Goslar. Künftig soll für alle Fahrzeuge auf allen Straßen Maut gezahlt werden. Das hat der Verkehrswissenschaftler Karl-Hans Hartwig, Professor an der Universität Münster, vor dem 45. Verkehrsgerichtstag gefordert, der am Mittwoch in Goslar beginnt. Gleichzeitig müssten die Kraftfahrzeug- und Mineralölsteuern gesenkt werden. Anders als bisher sollten Bau und Unterhalt von Straßen nicht mehr aus Steuergeldern, sondern aus den Nutzungsgebühren bezahlt werden, sagte Hartwig. Der Staat mit seinen defizitären und konjunkturabhängigen Haushalten sei sonst nicht in der Lage, das ohnehin schon Not leidende Straßennetz aufrecht zu erhalten. Bedarfsgerechte Verkehrswege seien eine unabdingbare Voraussetzung für ein Gedeihen der Wirtschaft, sagte Hartwig. Da in Deutschland aber schon lange zu wenig Geld für eine gute Verkehrsinfrastruktur ausgegeben werde, entwickele sich diese immer mehr vom „Wachstumstreiber“ zur „Wachstums- und Wohlstandsbremse“. Die Folgen seien schon jetzt unübersehbar: Es gebe vor allem auf den Autobahnen, aber auch auf anderen Straßen in den Ballungsräumen zunehmend Kapazitätsengpässe. Zudem verschlechtere sich der Zustand der Straßen immer weiter. Da sowohl der Güter- als auch der Personenverkehr in den kommenden Jahren weiter wachse, könne nur ein grundsätzliches Umdenken Abhilfe schaffen, sagte der Forscher. Er forderte, die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur aus den öffentlichen Haushalten zu lösen und sie stattdessen einer unabhängigen Institution zu übertragen. Diese Einrichtung solle dann die Nutzungsgebühren der Verkehrsteilnehmer zur Finanzierung der Verkehrswege verwenden. „Damit wäre nicht nur die Abhängigkeit von der jeweiligen Haushaltslage beseitigt“, sagte Hartwig. „Das streckenbezogene Gebührenaufkommen würde auch signalisieren, ob und wo sich weitere Investitionen in das Straßennetz lohnen“. Wo die Gebühren, wie etwa in bevölkerungsarmen ländlichen Regionen, nicht ausreichten, müssten staatliche Zuschüsse zum Straßenbau fließen. Die Nutzungsgebühr kann nach Hartwigs Vorstellung auch dazu beitragen, die immer länger werdenden Staus auf Deutschlands Straßen zu verkürzen. In verkehrsreichen Zeiten müsse die Gebühr höher sein als sonst. Autofahrer, die wenig für die Straßennutzung zahlen wollten, würden dann in verkehrsärmere Zeiten gelenkt. „Es wäre wie bei Hotels oder Fluglinien in der Hauptsaison“, sagte der Verkehrswissenschaftler. Auslastungsabhängige Gebühren seien zudem „die einzige ernst zu nehmende Alternative, wenn - wie in hoch verdichteten Ballungsräumen - der Straßenausbau nicht möglich ist“. Der Präsident des Auto Clubs Europa (ACE), Wolfgang Rose lehnt Hartwigs Pläne mit der Maut für alle nicht grundsätzlich ab. Die bisherige Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur stehe nämlich auf einem unsicheren Fundament, sagte Rose der dpa. Für die Autofahrer müsse eine geänderte Finanzierung unter dem Strich aber kostenneutral sein. Der ADAC sei gegen eine generelle Maut, sagte dagegen ADAC-Sprecher Andreas Hölzel. Durch die Mineralölsteuer und die LKW-Maut sei genug Geld für den Fernstraßenbau vorhanden. Es müsse nur richtig eingesetzt werden. Derzeit fließe nur etwa ein Drittel der jährlich eingenommenen 53 Milliarden Euro in den Straßenbau. (dpa/sb)
Forscher fordert Maut für alle
Zustand der Straßen immer schlechter: Nutzungsgebühr soll künftig Bau und Erhalt der Infrastruktur finanzieren