Leichter Aufschwung

Zugegeben, dieser Vergleich ist nicht sehr originell und schon häufig gezogen worden. Aber so gut wie zu den aktuellen Ergebnissen des VerkehrsRundschau-Index passte er bislang selten: das Glas, das gefüllt ist, je nach Betrachtung halb leer oder halb voll. Um 0,65 Prozent sind die Lkw-Frachtraten im Straßengüterverkehr in Deutschland im vierten Quartal 2020 im Vergleich zum Vorquartal gestiegen. Einerseits ist das durchaus beachtlich. Dass in diesen Corona-Zeiten, in denen die Bundesregierung fast im monatlichen Takt die Restriktionen angezogen hat, die Transportpreise steigen, ist nicht selbstverständlich und war auch nicht zu erwarten. Dazu muss man sich nur die Entwicklung während des ersten Lockdowns ansehen, als Preise innerhalb eines Quartals um satte 2,77 Prozent in den Keller rauschten. Ja, sicher, damals waren die Maßnahmen gravierender. Aber große Teile des Handels, Hotels, Gastronomie, später auch der Dienstleistungsbranche: Sie alle hat es auch dieses Mal getroffen. Und wenn weniger gehandelt und verkauft wird, wird weniger produziert und transportiert. Die sinkende Nachfrage führt dazu, dass die Frachtraten unter Druck geraten und sinken. Das war im vierten Quartal nicht der Fall. Deshalb: Glas halb voll. Vorkrisenniveau noch weit entfernt Andererseits sind die 0,65 Prozent aus Sicht der Dienstleister zu wenig. Damit ist der Einbruch aus dem zweiten Quartal noch längst nicht wettgemacht, selbst wenn man das geringe Plus aus dem dritten Quartal mit 0,28 Prozent hinzurechnet. Dazu ist ein Blick zurück empfehlenswert auf die absoluten Werte des VR-Index: Ende 2018/Anfang 2019, als die Transportnachfrage permanent stieg und die Kapazitäten immer knapper wurden, lag der Index um die 130 Punkte und zum Teil deutlich darüber (siehe Grafik Seite 14). Jetzt, im vierten Quartal 2020, liegt der Index bei 127,13 Punkten - also deutlich darunter. Zugute kamen den Dienstleistern sicher die sinkenden Dieselpreise. Aber andere Kosten wie die für das Personal sind gestiegen. Angesichts einer geringen Rendite, die im Transportgewerbe mit durchschnittlich maximal drei Prozent beziffert wird, sind solche Preisabschläge, wie sie derzeit herrschen, schwierig zu verkraften. Deshalb Glas halb leer. BAG berichtet von guter Auftragslage Noch sind die Konsequenzen nicht zu spüren. Aber was für die Gesamtwirtschaft gilt, könnte auch auf die Transportbranche zutreffen: Dass doch einige sogenannte Zombie-Unternehmen unterwegs sind, die eigentlich pleite sind, aber aufgrund der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht noch bis Ende April dieses Jahres weiterarbeiten können. Andererseits: Die Auftragslage scheint trotz der Einschränkungen nicht so schlecht zu sein, wie man meinen könnte. Das geht auch aus der neuesten Umfrage des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf den deutschen Güterverkehrsmarkt hervor, die letzte Woche erschienen ist. Die Aussagen beziehen sich auf den Zeitraum Mitte Dezember 2020 bis Mitte Januar 2021. Danach berichten die im Straßengüterverkehr tätigen Unternehmen überwiegend von einer saisonüblichen bis guten Auftragslage - trotz der seit Mitte Dezember 2020 verschärften Corona-Einschränkungen. Während also die Auftragslage noch akzeptabel ist, verschlechtert sich die finanzielle Situation. "Viele befragte Unternehmen berichten infolge der Corona-Krise von finanziellen Einbußen", heißt es in dem BAG-Bericht. Die Umsatzrückgänge wurden "oftmals" im einstelligen Prozentbereich beziffert, "teilweise lagen sie jedoch auch in Größenordnungen von über 20 Prozent". Die Unternehmen berichteten von steigenden Kosten (unter anderem durch höhere Mautsätze im europäischen Ausland und die CO2-Bepreisung von Kraftstoffen). Die hohe Wettbewerbsintensität im Gewerbe wurde als Hürde genannt, höhere Entgelte am Markt durchzusetzen. Das bedeutet jedoch nicht, dass es überhaupt nicht gelungen ist, an der Preisschraube zu drehen - sondern nur nicht in dem Ausmaß, wie es aus Sicht der Dienstleister notwendig und wünschenswert gewesen wäre. Auch beim Transport Market Monitor (TMM), der gemeinsam von Tim-Consult und Transporeon herausgegeben wird, ist eine Verteuerung der innerdeutschen Transporte zu beobachten. Im vierten Quartal 2020 stieg der Frachtindex demnach sogar um 6,9 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es sich ausschließlich um Preise handelt, die auf dem Spotmarkt erzielt werden. Da der TMM auch eine geringere verfügbare Kapazität ausgemacht hat, kann es sehr gut sein, dass gerade in der Adventszeit eine höhere Nachfrage nach Transporten bei geringerem Frachtraum zu dieser Verteuerung geführt hat. Wie sich laut den Teilnehmern am VR-Index die Mengen 2020 entwickelt haben und vor allem: mit welcher Preis- und Mengenentwicklung im Jahr 2021 gerechnet wird, das können Sie im Kennzahlenbereich unseres Profi-Portals VR-Plus nachlesen (siehe Kasten Seite 17). Dort finden Sie weitere Zahlen rund um den Transportmarkt. Eine Sonderentwicklung ist im Güterverkehr mit Großbritannien zu beobachten. Der Brexit hat trotz des Austrittsabkommens mit der EU dazu geführt, dass der Warenaustausch komplizierter geworden ist. Die Folge: Einige Dienstleister ziehen sich aus dem Markt zurück, zumindest vorerst (Beispiel DB Schenker). Im TMM ist diese Entwicklung analysiert worden. Schon vor dem Brexit ist demnach die Straßenkapazität von November zu Dezember um 29,7 Prozent gesunken. Im Gegenzug zogen die Transportpreise kräftig an, und zwar um 41,2 Prozent. Allerdings hat sich zu Jahresbeginn die Lage wieder etwas normalisiert. Man müsse die nächsten drei bis vier Wochen abwarten, in welche Richtung der Markt sich entwickelt, heißt es in der Analyse der Experten vom TMM. Weiter nach vorne blicken die Konjunkturexperten des Ifo-Instituts. Die Prognosen sind eine wichtige Größe, weil sich aus den Konjunkturdaten ablesen lässt, wie sich die Auftragslage im Transportgewerbe entwickelt. Das Ifo-Institut sagt demnach sowohl für 2021 wie auch für 2022 ein Wirtschaftswachstum voraus (siehe Grafik oben). Allerdings haben sie ihre Vorhersage für das laufende Jahr im Dezember 2020 leicht nach unten korrigiert, und zwar von 5,1 Prozent auf 4,2 Prozent. "Wegen des neuerlichen Shutdowns bei uns und in anderen Ländern verschiebt sich die Erholung nach hinten. Erst Ende 2021 wird die Produktion von Waren und Dienstleistungen ihr Vorkrisenniveau erreichen", sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Jedoch ist in dieser Prognose die Schließung des Einzelhandels Mitte Dezember nicht berücksichtigt. Dafür wurde davon ausgegangen, dass die Anfang Dezember gültigen Maßnahmen noch bis März 2021 in Kraft bleiben. Zumindest diese Annahme wurde durch die Beschlüsse von Bund und Ländern vergangene Woche bestätigt. Die verschärften Maßnahmen hingegen sind noch nicht Teil der Prognose gewesen, sodass das Wachstum womöglich etwas geringer ausfällt. Aber immerhin, sollte für 2021 ein Zuwachs mit einer Drei vor dem Komma erzielt werden, dürfte dies auch den Transportmarkt stimulieren und könnten bei einer steigenden Nachfrage die Preise weiter in Richtung Vorkrisenniveau marschieren. Mehr Daten zum VR-Index: unverzichtbare Kennzahlen für Dienstleister und Verlader Die VerkehrsRundschau bietet ihren Abonnenten einen wertvollen Service: Zahlreiche Daten können die Leser unter www.verkehrsrundschau-plus.de/kennzahlen abrufen. Dazu gehören beispielsweise die durchschnittliche Lkw-Standzeit an den Laderampen oder der durchschnittliche Lohnkostensatz für einen Fahrer pro Tag. Die Werte hat das unabhängige Meinungsforschungsinstitut Kleffmann exklusiv für die VerkehrsRundschau erhoben. Es finden sich auf dem Portal viele wichtige Zahlen rund um den Transportmarkt, die jedes Quartal aktualisiert werden und die von vielen Lesern schon seit Jahren für Benchmark-Analysen genutzt werden. Dazu gehören die Frachtraten unterteilt nach Komplettladungen, Teilladungen und Paletten, nach Entfernungen und nach Jahres- und Quartalsdaten. Zudem wird ein Blick in die Zukunft geworfen: Logistikdienstleister und Verlader verraten, mit welchen Preisund Mengenentwicklungen sie im kommenden Quartal/Jahr rechnen. Die Daten werden in Grafiken aufbereitet, kommentiert und interpretiert. Zudem werden in einem Blog aktuelle Entwicklungen im Transport- undLogistikmarkt analysiert. >> www.verkehrsrundschau-plus.de/kennzahlen In Kürze Die Auftragslage war im vierten Quartal trotz Corona-Einschränkungen nicht so schlecht wie vermutet. Folglich sind die Frachtraten leicht gestiegen. Doch die finanzielle Lage ist für die Dienstleister weiterhin angespannt. Was man zum VerkehrsRundschau-Index wissen muss Seit 2005 lässt die VerkehrsRundschau (VR) von einem unabhängigen Marktforschungsinstitut die Frachtraten im Straßengüterverkehr erheben. Damit ist der VR-Index der älteste Preisindex für Lkw-Transporte in Deutschland. Zur Methodik und Erscheinungsweise Im vierten Quartal 2020 haben 82 Unternehmen bei der Befragung mitgemacht, etwas mehr Dienstleister als Verlader. Von den Dienstleistern haben 27,4 Prozent 20 und weniger Mitarbeiter. Bei den Verladern geben 60,0 Prozent an, mehr als 100 Mitarbeiter zu haben. Sie sind also durchschnittlich größer als die Dienstleister. Bei der Abfrage der Frachtraten sind nur Transporte berücksichtigt worden, deren Güter palettierbar sind und keine besondere Handhabung erfordern. Folgende Kriterien nehmen Einfluss auf die Preisgestaltung: Entfernungen Sendungsgrößen Quell- und Zielraum Transporte innerhalb und zwischen Ballungsgebieten Art des Vertragsverhältnisses zwischen Verlader und Transporteur keine langfristigen Kontrakte Preisbildung der Aufträge ohne Annahme einer Rückfracht Der Index erscheint vierteljährlich. Die Daten werden erhoben vom Marktforschungsinstitut Kleffmann.

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