Jeder Sechste ist ein Akademiker

Drei von vier Kollegen haben einen Hochschulabschluss - das ist für Christian Bodi völlig selbstverständlich. "Überall dort, wo es um umfangreiche strategische Verantwortung geht, ist sehr wahrscheinlich ein Akademiker im Einsatz", sagt der Geschäftsführer Logistik bei DM-Drogerie Markt in Karlsruhe. Bodi selbst arbeitet seit 20 Jahren im Supply Chain Management und hat die Professionalisierung des Ressorts hautnah miterlebt. "Heute wissen alle, welchen Einfluss die Logistik auf die Wertschöpfung hat - und wenn man sie richtig betreiben will, dann braucht man dafür gut ausgebildete Kolleginnen und Kollegen", so Bodi. Logistikbranche liegt noch zurück Wie sich die Zeiten ändern: Noch vor wenigen Jahren sorgte es für Schlagzeilen, wenn ein Manager mit Doktortitel die Führung einer Spedition übernahm. Heute sieht die Lage anders aus. "Akademiker sind keine Exoten mehr", sagt Thomas Wimmer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bundesvereinigung Logistik (BVL). Von den 2,9 Millionen Menschen, die aktuell in Supply Chain Management und Logistik tätig sind, hat jeder Sechste einen akademischen Hintergrund, schätzt die BVL. In der Gesamtwirtschaft liegt der Anteil bei einem Drittel. Diese Lücke schließe sich aber, betont Wimmer. "Wer weltweit Geschäfte machen will, braucht Fremdsprachenkenntnisse, interkulturelle Kompetenz und Wissen über komplexe Systeme." Deshalb würden Mitarbeiter mit Hochschulausbildung in der Logistik immer wichtiger. Dass sie selbst bei mittelständischen Dienstleistern häufiger zu finden sind, liegt auch an den Kundenanforderungen. "Wenn aufseiten der Verlader ein Wirtschaftsingenieur agiert, wird auf der Gegenseite ein entsprechend ausgebildeter Partner erwartet", erklärt Andreas Wegner von der NJP Personalberatung. Anspruchsvollere Aufgaben Der Trend lässt sich also auf einen Nenner bringen: Logistik wird immer anspruchsvoller, also muss auch die Ausbildung des Personals anspruchsvoller werden. Das gilt vor allem, weil Logistiker mittlerweile zunehmend sogenannte Mehrwertdienste (Value Added Services) erbringen. Der Dienstleister transportiert nicht nur, sondern kümmert sich um die Entsorgung, repariert Produkte oder führt komplexe Montagen durch; in der Automobilindustrie etwa nähert sich der Fremdanteil 90 Prozent an. Die neue Arbeitsteilung funktioniert aber nur, wenn beim Dienstleister das passende, akademisch gebildete Personal vorhanden ist. "Für komplexe Produktionsprozesse ist es absolut sinnvoll, einen Ingenieur einzusetzen", betont Wegner. Profis mit Diplom sind auch im Großhandel gefragt. "Wir haben im Logistikbereich eine Akademikerquote von gut 12 Prozent", erklärt Bernhard Bingenheimer, Personalchef bei Lekkerland in Frechen. Der Spezialist für Unterwegsversorgung setzt Mitarbeiter mit Hochschulabschluss zum Beispiel im Lagermanagement ein: Sie wählen Standorte aus, treffen Investitionsentscheidungen zur Technik, planen und managen alle Warenströme. "Gefordert wird heute zum Beispiel der versierte Umgang mit Kennzahlen (KPIs); hier kommt man nicht nur mit eigenen Erfahrungen weiter, sondern braucht ein theoretisches Fundament", erklärt Bingenheimer. Akademiker in der Lekkerland-Logistik haben in der Regel ein Studium mit logistischer Vertiefung absolviert, gerne gesehen wird auch, wenn die Universität eine gewisse Nähe zum Handel vorweisen kann (Beispiele sind Uni Köln, Europäische FH Brühl, BVL Campus Bremen oder FH Venlo). Grundsätzlich versucht Lekkerland zwar, den Akademikerbedarf aus eigenen Reihen zu decken, doch ohne Nachwuchs von außen geht es nicht immer. Der kommt gelegentlich auch aus dem Einzelhandel selbst, weil hier schon das Verständnis für kleinteilige Logistik vorhanden ist. "Gute Erfahrungen haben wir auch mit dualen Studenten gemacht", fügt Personalchef Bingenheimer hinzu. Tendenziell sind es die Großen der Branche, die Stellen mit Akademikern besetzen. Doch wie hoch die Nachfrage nach Hochschulabsolventen ist, hat nicht nur mit der Größe eines Unternehmens zu tun. Entscheidender ist, worin dessen Geschäft liegt. Geht es um den reinen Transport, ist eine akademische Bildung weniger relevant, anders sieht es in der Kontraktlogistik und überall da aus, wo man enger mit dem Kunden verzahnt ist. Übrigens: Die Gleichung "Akademiker gleich Personalverantwortung" gilt nicht immer. "Es gibt in der Logistik viele Einzelkämpfer - Prozessmanager ohne Personalverantwortung, die einen hohen Status haben und direkt unterhalb der Geschäftsführung angesiedelt sind", beobachtet Wegner. Wie groß die Chancen in der Logistik sind, hat sich außerhalb der spezialisierten Hochschulen noch nicht herumgesprochen. Darauf deutet jedenfalls eine Umfrage hin, die das Kölner Beratungsunternehmen Universum unter 4760 jungen Akademikern verschiedener Fachrichtungen durchgeführt hat: Dabei schaffte es kein Unternehmen der Logistikbranche unter die Top 50 der beliebtesten Arbeitgeber. Selbst Bundeswehr oder Bundesnachrichtendienst sind aus der Sicht des akademischen Nachwuchses interessanter. Heißt das im Umkehrschluss, dass es reichlich offene Stellen für Akademiker gibt und Bewerber ohne großen Aufwand fündig werden? In diesem Punkt scheiden sich die Geister. BVL-Geschäftsführer Wimmer, selbst Professor an der Universität Bremen, berichtet von exzellenten Einstiegschancen. "90 Prozent der Abgänger stehen sofort im Job, der Rest strebt eine akademische Karriere an." Es gebe einen klaren Nachfrageüberschuss, so Wimmer. Überangebot an Logistikabsolventen? Völlig anders lautet das Urteil von Uwe Borowy, Personalberater aus Hamburg. "Das Gegenteil ist der Fall: Es gibt einen deutlichen Überhang an Kandidaten! Wirklich knapp sind in der Branche derzeit nur Fahrer." Seiner Ansicht nach ist die Logistik keineswegs ein Job-Schlaraffenland. Borowy berichtet zum Beispiel vom Fall eines namhaften Logistikkonzerns, der Studenten mit Bachelor-Abschluss nur magere 1900 Euro als Einstiegsgehalt bietet - laut Umfragen erwarten Absolventen fast doppelt so viel. Allerdings rechnet der Marktkenner damit, dass im Zuge des demografischen Wandels der Nachwuchs knapper wird und die Unternehmen attraktivere Angebote machen müssen. Wonach wählen die Unternehmen Bewerber aus? Grundsätzlich wird von allen Akademikern ein klarer Logistikbezug erwartet, also entweder ein Studium mit passendem Schwerpunkt oder einschlägige Erfahrungen. Lediglich wenn ein Unternehmen für Finanzressort oder Controlling rekrutiert, haben Kandidaten ohne Branchenerfahrung Chancen. Einen der vielen Logistikstudiengänge absolviert zu haben, die in den letzten Jahren aus dem Boden geschossen sind, hilft zwar, ist aber kein Muss. Auch Betriebswirte oder Wirtschaftsingenieure haben gute Chancen. "Logistiker wird man durch Schicksalsschlag", lacht BVL-Mann Wimmer. Damit meint er: Viele Akademiker fangen in völlig anderen Bereichen an und wachsen dann innerhalb des Unternehmens in eine logistische Aufgabe hinein. "Es gibt immer noch Quereinsteiger", so Wimmer. Noten sind nicht so relevant Kommt der Bewerber direkt von der Uni, spielen die Noten anders als früher eine untergeordnete Rolle. Insgesamt messen Personaler den reinen Daten in den Lebensläufen weniger Bedeutung zu - aus einem einfachen Grund: "Alle Noten bewegen sich heutzutage im oberen Drittel und die Lebensläufe der Kandidaten sehen gleich aus - gutes Abi, Auslandsaufenthalt, fließend Englisch", berichtet Uwe Borowy aus seiner täglichen Arbeit. Aber worauf schauen die Firmen dann? Fotos, Gestaltung der Unterlagen und Gesamteindruck zählten mehr, meint der Personalexperte. Experte Wegner sieht zwei Arten von Arbeitgebern. "Der eine will größtmögliche Erfahrung, der andere Kandidaten, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen und formbar sind - dazwischen gibt es immer weniger." Ist das Unternehmen auf der Suche nach dem erfahrenen Profi, der das Geschäft schon versteht, spielen Altersgrenzen in abnehmendem Maß noch eine Rolle. Personalberater Wegner berichtet davon, dass er erst unlängst zwei Kandidaten Mitte und Ende Fünfzig vermittelt hat. Wirtschaftlich-technisches Studium Und was haben die Akademiker im Logistik-Ressort studiert? Üblicherweise sind es Absolventen von technisch-betriebswirtschaftlichen Studiengängen, nur bei speziellen Aufgaben wird auch eine spezielle Ausbildung erwartet. "Wenn sie ins General Management wollen, sollten Sie außerdem mehrere Bereiche kennengelernt haben", erklärt DM-Geschäftsführer Bodi, selbst Maschinenbauingenieur. Logistik könne nicht losgelöst von Einkauf oder Vertrieb gesehen werden. Mehr als andere Unternehmen setzt DM übrigens auf Vielfalt in der Arbeitsgemeinschaft und das bedeutet: Es ist auch immer Platz für Quereinsteiger. "Ein Mitarbeiter, der die physische Logistik unserer Verteilzentren betreut, hat Sport und Biologie studiert", gibt Bodi als Beispiel. Beispiele für Akademiker-Jobs in der Logistik 1. Geschäftsfeldentwicklung (Business Development)Tätigkeit: Er kümmert sich um das Neugeschäft, sichtet Ausschreibungen, erarbeitet Konzepte und Kalkulationen und präsentiert sie beim potenziellen Kunden. Auch an der Umsetzung ist er häufig beteiligt.Voraussetzung: Betriebswirtschaftliches Studium, ein Wirtschaftsingenieur-Studium oder eine Ausbildung mit der Weiterbildung zum Betriebswirt.2. MaterialflussplanerTätigkeit: Er plant, analysiert und optimiert die Warenströme in der Fertigung. Er gestaltet dabei sowohl die Intralogistik (Lager, Verpackung, innerbetrieblicher Transport) als auch die externe Logistik.Voraussetzung: Abgeschlossenes Studium im Bereich Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsingenieurwesen oder Ingenieurwissenschaften mit Schwerpunkt Logistik, Erfahrungen in der Montage, Kenntnisse über Produktionssysteme (Lean Produktion).3. Supply-Chain-Manager BeschaffungTätigkeit: Er verhandelt mit Logistikdienstleistern und Lieferanten, um die Beschaffungslogistik eines Unternehmens aufzubauen beziehungsweise zu verbessern. Vorab erstellt er Datenanalysen und fährt Simulationen. In einigen Betrieben fällt auch der Aufbau eines Kennzahlensystems in seinen Aufgabenbereich.Voraussetzung: Betriebswirtschaftliches Studium, ein Wirtschaftsingenieur-Studium oder eine Ausbildung mit der Weiterbildung zum Betriebswirt. Mehrere Jahre Berufserfahrung in der jeweiligen Branche. cg Veranstaltungs-Tipp Der Logistikmanager 4.0 Unter dem Motto"Der Logistikmanager 4.0 - was Fach- und Führungskräfte künftig können müssen" diskutieren hochrangige Vertreter aus verladender Wirtschaft, Logistikdienstleistung und Lehre am 8. Mai im Forum 1 in der Halle A6 auf der Messe Transport Logistic 2015 in München. Vertreter von Unternehmen wie BMW, Rhenus oder von Hochschulen wie der Technischen Universität Berlin oder der Hochschule Kempten erläutern, welche fachlichen Kenntnisse und persönlichen Eigenschaften sie von ihren Fach- und Führungskräften künftig erwarten und welche Aus- und Weiterbildungsangebote hierbei hilfreich sein können. Die Teilnahme an der VerkehrsRundschau-Veranstaltung ist im Rahmen des Messeeintritts kostenlos. Weitere Informationen im Internet unter www.verkehrsrundschau.de/events. ak

Rekordvolumen auf deutschen Logistikimmobilien-Markt

Software Supply Chain: Maßnahmen zum Schutz vor Angriffen

Rostocker Hafen - Konjunktur bremst Höhenflug beim Umschlag

Autolobby will von der Leyens Klima-Prestigeprojekt verändern

Acea mit neuen Chefs und Forderungen an die EU

Alle Schlagzeilen

Jeder Sechste ist ein Akademiker

HASHTAG

#Personalie

Frankfurt: Lärmpausen können erprobt werden

Dobrindt muss Maut-Berechnung offenlegen

Verkehrskommissarin diskutiert in Berlin über Maut und Mindestlohn

MEISTGELESEN

Lkw-Fahrermangel 2025: 39 Prozent der Fahrer stehen kurz vor der Rente

Speditionen: Geis Gruppe schließt Übernahmen ab

Personal-Wechsel: Neuer Chef für Schenker Deutschland

WEITERLESEN

NEWSLETTER