post DHL "Dieses Jahr wollen wir 2000 Elektrofahrzeuge produzieren" "Wir wollen mittel- bis langfristig unsere Paket- und Brief-Zustellflotte in Deutschland von insgesamt 45.000 Fahrzeugen auf 30.000 Elektrofahrzeuge umstellen - in den Bereichen, in denen dies aufgrund der Anforderungen und der Reichweite der Fahrzeuge möglich ist", sagt Achim Jüchter, Senior Experte GoGreen von Deutsche Post DHL Group. Einer der Knackpunkte sei das Stromnetz. "Wenn man wie wir 50 bis 100 Fahrzeuge an einem Standort betreibt und diese zeitgleich geladen werden müssen, muss dies das lokale Stromnetz händeln können", führt der Flottenexperte aus. Daher arbeite Deutsche Post DHL nun daran, an den Standorten die dafür notwendige intelligente Batterielade-Infrastruktur zu schaffen", führt er aus. Das erste Pilotprojekt dazu startete die Post in Bonn in 2013, mittlerweile fahren Elektrofahrzeuge für den Konzern auch an anderen Standorten, etwa in Berlin, München, Nürnberg, Hamburg und Stuttgart.Ein wichtiger Baustein der Lösung war die Übernahme von E-Fahrzeughersteller Streetscooter im Jahr 2014, der zusammen mit der Post unter anderem ein elektrisches 2,2 Tonnen-Zustellfahrzeug mit 650 Kilogramm Nutzlast bei vier Kubikmeter Ladevolumen entwickelt hat und seit 2015 serienmäßig produziert."Dieses Jahr wollen wir 2000 Elektrofahrzeuge produzieren", erzählt Jüchter. Und schon heute setze die Post täglich 500 Streetscooter-Fahrzeuge deutschlandweit ein. Grundsätzlich denkt das Unternehmen auch darüber nach, die E-Flotte der höheren Fahrzeugklassen auszuweiten.Die Umweltbilanz ist: Allein in Bonn spart die Post laut Jüchter jährlich über 500 Tonnen CO2 ein, auch deshalb, weil der Konzern auf Strom aus regenerativen Energien zurückgreift. Positiv: Das Projekt rechnet sich auch. Der Einkaufspreis für den Streetscooter sei zwar höher als beim Dieselfahrzeug, aber die laufenden Kosten lägen deutlich darunter, sagt Jüchter. eh Praxislösung DPD und GLS DPD und GLS: Mit Lastenrädern und Mikrodepots in die Stadt DPD und GLS beteiligen sich in Nürnberg an einem Pilotprojekt. Dort erproben die beiden Paketdienste erstmals in der Letzten Meile den Einsatz von Mikrodepots und Lastenrädern innerhalb des Altstadtrings und in einem Wohngebiet der Südstadt. Die zwei Feldversuche starten im Herbst 2016 unter der Leitung von Professor Ralf Bogdanski von der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm Fakultät Betriebswirtschaft, und werden von der Bayerischen Landesregierung, der IHK und der Stadt Nürnberg unterstützt."In zwei räumlich getrennten Feldversuchen werden ab Herbst 2016 täglich 700 bis 800 lastenrad-taugliche Pakete per 7,5-Tonner-Lkw in sogenannte Mikrodepots in Nürnberg befördert. Dafür wurden explizit für das Projekt leerstehende Gewerbeimmobilien und Parkhäuser angemietet. Dort werden die Pakete dann auf Rollcontainer (Corletten) vorkommissioniert, nach Straßen vorsortiert und anschließend von Zustellern per Lastenrad oder Sackkarre den Kunden zugestellt, also Endempfängern oder aber kleineren Einzelhändlern.Je Feldversuch wollen die Unternehmen in der ersten Phase drei Lastenräder und Sackkarren dafür einsetzen; bis zu zehn Lastenräder seien maximal möglich, führt Bogdanski aus. "Pro Lastenrad können jeweils 150 bis 200 Kilogramm befördert werden. Zum Vergleich: In ein klassisches Sprinter-Fahrzeug passen pro Zustellung 150 bis 200 Pakete. "Das entspricht in etwa einem Verhältnis von zwei zu eins", sagt er. Der Name des Lastenrad-Herstellers steht noch nicht fest; im Gegensatz zu UPS werden GLS und DPD aber nicht auf eine Eigenfertigung setzen."Ziel des neuen Mikrodepot-Projekts ist eine effiziente Entlastung hochfrequentierter Zustellbezirke, von der auch die Umwelt profitzieren soll", skizziert der Logistikexperte die Vorgaben. "100 Prozent der Pakete werden sich aber nie ausschließlich per Lastenrad zustellen lassen", wiegelt er ab. "Allein vom Volumen und Gewicht her ist nicht jedes Paket lastenradtauglich." Außerdem sei die Zustellung per Lastenrad ab einer gewissen Paketmenge auch nicht mehr wirtschaftlich, zeigen erste Hochrechnungen des Wissenschaftlers. Unterm Strich ist Bogdanski aber überzeugt: "Das Nürnberger Mikrodepot-Projekt hat Leuchtturm-Charakter und wird sich in jeder deutschen Stadt umsetzen lassen. Und der Vorteil sei, es rechnet sich - für jeden: die Stadt, die Umwelt und die Paketdienste." eh

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