Lagerflächen bleiben begehrt

Zu Beginn dieses Jahres herrschte auf dem Markt für Logistikimmobilien noch Business as usual: Die Kauflaune der Investoren war nach einer Analyse des Münchner Investmenthauses LIP Invest zum Jahresauftakt so hoch wie noch nie: In den ersten drei Monaten 2020 wurden rund 2,3 Milliarden Euro in deutsche Logistikimmobilien investiert. Auch die Nachfrage der Nutzer blieb ungebrochen: Der Flächenumsatz lag im gleichen Zeitraum mit rund 1,4 Millionen Quadratmetern um 200.000 Quadratmeter über dem Vorjahresquartal. Dann kam Corona und die Maklerhäuser hatten einen zusätzlichen Ansturm an Anfragen abzuarbeiten, sei es seitens der schwer beschäftigten Akteure im Lebensmitteleinzelhandel oder auch für gestrandete Waren, die im Lockdown nicht abverkauft werden konnten. Doch wie geht es im Markt für Lager- und Logistikflächen weiter? Da die Pandemie auch gezeigt hat, dass die global aufgestellten, hochkomplexen Lieferketten alles andere als krisenresistent sind, wird aktuell diskutiert, ob ein Ausbau der Lagerhaltung oder gar eine Rückverlagerung der Produktion eine Alternative wäre. Ein Szenario, mit dem sich auch die Immobilienwirtschaft beschäftigt, denn eine Abkehr von just-in-time und einer über den ganzen Globus reichenden Lieferkette könnte die Nachfrage nach lokalen Lagerflächen zusätzlich erhöhen. "Die Nachfrage nach Lager- und Logistikimmobilien wird weiter steigen", ist sich Peter Bergmann, Projektleiter Alcaro Invest, sicher. Vor allem Immobilien, in denen systemrelevante Waren wie Lebensmittel und Hygiene- und Medizinprodukte produziert oder gelagert werden, rücken demnach in den Fokus. Aber nicht nur in Deutschland müsse man sich krisenfester aufstellen, das Szenario sei ein europaweites. Abkehr von der Globalisierung? "Die Lehren der Pandemie führen zu einer stärkeren Bevorratung sowie einer vermehrt regionalen Produktion", prognostiziert auch Fred-Markus Bohne, Managing Partner Panattoni. Dies werde sich zwangsläufig in einem höheren Bedarf an Lager- und Logistikfläche niederschlagen. "Am ehesten wird eine derartige Neugestaltung der Supply-Chains für den Handel sowie für die Chemiebranche gelten, um im Krisenfall schnell auf systemrelevante Güter wie Lebensmittel, Medizintechnik sowie Hygienemittel zurückgreifen zu können", sagt Bohne. "Ich halte es für überfällig, dass sich die Wirtschaft, nachdem sie die Globalisierung jahrzehntelang als Allheilmittel betrachtet hat, wieder auf eine Relokalisierung besinnt", sagt Umut Ertan, Gründer und Gesellschafter der Realogis-RLI Unternehmensgruppe. Branchen wie etwa die Pharma- und Automotive-Industrie werden die Organisation ihrer Lieferketten ganz sicher überdenken, so Ertan. Im Bereich Pharma setze dieser Wandel hin zu einer Rückverlagerung der Produktion nach Europa oder Deutschland schon ein. "Auch die Autohersteller wissen, dass sie viel autarker von außereuropäischen Strukturen agieren müssen", so Ertan. "Die Vorstellung, nunmehr in Zukunft alles national zu produzieren und vorzuhalten, kann meiner Meinung nach nicht die Lösung sein", sagt Francisco J. Bähr, geschäftsführender Gesellschafter Four Parx. Damit die Versorgung künftig sichergestellt sei, werde es aber ein erhöhtes Maß nationaler Lagerhaltung geben, dies aber nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten EU. "Gleichzeitig gehe ich nicht davon aus, dass hierdurch mehr Logistikflächen generiert werden, sondern eher, dass die durch die Wirtschaftskrise neu entstehenden Leerstände genutzt werden", sagt Bähr. Mehr Pufferlager werden entstehen "Dass Unternehmen Produktionen wieder zurück nach Deutschland holen, halte ich nur in Einzelfällen für wahrscheinlich", sagt derweil Alexander Nehm, Geschäftsführer Logivest Concept. Das Konzept der globalisierten, weit verzweigten und komplexen Lieferketten sei schließlich nicht über Nacht entstanden, neben Effizienzgründen spielten hier vor allem Kosteneffekte eine gewichtige Rolle. "Ich glaube daher nicht, dass globale Lieferketten grundsätzlich über Bord geworfen werden", so Nehm. Er geht vielmehr von punktuellen Anpassungen wie mehr Pufferlagern in der Nähe der lokalen Märkte aus, insbesondere für kritische Zulieferteile, im Pharmabereich und bei Hygieneartikeln. "Das Bestands- oder Neubauvolumen für Logistik wird sich dadurch aber nicht entscheidend ändern", so Nehm. Dass es bei der Bewältigung der Corona-Krise keine einheitliche Entwicklung gibt, meint auch Andreas Fleischer, Vorstand DF Industrial Partners. "Zwar mögen einige bereits eine Neugestaltung von Supply-Chains im Sinne einer Bevorzugung lokaler Produktion fordern. Allerdings ist der gegenwärtige Markt von einer enormen Unsicherheit geprägt", so Fleischer. Viele potenzielle Nutzer von Logistikimmobilien wollten demnach aufgrund der unklaren Lage keine langfristigen Mietverträge unterzeichnen, auch Investoren agierten zurückhaltend. "Dennoch bewegen wir uns hier in einem seit Jahren stark wachsenden Markt. Daran wird sich mittelfristig nichts ändern, auch wenn es im Moment branchenabhängig einige Unsicherheiten und auch Veränderungen gibt", sagt Fleischer. Micro-Hubs statt Bürotürme Ertan von Realogis-RLI macht noch einen weiteren Aspekt aus, der sich künftig auf die Nachfrage und Nutzung von Immobilien auswirken dürfte: Er geht davon aus, dass die Dienstleistungsbranche, die in den letzten Monaten ihre Mitarbeiter pandemiebedingt ins Homeoffice geschickt und gemerkt hat, dass dies ganz gut funktioniert, ihre Bürokapazitäten verkleinern wird. "Zehntausende Quadratmeter Fläche, die dann in Toplagen frei würden, könnte man sehr gut in Micro-Hubs für die letzte Meile umwidmen", sagt Ertan. Auch bei Neubauten gelte das Prinzip Angebot und Nachfrage: "Anstatt schicker Bürotürme, die zuletzt leer standen, ist Logistik die Nutzungsart, die weiterhin stark wachsen wird", sagt Ertan. Imagegewinn konsequent nutzen Ganz gleich, ob der Bedarf an Lagerflächen und Logistikimmobilien auf dem anhaltend hohen Niveau der letzten Jahre bleibt oder gar noch weiter steigen wird: Die Ausgangslage für Logistikansiedlungen ist seit Jahren schwierig, in den Städten und Kommunen stehen sie selten ganz oben auf der Wunschliste, der Vorbehalt in der Bevölkerung ist groß. Könnte die mediale Präsenz und auch Akzeptanz, die die Logistik während der Corona-Krise plötzlich erfahren hat, dies ändern? "Wenn wie zuletzt Lkw-Fahrer als Helden gefeiert werden, dann kommt das sicher der ganzen Branche zugute", sagt Nehm. Er hofft, dass die Branche diesen Imagegewinn nutzen und die Bedeutung der Logistik bei Ansiedlungen auch langfristig transportieren kann. "Die Lehren aus der Krise - nämlich dass Logistik systemrelevant ist und vor allem im Bereich Handelslogistik und E-Commerce auch vergleichsweise zuverlässig funktioniert hat - hat den Fokus auch auf die Logistikzentren gelenkt und deren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit gestärkt", ist auch der Eindruck von Ertan. Diese Karte müsse bei den Kommunen nun konsequent ausgespielt werden. Bergmann von Alcaro bleibt derweil zurückhaltend: "Ich fürchte, dass dieser Effekt schnell verpuffen wird, sobald sich alles wieder normalisiert und die Leute wieder neben vielen Lkw im Stau stehen." Auch Fleischer ist skeptisch: "Das Imageproblem von Logistikimmobilien in den Kommunen herrscht schon lange vor und wird sich deshalb auch nicht so einfach von selbst lösen." Die Entwickler sind am Zug Dass der Widerstand gegen Ansiedlungsprojekte allgemein eher zu- als abnimmt, ist auch der Eindruck von FourParx-Geschäftsführer Bähr. "Ohne Antworten auf die durch die Logistik durchaus erzeugten Belastungen im ökologischen Bereich, im Flächenverbrauch, in der wahrgenommenen persönlichen Belastung wie beispielsweise durch Lärm, Abgase und Verkehrsstaus wird der Corona-Bonus ganz schnell verbraucht sein." Jetzt sei die Chance gegeben, diesen Aufwind zu nutzen und mit den richtigen Konzepten die Bevölkerung mitzunehmen. Logivest-Concept-Geschäftsführer Nehm, der im vergangenen Jahr als Co-Autor für eine Studie der Logix-Initiative das Thema Logistikimmobilien aus kommunaler Sicht untersucht hat, kennt die Problematik aus dem Effeff. "Kommunen sind nicht prinzipiell Gegner der Logistik. Viele haben einfach nicht die Ressourcen, sich umfassend mit der Thematik zu befassen", sagt Nehm. Die Bürgermeister von Kleinoder Kleinstkommunen seien nicht selten überfordert, die Gegenwehr schon einzelner Bürger habe sehr viel Einfluss. "Wenn der Imagewandel, den die Logistik während der Corona-Krise erfahren hat, dabei hilft, in diesen Rathäusern zumindest den Fuß in die Tür zu bekommen, wäre schon viel gewonnen", glaubt Nehm. Auch Logistik bringt Gewerbesteuer Panattonis Managing Partner Bohne führt noch einen anderen Aspekt an, der der Ansiedlung von Logistikimmobilien künftig zupasskommen könnte: "Viele Gemeinden haben nach der Corona-Krise mit schwer zu verkraftenden Ausfällen bei der Gewerbesteuer zu kämpfen." Dass so manche Kommune, die krisenbedingt ein Problem mit der Gewerbesteuer hat, neue Gewerbegebiete ausweist, beobachtet auch Logivest-Experte Nehm - das Problem bleibe aber das gleiche: "Diese liebäugeln häufig mit der Ansiedlung von produzierendem Gewerbe, das eine große Produktionshalle baut, viele Arbeitsplätze schafft und am besten noch besonders nachhaltig ist." Der Trugschluss dabei sei, dass es solche Ansiedlungen schlichtweg kaum gebe. Sobald die Bürgermeister dies realisiert hätten, würden sie aber auch offener gegenüber einer logistischen Nutzung. "Wer Produktion möchte, darf zur Logistik nicht Nein sagen, denn beides funktioniert nur gemeinsam", sagt Alcaro-Projektleiter Bergmann. Er sieht nun die Chance, dass Produktion und Logistik künftig noch stärker miteinander verzahnt werden. Beispiel Tesla in Grünheide bei Berlin: "Vordergründig geht es hier um ein riesiges Autowerk mit vielen Arbeitsplätzen, es wird im direkten Umfeld aber ein Vielfaches der reinen Produktionsfläche für die Zulieferer-Logistik benötigt." In Teilen hätten Kommunen schon vor der Corona-Krise erkannt, dass auch Logistik allein Chancen birgt. "Beispiel Frankfurt/Oder, wo wir derzeit ein großes Areal entwickeln", betont Bergmann. In Brandenburg sieht er einen gestiegenen Bedarf an Logistik für den Großraum Berlin. "Interessant ist nicht, wie ein Gebäude aussieht, sondern was draufsteht", führt Nehm einen weiteren Aspekt im Umgang mit Kommunen ins Feld. 2019 hat Logivest die Ansiedlung von Puma in Geiselwind begleitet. "Das Logistikzentrum ist fast größer als der gesamte Ort. Sicherlich hat Puma als Imageträger dazu beigetragen, dass die Bevölkerung beziehungsweise die Kommune von Anfang an sehr positiv mit der Logistikansiedlung umgegangen ist", sagt Nehm. Mehr zum Thema unter #Logistikimmobilien www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Werden nach den Erfahrungen der Corona-Krise die Lieferketten wieder kürzer und steigt so der Bedarf an Lager- und Logistikflächen weiter an? Bedingt, sagen Experten. Allerdings dürften auch trotz des jüngsten Imagegewinns der Logistik bei den Städten und Kommunen weiterhin dicke Bretter zu bohren sein. 1,4 Millionen Quadratmeter Flächenumsatz erzielten Logistikimmobilien im 1. Quartal 2020.

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