Maut-Geheimverträge

„Im damaligen Vertrag wurde vereinbart, dass Einzelheiten des technischen Systems nicht veröffentlicht werden können.“ Sven Ulbrich, Sprecher des Bundesverkehrs-ministeriums, am 30. November 2009 in Berlin Zitat Maut-Geheimverträge Die Teilveröffentlichung der Maut-Dokumente wirft neue Fragen auf, doch das Bundesverkehrsministerium beruft sich auf die Schweigepflicht. Die vor knapp fünf Jahren eingeführte LKW-Maut beschäftigt weiter das Bundesverkehrsministerium und die Gerichte. Die Plattform Wikileaks hat große Teile des insgesamt 17.000 Seiten umfassenden, bisher geheim gehaltenen Vertrags im Internet veröffentlicht. Er enthält angeblich hohe Renditen für das Betreiberkonsortium Toll Collect. Die Echtheit des nicht vollständigen Dokuments ist aber bisher nicht bestätigt worden. Außerdem wurde bekannt, dass der verpatzte Mautstart der Regierung bereits Rechtskosten von knapp 60 Millionen Euro verursacht hat. Das Ministerium reagierte wortkarg auf die Berichte und verwies auf den mit Toll Collect geschlossenen Vertrag, der sie zum Stillschweigen verpflichte. Rückblende: Zwei Tage vor der Bundestagswahl im September 2002 hatten die rot-grüne Bundesregierung und Toll Col-lect den Mautvertrag abgeschlossen. Doch aus dem für Ende August 2003 geplanten Start des Mautsystems wurde nichts. Es ist erst seit 2006 voll funktionsfähig. Zwei SPD-Bundestagsabgeordnete klagten 2006 gegen die Bundesregierung und verlangten unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz Einsichtnahme in das umfangreiche Vertragswerk. Vergeblich. Die Klage wurde im Juni vergangenen Jahres abgewiesen. Auch Abgeordnete des zuständigen Verkehrsausschusses konnten nur Teile des Vertrags in der Geheimschutzstelle des Bundestages einsehen. Über eine Milliarde Rendite Nach einem Bericht der Illustrierten Stern verlangte das Konsortium Toll Collect, das aus Daimler, Deutscher Telekom und dem französischen Autobahnbetreiber Cofiroute besteht, seinerzeit eine Rendite von über 1,117 Milliarden Euro netto für die gesamte Vertragslaufzeit von zwölf Jahren. „Gemessen an der damals geplanten Gesamtvergütung für den Betrieb des Mautsystems von netto 5,7 Milliarden Euro wäre das eine Umsatzrendite von gut 19 Prozent“, heißt es im Stern. Das Bundesverkehrsministerium lehnt eine detaillierte Stellungnahme zu dem Bericht ab. „Im damaligen Vertrag wurde vereinbart, dass Einzelheiten des technischen Systems nicht veröffentlicht werden können. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) weist darauf hin, dass der Betreibervertrag Gegenstand eines europaweit bekannt gemachten Vergabeverfahrens mit mehreren Bietern war“, erklärte Ressortsprecher Sven Ulbrich gegenüber der VerkehrsRundschau. Näheres wollte er unter Hinweis auf das laufende Schiedsgerichtsverfahren nicht mitteilen. Der Bund hatte 2004 juristische Schritte gegen Toll Collect eingeleitet und fordert Schadensersatz in Höhe von fast fünf Milliarden Euro, insbesondere für entgangene Einnahmen. Jetzt wurde bekannt, dass die Anwalts- und Gerichtskosten sowie Aufwendungen für Wirtschaftsprüfer und Gutachten bisher rund 44 Millionen Euro verschlungen haben. Weitere 15 Millionen Euro an Gerichtskosten seien durch ein zweites Verfahren entstanden, das Toll Collect im Gegenzug wegen „angeblich ausstehender“ Vergütungen gegen den Bund angestrengt habe, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Politikerin Bärbel Höhn. Die Regierung kürzt seit Juni 2006 ihre monatlichen Überweisungen an die Betreiber – bis heute wurden so insgesamt fast 330 Millionen Euro einbehalten. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen), drängt auf ein baldiges Ende des Rechtsstreits. „Daimler und Telekom haben dieses technologische Großprojekt grandios vergeigt“, sagte er. Es sei „mehr als ärgerlich“, dass der Bund zig Millionen Euro Anwaltskosten ausgeben muss, um zu seinem Recht zu kommen und für entgangene Milliardeneinnahmen „ordentlich“ entschädigt zu werden. ❙❚■ Jörg Kürschner, Korrespondent in Berlin Bereits vor drei Jahren wollten SPD-Abgeordnete den Vertrag einsehen, durften aber nicht