Die Autozuliefererindustrie in Deutschland steht vor massiven Herausforderungen. Unternehmen wie Bosch, ZF Friedrichshafen, Continental und Mahle kämpfen mit einer Kombination aus Auftragsflaute, dem Übergang zur E-Mobilität und zunehmendem internationalen Wettbewerbsdruck. Auch in der Transport- und Logistikbranche könnten Folgen spürbar sein, etwa durch Investitionsstopps oder veränderte Lieferkettenstrukturen.
Zudem sind auch Arbeitsplätze in Gefahr. Doch nicht alle Autozulieferer trifft die Krise gleich hart. Wer kommt besser durch den Strukturwandel – und warum?
Auf der Autoindustrie lastet gewaltiger Druck. Probleme gibt es in der Schlüsselindustrie zuhauf, die Aufgaben sind riesig. Gerade bei den deutschen Zulieferern.
Sie bekommen unter anderem die gedämpfte Autoproduktion voll zu spüren. Viele Werke sind nicht ausgelastet.
Bosch: Marktführer unter Druck – 15.000 Jobs in Gefahr
- Der weltweit größte Autozulieferer Bosch ist in vielen Sparten unter Druck: wie Steuergeräte, Antriebe, Lenkungen, Teile für E-Autos und Fahrzeugsoftware sowie Ingenieurdienstleistungen für Autobauer.
- Auch außerhalb der Mobilität läuft es nicht rund – etwa bei Haushaltsgeräten oder Heizungen.
- Seit Ende 2023 laufen umfassende Sparprogramme. Bis zu 15.000 Stellen weltweit sollen wegfallen, viele davon im Zulieferbereich in Deutschland.
- Zusätzlich wurden Arbeitszeiten vieler Beschäftigter reduziert.
Hintergrund: In den einzelnen Bereichen sind die Gründe zwar immer etwas anders gelagert. Die gedrosselte Fahrzeugproduktion, verschobene Projekten der Autobauer sowie die daraus entstandenen Überkapazitäten sind aber generell ein Problem. Hinzu komme ein zunehmender Wettbewerbs- und Preisdruck - zum Beispiel durch chinesische Anbieter.
Continental: Spaltung der Zuliefersparte und neue Strategie
- Am 18. September will Continental seine schwächelnde Autozuliefersparte abspalten und als eigenes Unternehmen Aumovio an die Börse bringen.
- Das Ziel von Conti-Chef Nikolai Setzer durch die „bisher tiefgreifendste Neuaufstellung“ in der Unternehmensgeschichte: Es sollen „neue Kräfte“ freigesetzt werden.
- Im Angebot hat das neue Unternehmen unter anderem Bremsen, Fahrwerke, Fahrzeugelektronik, Infotainment-Lösungen, Sensoren sowie Komponenten für das assistierte und automatisierte Fahren.
- Der Umsatz im Autozuliefergeschäft sackte im zweiten Quartal wegen der stockenden Autoproduktion zwar um fünf Prozent ab, doch blieb davon mehr als Gewinn hängen. Zu verdanken war das Kostensenkungen und Preiserhöhungen.
- Im Zuge der Neuaufstellung sollen über 10.000 Stellen gestrichen werden – zur Hälfte in Verwaltung und F&E.
2021 hatte Conti bereits die Antriebssparte Vitesco abgespalten. Nun wird der Konzern wieder zum reinen Reifenhersteller. Denn die Hannoveraner wollen auch ihre Kunststofftechniksparte loswerden.
ZF Friedrichshafen: Antriebssparte schwächelt weiter
- Ein Knackpunkt in der Neuausrichtung des Konzerns ist derzeit die Sparte für Antriebe - intern „Division E“ genannt. Sie ist in Teilen nicht wettbewerbsfähig.
- Der Bereich leidet besonders unter dem verzögerten Anlauf der E-Mobilität sowie unter hohen Kosten und geringen Margen im traditionellen Getriebegeschäft
- 2024 wurde hier knapp ein Viertel des Gesamtumsatzes erwirtschaftet
- Weltweit ist in der Division etwa jeder fünfte ZF-Beschäftigte tätig
- ZF und Arbeitnehmervertreter wollen in den kommenden Wochen über die Neuausrichtung der kriselnden Kernsparte verhandeln.
Auch für dieses Jahr werden im Konzern wieder rote Zahlen erwartet. Tausende Jobs stehen in den kommenden Jahren auf dem Spiel.
Schaeffler: Diversifikation als Krisenstrategie
- Der Auto- und Industriezulieferer Schaeffler ist im Vergleich zur Konkurrenz besser aufgestellt - auch wegen seiner diversifizierten Geschäfte.
- Auf dem Vormarsch ist das Geschäft mit Elektroantrieben für Fahrzeuge, wie das Unternehmen mitteilte. Im Gegenzug ging allerdings das Geschäft mit herkömmlichen Antriebssträngen und Fahrgestellen im ersten Halbjahr 2025 zurück.
- Die Umsätze gingen in den ersten sechs Monaten im Vorjahresvergleich um 4,6 Prozent auf rund 11,9 Milliarden Euro zurück. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Sondereffekten (Ebit) sank um 49 Millionen Euro auf 482 Millionen Euro.
- Dennoch: Der Wandel erfordert Einschnitte. Er hat den Abbau von 4.700 Arbeitsplätzen in Europa angekündigt, davon 2.800 in Deutschland.
Mahle: Umbau mit Fokus auf Thermomanagement
- Der frühere „Kolben-Mahle“ richtet sich neu aus: Seit Jahren findet ein Umbau statt – weg vom Verbrenner. Der Fokus liegt nun stark auf dem Thermomanagement. Dabei handelt es sich um die Technologien zum Heizen und Kühlen in Fahrzeugen. Das ist vor allem bei Elektroautos ein wichtiges Thema.
- In den vergangenen zwölf Monaten sind rund 600 Stellen in Deutschland abgebaut worden, wie Vorstandschef Arnd Franz Ende Juli mitteilte.
- Eine Vereinbarung aus dem August 2023 mit dem Betriebsrat sichert bis Ende 2025 den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen in Deutschland.
- Außerdem sollten Zukunftskonzepte für die einzelnen Standorte entwickelt werden.
Zugleich haben viele Unternehmen eine Menge Geld in den Wandel zur E-Mobilität investiert - das rechnet sich in vielen Fällen aber noch nicht.
Nach Angaben von Constantin Gall, Autoexperte beim Beratungsunternehmen EY, leiden die Zulieferer besonders unter den niedrigeren Stückzahlen in der Autoproduktion.
„Das sind Fragmente dessen, was geplant war“, sagt Gall. Das habe nicht nur mit der geringen Nachfrage nach E-Autos zu tun. „In Zeiten wie diesen steht bei vielen Menschen ein Fahrzeugkauf nicht ganz oben auf der Liste.“
Die Produktqualität sei ebenfalls nicht das Problem. Der Weg zum Endergebnis sei momentan aber nicht wettbewerbsfähig. „Die großen Konglomerate haben gerade ihre liebe Mühe und Not, weil die Komplexität, die sie in ihren gesamten Strukturen haben sie auffrisst“, sagt Gall.
Außerdem zögen die Hersteller wieder mehr Wertschöpfung zu sich, um ihre Werke auszulasten.
Schaeffler und Mahle zeigen: Wer sich frühzeitig auf neue Technologien fokussiert und diversifiziert, kann sich meist etwas besser behaupten.
Gall zufolge müssen sich Unternehmen aus der Autozulieferindustrie verschlanken und auf die Bereiche konzentrieren, die in Zukunft noch Geld abwerfen. „Die europäischen Zulieferer tragen sehr viel Gepäck mit sich herum.“
Aber nicht, weil sie zwingend etwas falsch gemacht hätten. Sondern weil sich die Industrie über Jahrzehnte so entwickelt habe - und bis vor Kurzem auch sehr gut funktioniert habe.
Nun säßen aber viele wie Kaninchen vor der Schlange, anstatt zu handeln. „Das ist wie, wenn man versucht, eine klaffende Wunde mit einem Heftpflaster zu versorgen - wissend, dass man eigentlich nähen müsste“, so Gall zur aktuellen Reaktion vieler Zulieferer.