Im Gespräch mit GLS-Chef Rico Back zu den Vorwürfen des Undercover-Journalisten Günter Wallraff zu den Arbeitsverhältnissen bei dem Neuensteiner Paketdienst
Man sagt: Schlechte Schlagzeilen sind besser als gar keine. Der RTL-Bericht kann Sie trotzdem nicht erfreut haben. Was war Ihre erste Reaktion darauf?
Rico Back: Ich war betroffen von dem was da gezeigt wurde – einerseits von der negativen Darstellung unseres Unternehmens in der Öffentlichkeit, aber auch von den gezeigten Schicksalen. Ich fand es aber schade, dass der Bericht die Sache sehr verkürzt darstellt und nur die Negativfälle thematisiert, die ich gar nicht in Abrede stellen will.
Wallraff wirft GLS unter anderem vor, bewusst mit Arbeitszeiten von zwölf Stunden und mehr zu kalkulieren und diese Bedingungen quasi zu diktieren. Kalkulieren Sie auf dieser Grundlage?
Die Arbeitszeiten der Fahrer sind überhaupt nicht Teil unserer Kalkulation, weil wir mit ihnen keine vertragliche Beziehung haben. Die Fahrer sind Angestellte der Transportunternehmen, die für uns eine Dienstleistung erbringen. Und für die Vergütung der Transportunternehmen verwenden wir Kalkulationssystematiken die individuell vom Arbeitsumfang und Aufwand abhängen. Die Vergütung der Unternehmen ist abhängig von vielen Faktoren und ist Ergebnis einer Verhandlung. Wir vergeben Postleitzahl-Gebiete, in denen zugestellt wird. Wie die dann geplant werden, liegt in der Verantwortung der Unternehmen.
Eine Studie der Uni Jena belegt, dass die Arbeitsbelastung in der Paketzustellung zugenommen hat. Geht der Wettbewerb zulasten des Fahrers als letztes Glied in der Kette?
Wir sind genau wie unsere Kunden einem ständigen Optimierungszwang unterworfen. Sie müssen ihren Kunden ein wettbewerbsfähiges Produkt anbieten und erwarten dafür von uns eine wettbewerbsfähige Leistung. Kein Zweifel: Die Anforderung an die Transportunternehmen, die in den Zustellgebieten tätig sind, ist gestiegen - durch die höhere Vielfalt der Produkte oder durch den Einsatz von immer mehr IT. Die Branche kämpft zudem mit einem akuten Fahrermangel. Es ist sicher kein einfacher Job, heute Pakete zuzustellen.
Ein Wort zur Vergütungspraxis. Sind die im Wallraff-Bericht genannten Zahlen von 1,20 – 1,40 Euro pro zugestelltem Paket branchenüblich?
Die Bezahlung der Unternehmen kann nicht darauf verkürzt werden, wie viel pro Paket bezahlt wird. Am Ende zählt, wie viel Umsatz ein Fahrzeug im Monat macht und wie viel Aufwand dahinter steht. In die Vergütung spielen viele Faktoren hinein: Kraftstoffzuschläge, Zuschläge für Sonderprodukte etc. Wir bezahlen zwischen 3800 und 7000 Euro pro Fahrzeug und Monat. Wir sprechen von sehr unterschiedlichen Zustellgebieten mit unterschiedlicher Abholdichte und unterschiedlichen Produkten. Es macht eben einen Unterschied, ob Sie in Paderborn zustellen oder in München.
Was tut GLS, um die Arbeitsbedingungen in der Branche zu verbessern?
Die aktuelle Diskussion nehmen wir zum Anlass, um uns dem Thema intensiver zu widmen. Konkret wollen wir uns mit den Transportunternehmen zusammensetzen und darüber sprechen, was wir als GLS im System besser machen können. Das ist jetzt in allen Standorten angelaufen. Daraus werden wir Programme ableiten.
Wo könnte man konkret den Hebel ansetzen – die Leute besser bezahlen?
Unsere Initiative wird zu einem System führen, in dem wir uns verpflichten, die Bedingungen insgesamt zu verbessern. Das meint nicht nur die Bezahlung, sondern vor allem die Frage, wie wir, aber auch die Transportunternehmen, Prozesse verbessern können, wie beispielsweise Touren besser geplant werden oder durch elektronische Systeme sichergestellt werden kann, dass die Lenkzeiten eingehalten werden. Wir werden auf jeden Fall darauf achten, dass die gesetzlichen Grundlagen eingehalten werden und dies auch stärker kontrollieren.
Was kann die KEP-Branche tun, um ihr angekratztes Image zu verbessern?
Das Image einer Branche ist wichtig. Wir dürfen daher nicht über die Vorwürfe hinweg gehen und so tun, als wäre nichts passiert. Wir sind jedenfalls willens, uns kooperativ mit allen Wettbewerbern zusammenzusetzen und zu überlegen, was zu tun ist. Ein Branchengespräch mit allen Beteiligten wäre ein erster Schritt.
Interview: Dietmar Winkler