Kohlhepp Logistik: Alles im Umbruch

"Die Maus ist manchmal besser als der Elefant, denn sie ist einfach flexibler", findet Peter Kohlhepp. Mit der Maus ist sein Unternehmen gemeint, die Kohlhepp Logistik GmbH aus Unterfranken. Und die Elefanten sind die großen Speditionen, die ihr Geschäft ebenfalls auf das Zwei-Mann-Handling ausgerichtet haben. Von diesen möchte sich Kohlhepp vor allem durch seinen individuellen Kundenservice und eine nach eigenen Angaben deutlich geringere Reklamationsquote abheben. Der mittelständische Möbellogistiker mit Hauptsitz in Bad Kissingen ist nämlich hauptsächlich in der Endverbraucherlogistik tätig. Mit 60 Prozent Umsatzanteil liegt der B2C-Bereich deutlich vor den anderen Geschäftsbereichen des Unternehmens: B2B (20 Prozent), Lagerhaltung (15 Prozent) und Umzug (fünf Prozent). Profiteur des Onlinehandels Die Umsatzanteile der Bereiche B2C und B2B hätten sich mit dem zunehmenden Onlinehandel in den vergangenen Jahren immer weiter umgekehrt, erzählt der geschäftsführende Gesellschafter bei einem Treffen mit der VerkehrsRundschau. Kohlhepp transportiert und - je nach Wunsch des Endverbrauchers - montiert Möbel, die bei Online-Händlern geordert wurden. Das firmeneigene 8000 Quadratmeter große Lager dient zum einen den Händlern als Lagerfläche. Sie können hier unterschiedliche Artikel einlagern und diese jederzeit abrufen. Zum anderen fungiert es als Umschlagslager, die Ware wird bereits kommissioniert angeliefert und geht direkt weiter an den Endkunden. Das hat sich bewährt; für 25 Kunden übernimmt Kohlhepp Logistik diese Dienstleistungen. Während der Corona-Pandemie hätten es auch weit mehr sein können: "Wir hatten bis zum letzten Jahr eine Warteliste mit Kunden, die ihr Versandvolumen alleine nicht handeln konnte", berichtet Martina Kohlhepp-Bangert, die Tochter von Peter Kohlhepp. Gemeinsam mit ihrem Bruder Benedikt Kohlhepp soll sie künftig über die Geschicke des Familienbetriebs entscheiden. Mit seinen 66 Jahren will ihr Vater so bald wie möglich den Ruhestand antreten. Das hätte eigentlich noch im laufenden Jahr passieren sollen - die großen Projekte, die das Unternehmen angestoßen hat, haben dieses Vorhaben aber erst einmal verzögert. Bereit für noch mehr Verantwortung fühlen sich die beiden auf jeden Fall. Die studierte Betriebswirtschaftlerin arbeitet seit sieben Jahren im Familienbetrieb, ihr Bruder sogar bereits seit neun Jahren. Mit Ferienjobs bei Kohlhepp zu Schulzeiten und einer Ausbildung als Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistungen hat er sein Tätigkeitsfeld quasi von der Pike auf kennengelernt. Als eine der größten Herausforderungen für die Zukunft betrachten die Nachwuchs-Chefs die zunehmende Digitalisierung. "Wir wollen diesen Papierwahnsinn, den Speditionen haben, abschaffen", stellt Martina Kohlhepp-Bangert klar. Einen großen Schritt in diese Richtung hat das Unternehmen bereits gemacht: In Kürze geht ein neues EDV-System an den Start, mit dem Kohlhepp für Aufträge in Deutschland mittelfristig eine Papierreduktion von 100 Prozent erreichen will. Es ist auf die individuellen Bedürfnisse des Mittelständlers ausgelegt, die Software-Grundlage liefert der Anbieter Salesforce. Weniger Papier, mehr Transparenz Bastian Bangert, Ehemann der künftigen Chefin und für das EDV-Projekt hauptverantwortlich, erklärt die Vorteile: "Bei der Dokumentation in der B2C-Auslieferung gibt es einfach zu viele Berichte, sei es der normale Frachtbrief oder die Belege für erfolgte Montagen und Retouren. Das fällt in Zukunft weg. Was erledigt wurde, wird nur noch in einer App abgehakt. So reduziert sich pro Sendung die Zettelwirtschaft." Ein weiterer Vorteil: mehr Transparenz - sowohl für Kohlhepp selbst als auch für die Kunden. "Die Online-Händler sehen jeden Kontakt, den wir zum Endkunden hatten. Und wir können zur Absicherung ein Foto von jedem aufgebauten Möbelstück in das System einbinden", erklärt Peter Kohlhepp. Hinzu kommt eine eigens entwickelte Sendungsortung, die es den Endkunden ermöglicht, das Lieferfahrzeug am Anliefertag mit minutengenauer Ankunftszeit zu verfolgen. Das sei möglich, weil Kohlhepp bis auf wenige Ausnahmen alle Aufträge selbst abwickelt und somit keine weiteren Schnittstellen berücksichtigt werden müssen, sagt der Noch-Chef. Auf Dauer erhofft man sich durch die Neuerung Kosten- und Arbeitszeitersparnisse, eine verbesserte Umweltbilanz und (noch) zufriedenere Kunden. Damit die Angestellten von dem neuen System genauso angetan sind wie die Chefs, finden aktuell interne Schulungen statt. "Wir machen Videos mit Step-by-Step-Anleitungen", erklärt Bastian Bangert. Auch den Kunden würden Manuals zur Verfügung gestellt. Nicht bei allen Mitarbeitern sei die Umstellung auf Gegenliebe gestoßen, gibt seine Frau Martina zu. "Aber das ist bei Neuerungen generell so - da muss man hineinwachsen." Fahrersuche in Südosteuropa Die Zufriedenheit des Personals hat für Kohlhepp Logistik einen hohen Stellenwert. Denn geeignete Fachkräfte zu finden, fällt auch dem Familienbetrieb nicht leicht. Bei jeder Lieferung muss das Fahrzeug mit einem Fahrer und einem Monteur besetzt sein. Um insbesondere dem Mangel an Berufskraftfahrern entgegenzuwirken, geht die Firma seit 2018 neue Wege. Seitdem rekrutiert Kohlhepp Fahrer aus Kroatien, Serbien und Polen direkt vor Ort. Etwa 40 Personen konnten nach Unternehmensangaben auf diesem Weg bisher angeworben werden. "Es ist ein Erfolgsprojekt", sagt Peter Kohlhepp. Möglich macht das unter anderem Davor Branisa. Der 46-jährige gebürtige Kroate arbeitet seit 2014 als Berufskraftfahrer bei den Unterfranken. Mit der üblichen Fahrertätigkeit angefangen, hat sich sein Aufgabengebiet inzwischen deutlich ausgeweitet. Alle drei Wochen fährt er in seine alte Heimat oder nach Serbien, um dort mithilfe eines über die Jahre aufgebauten ortsansässigen Netzwerks neues Fahrpersonal zu rekrutieren. Neben Kroatisch und Deutsch spricht er auch noch Englisch. "Alles, was vor Ort passiert, organisiere und betreue ich", sagt Branisa. Früher habe die serbische Arbeitsagentur noch bei der Vermittlung mitgespielt, aber inzwischen müsse er andere Wege finden. Wie genau das abläuft, möchten die Kohlhepp-Verantwortlichen nicht verraten. Auf jeden Fall habe man aber aus alten Fehlern gelernt: So müssen alle potenziellen Kandidaten einen Fahrtest noch vor Ort machen, bevor der Visumantrag erfolgt. Sprachkurse in Partnerschulen des Herkunftslandes finanziert Kohlhepp - genauso wie Firmenwohnungen in der näheren Umgebung des Lagerstandorts. Bei Arbeitsantritt muss jeder neue Fahrer mindestens Englisch können. Eine weitere Erkenntnis aus der Vergangenheit: "Man kann die Leute nach ihrer Ankunft nicht direkt alleine lassen", sagt Peter Kohlhepp. Am Wochenende besprechen die Chefs deshalb mit den Neuankömmlingen mögliche Probleme und anstehende Aufgaben. Zudem wird den neuen Kollegen jeweils ein Ausbildungsfahrer zugeordnet, der die Einarbeitung in der Praxis übernimmt. Ärger über Behörden-Wirrwarr Was den Senior-Chef in letzter Zeit immer häufiger stört, ist das aus seiner Sicht teils träge, teils konfuse Handeln in deutschen Behörden und der Politik. Dafür nennt er auch jeweils ein Beispiel: So müssen etwa auch ausländische Besitzer eines C- oder CE-Führerscheins, die diesen nach dem 10. September 2009 gemacht haben, die beschleunigte Grundqualifikation zwingend auf Deutsch absolvieren. Ein No-Go, findet Peter Kohlhepp: "Man müsste doch in der Lage sein, diesen Lehrgang in die jeweiligen Sprachen zu übertragen - und zwar schnell." Am neuen Standort in Bergrheinfeld, den Kohlhepp künftig auch als Zentrale nutzen will, würde das Unternehmen gerne ein Anschlussgleis in Betrieb nehmen. Doch obwohl sich die Kohlhepps dafür bereits an fünf verschiedene Stellen gewandt haben, haben sie den passenden Ansprechpartner immer noch nicht gefunden. "Wir sind heutzutage vom Behörden-Irrsinn umgeben", schimpft der Senior-Chef. Bald muss er sich mit solchen Themen nicht mehr beschäftigen und hat stattdessen mehr Zeit für die Kneipe, die er mit zwei Freunden nebenbei in Bad Kissingen betreibt. Sein Tipp an die Nachfolger: "Durchhaltevermögen zeigen - auch oder gerade bei Krisen". Mehr zum Thema unter #Speditionsportrait www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Den Möbellogistiker Kohlhepp Logistik gibt es bereits seit 161 Jahren. Von Tiefschlägen - inklusive einer Insolvenz - haben sich die Unterfranken bislang nicht unterkriegen lassen. Mit der Umsetzung neuer Ideen bei den Themen Digitalisierung und Recruiting will sich der Familienbetrieb auch für die Zukunft wappnen. Transporte seit 1861 161 Jahre Firmengeschichte im Schnelldurchlauf: Am 10. April 1861 gründet Heinrich Kohlhepp den gleichnamigen Fuhrbetrieb in Bad Kissingen. Später reicht er die Geschäftsführung an Sohn Andreas weiter. 1913 übernimmt Kohlhepp die königlich bayerische Poststallhalterei und besitzt zu diesem Zeitpunkt 45 Pferde. Sechs Jahres später folgt die Unternehmensübergabe an die beiden Söhne von Andreas Kohlhepp: Heinrich und Ludwig firmieren als Gebrüder Kohlhepp. Im Jahr 1965 wird Helmut, der Sohn von Heinrich Kohlhepp, geschäftsführender Gesellschafter der Kohlhepp KG. Circa 1925 kommt der erste Lkw ins Unternehmen.1981 zieht Kohlhepp in einen neuen Firmensitz nach Albertshausen um, einen Stadtteil von Bad Kissingen. Nur ein Jahr später stirbt Helmut Kohlhepp überraschend an Leukämie, sodass sein Sohn Peter mit 26 Jahren den Betrieb übernehmen muss. Er ist bis heute geschäftsführender Gesellschafter. 2003 folgt ein weiterer Tiefschlag: Die Kohlhepp KG geht insolvent, anschließend wird der Geschäftsbetrieb von der Kohlhepp Logistik GmbH fortgeführt. Etwa seit 2008 ist das Unternehmen im Online-Handel aktiv. Im Jahr 2020 beginnt die Standortverlegung von Bad Kissingen nach Bergrheinfeld. Ziel ist der Ausbau der Lagerlogistik durch die Nähe zum Industriestandort Schweinfurt. Heute umfasst der firmeneigene Fuhrpark 30 Lkw von Daimler und MAN. 110 Angestellte beschäftigt Kohlhepp, davon 66 Fahrer. Der größte Teil des Umsatzes macht die Endverbraucher-Logistik aus (60 Prozent). sn

Fraport erweitert Frachtflächen innerhalb des Frankfurter Flughafens

Am Wochenende Sperrungen auf A1 und A40

Neues Millionenbußgeld im Abgasskandal - Auch Continental soll zahlen

Energiebörse EEX plant Auktionen von grünem Wasserstoff

Cotac Joint Venture in Ludwigshafen nimmt Betrieb auf

Alle Schlagzeilen

Kohlhepp Logistik: Alles im Umbruch

WEITERLESEN

NEWSLETTER