Neue Mautsätze heftig umstritten

In Kürze Die geplanten neuen Mautsätze bedeuten neben der finanziellen Mehrbelastung auch einen höheren Liquiditätsbedarf für Lkw-Fuhrunternehmen. Eine Lösung für die Doppelbelastung aus CO2-Abgabe auf die Maut und CO2-Zuschlag auf Kraftstoffe ist nicht in Sicht. Bei der Expertenanhörung zur Änderung des Mautrechts im Verkehrsausschuss des Bundestags Ende September prallten die gegensätzlichen Ansichten zum Mautgesetz-Entwurf der Bundesregierung noch einmal mit voller Wucht aufeinander. Unklar war bei Redaktionsschluss am 26. September aber noch, ob der Verkehrsausschuss schon am 27. September seine Beschlussempfehlung für das Bundestags-Plenum abgibt. Die Tagesordnung sah es jedenfalls so vor. Damit wäre es möglich, schon am 28. September im Plenum abzustimmen. Ein Oppositionsabgeordneter unkte aber gegenüber der VerkehrsRundschau, dass die Abstimmung im Ausschuss möglicherweise noch einmal verschoben wird - dann vermutlich auf die zweite Oktoberwoche. Der Ausschussvorsitzende Udo Schiefner (SPD) hielt sich auf Nachfrage extrem bedeckt, an welchen Stellen des Gesetzes es möglicherweise noch Änderungen geben könnte. "Wir werden die Anhörung jetzt noch einmal auf uns wirken lassen", sagte er lediglich. Voraussetzungen noch nicht gegeben Die Logistikverbände BGL und DSLV stehen zwar grundsätzlich hinter dem Anliegen, über die CO2-Maut Anreize für klimafreundlichen Straßengüterverkehr zu schaffen, halten aber das geplante Inkrafttreten für deutlich verfrüht. Mit elektrischen Fernverkehrs-Lkw in nennenswerten Stückzahlen sei erst ab 2024 zu rechnen, leistungsfähige Ladeinfrastruktur zum Zwischenladen - die sogenannten Megacharger - entlang der Hauptrouten fehlten noch vollständig. Selbst im Elektromobilitäts-Vorreiterland Norwegen gebe es aktuell nur zwei Megacharger-Standorte, gab Dirk Engelhardt vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) zu bedenken. Kim Kohlmeyer vom Verkehrs-Umweltverband Transport & Environment (T&E) hielt dem entgegen, dass alle großen Lkw-Hersteller schon jetzt oder spätestens ab dem Jahr 2024 vollelektrische schwere Lkw anbieten. Der BGL plädierte dafür, die CO2-Maut zum 1. Januar 2025 mit einem Stufenmodell zu starten, das Fahrzeugverfügbarkeit und Infrastrukturverfügbarkeit Rechnung trägt und mit 8 Cent/Kilometer beginnt. Frank Huster vom Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) verwies zusätzlich darauf, dass drei bis vier Jahre für die Lernkurve beim Einsatz von Elektro-Lkw eingeplant werden sollten. Als "absolute Katastrophe" bezeichnete Engelhardt das geplante Inkrafttreten der Mautänderung zum 1. Dezember 2023, "mitten im Weihnachtsgeschäft". Er verwies auf die branchenüblichen Verträge für jeweils ein Kalenderjahr. Wenn die Koalition die CO2-Maut unbedingt zeitnah einführen wolle, sollte sie den Start wenigstens auf den 1. Januar 2024 verschieben. Unternehmer müssen vorfinanzieren Ein neuer Aspekt, der in der Anhörung zur Sprache kam, war die Vorfinanzierung der Lkw-Maut durch die Fuhrunternehmer. "Viele unserer Mitglieder überlegen aufzugeben, weil sie die Liquidität nicht beschaffen können", sagte Thomas Hansche vom Bundesverband Logistik und Verkehr-pro (BLV-pro). Das Verfahren sieht mehrere Wege vor: Je nach Variante muss die Maut vorab (Prepaid), zum Monatsende (Lastschrift) oder spätestens im Laufe des Folgemonats (Tankkarte) abgeführt werden, während sich die Verlader Zahlungsziele von 30 bis 90 Tagen einräumen lassen. Toll-Collect-Chef Gerhard Schulz ließ in dieser Frage aber Beweglichkeit durchblicken: Wenn das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) und das Bundesverkehrsministerium (BMDV) zustimmten, könne man das Zahlungsziel für die Maut auch auf 30 oder 60 Tage verlängern. Doppelbelastung Einmütig mahnten BGL, DSLV und BLV-pro sowie der Rechtsprofessor Matthias Knauff von der Universität Jena an, die Doppelbelastung durch die CO2-Abgabe auf die Maut und den CO2-Zuschlag auf Kraftstoffe gemäß Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) zu vermeiden, wie es im Übrigen auch im Koalitionsvertrag versprochen worden sei. Unisono plädierten sie dafür, CO2-Kosten ausschließlich auf die Maut aufzuschlagen, denn der CO2-Abgabe auf Kraftstoffe könnten sich gebietsfremde Unternehmer durch Tanken im Ausland entziehen. Leider sei der Zeitpunkt, an dem man wie in anderen EU-Ländern Gewerbediesel hätte einführen können, verpasst worden. Jetzt bleibe nur noch eine bürokratische Lösung, zum Beispiel Erstattungsanträge durch die Tankkarten-Aussteller. DSLV-Hauptgeschäftsführer Huster kritisierte, dass sich die Politik einer Lösung mit dem Hinweis auf die Kompliziertheit verweigere. "Wenn das so schwierig ist, frage ich mich, warum man es in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben hat." Was zahlt der Verbraucher? Regen Streit gab es um das Volumen der Mehrbelastung für den Verbraucher. Während bei der Umrechnung auf einen Kasten Bier die Zahlen von BGL und "Güterbahnen" deutlich auseinander lagen, blieb Frank Husters Feststellung unwidersprochen, dass 7,6 Milliarden Euro einer Mehrwertsteuererhöhung um rund 0,5 Prozentpunkte entsprechen. "Keine im Bundestag vertretene Partei würde es im gegenwärtigen wirtschaftlichen Umfeld wagen, einen solchen Schritt zu gehen", sagte er. Matthias Roeser, freier Journalist Die neue Maut in einer Übersicht finden Sie >hier.

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