Medizin-Nische

Beim Austausch eines Magnetresonanz-Tomografen (MRT) ist Präzision gefragt. Wände werden entfernt, eine Lkw-Wechselbrücke per Kran hochgezogen, an der Hauswand angedockt und befestigt. Das alte sieben Tonnen schwere MRT wird aus-, das neue eingebaut. Und das innerhalb eines Tages. Das bedarf einer Menge Planung, Know-how und Erfahrung in einem sehr speziellen Bereich. Ad-hoc-Aufträge und Massengeschäft? Nicht bei Simon Hegele in Karlsruhe. "Unsere Stärke ist die industrielle Kontraktlogistik - und zwar in sehr spezifischen Nischen", sagt Stefan Ulrich, CEO des mittelständischen Speditions- und Logistikunternehmens, das zum Beispiel besagte MRT austauscht. Simon Hegele habe schon immer versucht, sagt Ulrich, das Geschäftsfeld der Kunden, deren spezifische Prozesse und Besonderheiten so zu verstehen, dass es ihnen genau den Mehrwert bieten konnte, den sie für ihren Erfolg brauchen. "Bis wir von einem Auftraggeber den Zuschlag bei einer Ausschreibung erhalten, kann das also oft Monate dauern", erläutert er. "Dann aber besteht die Kundenbeziehung häufig fünf Jahre - in der Regel sogar viel länger. Kunden, die wir aufwendig aufgebaut haben, lassen wir nicht mehr los", lacht er. In einigen Fällen, wie aktuell im Healthcare-Bereich, geht die Fokussierung auf eine Nische sogar so weit, dass Simon Hegele Firmen mit spezifischem Knowhow kauft oder sich an ihnen beteiligt, wenn deren Portfolio das eigene sinnvoll ergänzt. So hat der Dienstleister unlängst 75,1 Prozent der Anteile von Interflex Medizintechnik übernommen. Interflex hat sich auf medizinische und industrielle Abschirmtechnik spezialisiert - von der Beratung und Entwicklung bis zur Fertigung, Lieferung und Installation kompletter Systeme. Schwerpunkt sind Abschirmkabinen für besagte MRT. "Das passt zu uns perfekt", freut sich Ulrich. "Das ist absolut komplementär zu unseren Aktivitäten im Bereich der MRT-Installation." So verfüge Hegele mit über 300 Mitarbeitern in diesem Bereich weltweit über das größte Technikernetz zur Installation von medizinischen Großgeräten. Auch aufgrund seiner langjährigen Zusammenarbeit mit Großkunden wie Siemens Healthineers. Bestandsgeschäft schafft Neuaufträge "Und im Zusammenspiel mit Interflex Medizintechnik positionieren wir uns nun als Full-Service-Anbieter für MRT-Hersteller und Betreiber von medizinischen Einrichtungen", erklärt er. "Ab sofort können wir beide Gewerke aus einer Hand bieten." So entwickle und realisiere Hegele dank Interflex künftig nicht nur die Abschirmlösung für MRT, sondern liefere die einzelnen Komponenten der Lösung gemeinsam mit dem MRT aus und installiere diese dann vor Ort, etwa im Krankenhaus. "Inklusive der gesamten Elektrik und Mechanik - notfalls auch im dritten Stock mit Kran", erklärt Ulrich. "Die Techniker von Interflex und Hegele arbeiten da Hand in Hand, zeitlich aufeinander abgestimmt." Denn das Ganze sei sehr anspruchsvoll, auch weil die medizinischen Geräte sehr groß und schwer seien und die Installation von Kabine sowie medizinischem Gerät sehr spezifisches Know-how erfordere. Deshalb sei er auch zuversichtlich, betont er, mit der Komplettlösung allen Beteiligten Mehrwerte bieten zu können - den Herstellern medizinischer Großgeräte, Generalunternehmern und den radiologischen Einrichtungen. "Hegele ist weltweit aufgestellt. Wir sehen für uns also international Wachstumspotenziale in diesem Geschäftsfeld." Konkrete Zahlen zur Rendite will er nicht nennen. Die Kunden schenken einem auch in diesem Geschäftsfeld nichts, schränkt er ein. Der Kostendruck sei stets da. Immerhin: Jede Aufstellung eines neuen medizinischen Großgeräts birgt in den Folgejahren womöglich weiteres Geschäftspotenzial. Denn wenn die Geräte veralten, bietet Hegele auch den Austausch, die Demontage und den Abtransport der Geräte. "Aus einem Bestandsauftrag generieren wir so Neugeschäft. Das ist genau die strategische Stoßrichtung, mit der wir weiter erfolgreich wachsen wollen", erklärt Ulrich. Zusätzliches Wachstumspotenzial erhoffe er sich auch vom demografischen Wandel, der die Nachfrage nach medizinischen Großgeräten steigern werde. "Klar begeben wir uns als Dienstleister in ein hohes Risiko, wenn wir uns auf ein so spezielles Nischengeschäft einlassen", räumt der Geschäftsführer ein. Zumal fast alle Mitarbeiter, die in diesem Geschäftsfeld tätig sind, per se gut qualifiziert sind, jedoch speziell geschult und entsprechend bezahlt werden. "Andererseits leben wir bei Simon Hegele das Credo 'Logistik weiter gedacht'", unterstreicht er: "Flexibilität, sehr stark nach Kundenbedarf agieren, das ist in unserer DNA. Simon Hegele ist nun einmal kein Massenanbieter, der Hunderte von Kunden nach Schema F beglückt. Wir arbeiten hochflexibel, langfristig und sehr partnerschaftlich mit unseren Kunden." Und wenn Kunden wirklich zu 1000 Prozent von einem Dienstleister überzeugt seien, meint Ulrich, vertrauen sie ihm auch komplexere Logistik aufgaben an. Dies sei für Hegele letztlich auch wirtschaftlich sinnvoll. "Wir kalkulieren das aber sorgsam. Wenn sich das für uns rechnet, wir unsere Kunden glücklich machen können, setzen wir das um. Als Familienunternehmen entscheiden wir das sehr schnell", sagt er. Würde Ulrich anderen Mittelständlern den Weg in die Nische empfehlen? Auf jeden Fall. "Als Firma ist man etwas unabhängiger, wenn man nicht in der breiten Masse mitschwimmt. Jeder sollte für sich klären, welchen Spezialbedarf er für welche Zielkunden bedienen und wie er damit Geld verdienen will." Denn der Vorteil einer Nische sei stets, dass eine Firma dort nicht mit 1000 Wettbewerbern konkurriere. Gleichwohl bedeute der Weg in die Nische fallweise auch höhere Anlaufinvestitionen, damit ein höheres Risiko und eine gewisse Abhängigkeit. Auch zu viele Nischen sollte ein Mittelständler nicht bedienen, das verursacht nur Komplexität und erhöht die Kosten. Letztlich sei dies, verrät er, einer der Gründe gewesen, warum Hegele seine netzwerkgebundene Hightech-Sparte Anfang des Jahres an Rhenus verkauft habe. "Das war für uns ein schmerzhafter Weg. Für unsere strategische Ausrichtung und Planung jedoch der richtige Weg." Mehr zum Thema unter #Kontraktlogistik www.verkehrsrundschau-plus.de/hasthag Simon Hegele Das Familienunternehmen Simon Hegele in Karlsruhe wurde im Jahr 1920 als Umzugsspedition gegründet. Der Grundsatz "Logistik weiter gedacht..." ist seit über 100 Jahren der Motor für die Weiterentwicklung von Simon Hegele. Mittlerweile ist das Familienunternehmen weltweit mit 2500 Mitarbeitern an über 50 Standorten präsent und bietet seinen Kunden aus Healthcare, Industrie, IT und Handel hochspezialisierte, auf die jeweiligen Kundenprozesse abgestimmte Logistiklösungen. Im Jahr 2019 erwirtschaftete das Unternehmen nach eigenen Angaben 250 Millionen Euro Umsatz. In diesem Jahr feiert der Dienstleister 100-jähriges Jubiläum. eh In Kürze Wer sich auf Nischen spezialisiert, ist als Transport-, Speditions- und Logistikdienstleister einerseits weniger leicht austauschbar. Andererseits erfordern bestimmte Logistikaufgaben sehr spezifisches und teures Know-how. Simon Hegele kalkuliert deshalb genau, wo sich die Investition lohnt.

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