Mehr als ein grüner Anstrich

Kaum ein Begriff ist in der öffentlichen Diskussion so präsent wie Nachhaltigkeit: die Idee vom gleichzeitigen und gleichberechtigten Umsetzen von ökologischen, ökonomischen und sozialen Zielen gewinnt durch verschärfte gesetzliche Auflagen, steigende Energiepreise und wachsendes Umweltbewusstsein innerhalb der Gesellschaft mächtig an Schwung. Es gibt kaum einen großen Immobilienentwickler, der nicht inzwischen mit den Schlagworten "nachhaltiges Bauen" oder "Green Building" wirbt. "Das Thema Nachhaltigkeit ist in der Logistikimmobilienbranche sicherlich angekommen", bestätigt Felix Jansen, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Die Gesellschaft zeichnet seit neun Jahren nachhaltige Gebäude aus, Logistikimmobilien seit dem Jahr 2011. Das Nachhaltigkeitskonzept des DGNB-Systems geht dabei über das bekannte Dreisäulenmodell hinaus und betrachtet durchgängig alle wesentlichen Aspekte des nachhaltigen Bauens: Ökologie, Ökonomie, soziokulturelle und funktionale Aspekte, Technik, Prozesse und Standort. Im Logistikbereich wurden nach DGNB-Angaben bis dato 234 Immobilien zertifiziert und 26 Vorzertifikate bereits in der Entstehungsphase ausgestellt. Es sind zwei Gruppen, die die Qualität ihrer Logistikimmobilien zertifizieren lassen. Dies sind zum einen die Investoren und Entwickler, die ein Zertifikat auch als Vermarktungsargument nutzen können. Aber auch bei Eigennutzern sieht Jansen einen Trend zu einer nachhaltigeren Unternehmenskultur, die die Zertifizierung von Projekten umfasst. Ein Beispiel sei das Unternehmen Zalando, das europaweit auf nachhaltige Logistikimmobilien setze. "Es dürfte zudem zahlreiche Projekte geben, die sich an den Kriterien orientieren, aber letztendlich auf eine Zertifizierung verzichten", vermutet Jansen. Mitarbeiter sollen sich wohlfühlen Grüne Aspekte stehen aber nur für einen Teil des Nachhaltigkeitskonzepts. Letztendlich gehe es neben der ökologischen und ökonomischen Qualität auch um die Menschen: "Insbesondere die Attraktivität des Arbeitsplatzes ist für Eigennutzer von Logistikimmobilien im Wettbewerb um Mitarbeiter ein ganz wichtiges Kriterium", betont Jansen. Kürzlich hat DGNB die Zertifizierungskriterien überarbeitet. So hat die Gesellschaft die Bewertung der Lebenszykluskosten praxisnäher gestaltet. Zudem hat sie die Energiepreissteigerungsraten angepasst, womit energieeffiziente Lösungen künftig noch besser abschneiden. "Insgesamt wollen wir zeigen: Es ist heute schon möglich, zum gleichen Preis nachhaltig zu bauen", betont Jansen. Selbst erzeugter Strom spart Geld Wer das beherzigt, kann sich über mehr als einen grünen Anstrich freuen. "Vor allem die großen Lebensmitteleinzelhandel-Konzerne haben erkannt, dass es auf Dauer günstiger ist, Strom selbst zu produzieren, als ihn zu kaufen", sagt Klaus Reinartz, Geschäftsführer von Centroplan. Das zur Pohlen-Gruppe gehörende Spezialunternehmen für Solarenergie und Bedachung aus Geilenkirchen plant und realisiert seit 2007 Solaranlagen auf gewerblichen Flachdächern in jeder Größenordnung und wartet aktuell 1600 Anlagen. Zu den Kunden zählen vor allem Handelsunternehmen und Discounter wie Edeka, Netto und Aldi (siehe Kasten rechts). Wurde vor einigen Jahren Photovoltaik auf Flachdächern noch als lukratives Geschäftsmodell gehandelt, sind diese Zeiten offenbar vorbei. "Angesichts der stark heruntergefahrenen staatlichen Subventionen und der geringen Vergütungen lassen sich kaum noch wirtschaftliche Geschäftsmodelle für die Einspeisung von Solarstrom generieren", so Reinartz. Der Trend gehe daher ganz klar zum Eigenverbrauchsmodell. Man könne heutzutage mit einer Photovoltaik-Anlage (PV) für sechs Cent pro Kilowattstunde Strom produzieren. Im Vergleich zu den aktuellen Kosten für den Strom aus der Steckdose spricht die Rechnung also ganz eindeutig für den Eigenverbrauch. Laut Reinartz könne der Bedarf bei niedriger bis mittlerer Energieintensität mit einem komplett belegten Solardach zwischen 20 und 40 Prozent gedeckt werden. Payback-Zeiten werden kürzer Da sich der Payback für die Investition in ein Solardach nach der Differenz zwischen eigenerzeugtem und zugekauftem Strom richtet, ist er stark vom Strompreis abhängig. "Nach unserer Erfahrung beträgt die Amortisationszeit für eine PV-Anlage heutzutage etwa acht bis zehn Jahre", so Reinartz. Da der Energieverbrauch vor dem Hintergrund der Elektromobilität aber steigen dürfte und gleichzeitig die Systemkosten für PV-Anlagen zurückgehen, rechne er mittelfristig mit Payback-Zeiten von nur noch rund fünf Jahren. Während der Handel also bereits verstärkt in energiesparende Immobilien investiert, setzt dieser Paradigmenwechsel in der Logistikbranche offenbar erst jetzt langsam ein. Dies dürfte auch an den besonderen Eigentümerstrukturen liegen. "Im Handel, wo ein vergleichsweise hoher Anteil von Eigennutzern herrscht, können Lagerbetreiber alleine über Investitionen in PV-Technik entscheiden, ohne sich mit dem Entwickler oder Vermieter verständigen zu müssen", so Reinartz. Aber auch in der Logistikbranche dürfte sich das Augenmerk immer stärker auf die Nebenkosten richten: Logistikimmobilien werden vor dem Hintergrund von Automatisierung und Digitalisierung tendenziell immer energieintensiver. Darüber hinaus verpflichten sich immer mehr Unternehmen zur Nachhaltigkeit, was wiederum auf die Dienstleister ausstrahlt. "Jeder Betreiber von Logistikimmobilien muss sich früher oder später mit dem Thema CO2-Neutralität und damit auch mit Photovoltaik auseinandersetzen", sagt Reinartz. Centroplan spreche daher in letzter Zeit sowohl mit großen Logistikdienstleistern als auch mit Entwicklern, die auf diese Nachfrage reagieren wollen. Zumal Logistikdächer - im Gegensatz zu Industriedächern - geradezu prädestiniert für PV-Anlagen seien, weil dort kaum Gebäudetechnik untergebracht werden muss. "Daher ist dieser Markt für uns im Grunde der attraktivste: viel Fläche und einfache Dächer", erklärt Reinartz. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Immobilien www.verkehrsrundschau.de/dossiers Best Practice Klimafreundliche Bananen Die erste klimaneutrale Bananenreiferei Deutschlands betreibt seit Herbst 2017 der Edeka-Verbund in Borna bei Leipzig. Bevor das noch in grünem Zustand aus Mittel- und Südamerika angelieferte Obst in die Logistikzentren von Edeka und Netto geht, reift es in Borna fünf bis sieben Tage unter kontrollierten Temperaturen bis zum idealen Genussgrad nach. Dank der Nutzung regenerativer Energien und des Einsatzes von klimaneutralem Gas und Strom erfolgt der Betrieb Unternehmensangaben zufolge CO2-neutral.So wurde von der Firma Centroplan auf dem Gebäudedach eine Photovoltaik-Anlage mit einer Leistung von 409 Kilowatt-Peak installiert - das entspricht der Leistung von 90 Einfamilienhäusern. In Verbindung mit einem gasbetriebenen Blockheizkraftwerk werde der Strombedarf der Reiferei fast vollständig (95 Prozent) gedeckt, wie ein Edeka-Sprecher betont. Die Abwärme des Blockheizkraftwerks werde zusätzlich genutzt, um mit einer Absorptionskältemaschine Kälte zu produzieren. Für den Neubau der klimafreundlichen Anlage investierte der Edeka-Verbund insgesamt rund sieben Millionen Euro. mh

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