INQA-Coaching als Erfolgsfaktor: Wie Europfast die digitale Transformation vorantreibt

"Der Wandel ist spürbar. Ich möchte ihn aktiv mitgestalten in unserem Bereich, der Logistik", sagt Güray Saritas, Geschäftsführer der Europfast Internationale Spedition. Das Unternehmen mit Sitz in Neuhausen auf den Fildern und einer Niederlassung im spanischen Valencia ist europaweit in der Messe- und Eventlogistik tätig und beschäftigt insgesamt 15 feste Mitarbeiter. Doch wie lässt sich die Transformation von einer klassischen Spedition in ein digitales Logistikunternehmen gestalten? Dazu holte sich Firmenchef Saritas im vergangenen Jahr Unterstützung von der INQA - der Initiative Neue Qualität der Arbeit. Seit 2002 hilft sie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) dabei, sich zukunftsfest aufzustellen. Initiiert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und von diesem und der EU (ESF Plus) gefördert, werden Betriebe und ganze Branchen in Coachingprogrammen und Experimentierräumen mit neuen Taktiken auf Umstrukturierung und Veränderung vorbereitet. Hilfe durch Coaching In einem Vorgespräch in der INQA-Beratungsstelle Region Mittelhessen und Wetteraukreis Mitte November stellte Saritas sein Unternehmen und dessen Struktur vor. In einer anschließenden Erstberatung mit INQA-Mitarbeiter Thomas Marterer Anfang Dezember erklärte dieser das Förderprogramm und das Vorgehensmodell des Coachings. Braucht ein Unternehmen etwa Hilfe im Bereich "Führung, berufliche Entwicklung & Karriere" , unterstützt der INQA-Coach bei der Digitalstrategie zur Mitarbeitergewinnung und -bindung. Es wird beispielsweise eine Bewerbermanagement-Software ausgewählt, um die Mitarbeitergewinnung oder das Aufgaben- und Wissensmanagement zu digitalisieren. Auch die Fachkräftequalifizierung, das Onboarding, das Managen von Diversität oder Karriere-Entwicklungsprogramme können fokussiert werden. Saritas und Marterer ermittelten gemeinsam die für Europfast zentralen Gestaltungsfelder "Neue Geschäftsmodelle & Innovationsstrategien" und "Personalpolitik, Beschäftigung & Qualifizierung". Dabei geht es etwa um Digitalisierung, ganzheitliche Lösungen für Kunden und Lieferanten sowie ökologische und soziale Nachhaltigkeit. Den Wandel mitgestalten Damit war der erste Schritt getan: "Mir hat das Beratungsanliegen von Herrn Saritas von Beginn an gut gefallen, da es zukunftsorientiert ist, ein digitales Geschäftsmodell anstrebt, dem Kunden durchgängig einen digitalen Weg aufzeigt und notwendige Anpassungen bei diesem mitdenkt", erinnert sich Marterer. Besonders überzeugt hat Saritas die Verknüpfung von Innovation, Nachhaltigkeit und Mitarbeiterentwicklung - mit praxisnaher Unterstützung durch geprüfte Coaches, die sich zuvor auf der INQA-Plattform autorisieren lassen. Diese arbeiten selbstständig oder kommen von anderen Unternehmen, wie etwa der BWcon - einem Verein zur digitalen Transformation, in dem Saritas Mitglied ist. So auch Coach Anne Dröge, die den Ablauf erklärt: "Das Ziel ist, zunächst ein Konzept zu erstellen, ein Business-Model zu kreieren und sich auch zu fragen, wie man das in die Umsetzung bekommt, also eine technische Betrachtung zu machen." Das war hilfreich: "Wir wussten, dass man den Fokus auf den Kern des Erfolges richten muss. Aber manchmal verliert man sich sehr schnell in Ideen, die Vision wird zu groß und das dann auf einen relevanten Kernbereich herunterzubrechen- dazu braucht man, denke ich, ein gutes Coaching", so Saritas "Und das haben wir erlebt. So konnten wir unsere größte Erfolgswahrscheinlichkeit in der nachhaltigen Logistik festmachen", erzählt er. Herausforderungen für KMU Saritas muss sich auf den Erfolg konzentrieren, denn die Krisen der vergangenen Jahre trafen KMU wie seines besonders. Sie wurden von digitalen und ökologischen Umwälzungen und daraus folgenden Investitionserfordernissen begleitet. Im Verkehrsgewerbe herrscht zudem Fachkräftemangel. "Dazu kommt, dass einige Unternehmen die öffentlichen Coronahilfen nutzten, aber jetzt zum Teil diese Hilfen zurückzahlen müssen. Wenn aber Unternehmen bislang den Turnaround nicht schafften, können diese nunmehr zahlungsunfähig werden", erklärt Peter Kranzusch vom Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn. "Von den Insolvenzen sind mehrheitlich Kleinstunternehmen betroffen, wobei es im Jahr 2024 aber überproportionale Zuwächse bei kleinen und mittleren Unternehmen gab", bestätigt er. Von einer Insolvenz war Europfast zwar nicht bedroht, trotzdem spürte man die Herausforderung: "Nach der Coronakrise kamen die Personalkrise und natürlich auch der digitale Veränderungsdruck", erzählt Geschäftsführer Saritas. Dem wollte er sich stellen und bei der Transformation in der Logistikbranche Pionierarbeit leisten. Fortschritt im Projekt "Man kann die Komplexität der nachhaltigen Logistik nicht von heute auf morgen umsetzen", so Saritas. "Wir haben bisher einen Plan aufgestellt und auf unserer Plattform ein Reporting-System erstellt, das ermittelt, an welcher Stelle in diesem Eco-System am meisten CO2 ausgestoßen wird", so Sarita im Gespräch mit der VR Anfang April, etwa zur Halbzeit des INQA-Programms, das auf sechs Monate ausgelegt ist. "Wir haben uns auch zusammen die Kunden angesehen. Bei Europfast sollen vier Zielgruppen das digitale Produkt nutzen. Aus unserer Übersicht kristallisiert sich dann am Ende eine Produktbeschreibung raus", erklärt Coach Dröge weiter. In der nächsten Phase soll geprüft werden, welche Technologien involviert werden können. Etwa ein E-Lkw. "Das ist aber der dritte Schritt, damit dieser an der richtigen Stelle eingesetzt wird", betont Saritas. "Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur, dass der CO2-Ausstoß reduziert wird, sondern auch die Rahmenbedingungen der Mitarbeiter zu verbessern, Prozesse zu optimieren und die Arbeitslast zu reduzieren", ergänzt er. INQA: Coaching vs. Experimentierräume Das INQA-Coaching unterstützt kleine und mittlere Unternehmen mit einer professionellen Beratung dabei, passgenaue Personalstrategien zu entwickeln und gemeinsam mit den Beschäftigten digitale Lösungen zu erproben. Währenddessen sind die "Experimentierräume" ein Beratungsprogramm von INQA für mehrere Unternehmen einer Branche. Zum Beispiel könnten sich Transport- und Logistikbetriebe zu einem der Schwerpunktthemen - Führung, Diversity, Gesundheit oder Kompetenz - zusammenfinden. Bei der Entwicklung innovativer Lösungen für die Gestaltung der Arbeitswelt sollen Mitarbeiter sowie externe Einrichtungen wie Institute und Hochschulen einbezogen werden. Derzeit liegt jedoch kein Förderaufruf vor. Mitarbeiter einbinden Ein weiterer Aspekt ist Saritas wichtig: "Wie ich die Mitarbeiter weiterentwickeln und sie auf neue Situationen einstellen kann, war für mich ganz zentral." Die Einbindung der Beschäftigten ist bei INQA essenziell: In einem Lab-Team erarbeiten ausgewählte Mitarbeiter selbst Lösungsstrategien. "Eine Vision lebt mit den Mitarbeitern. Ohne Mitarbeiter kann eine Vision schön klingen und wirken, aber sie bleibt dann nur eine Vision", betont Saritas. Das Feedback sei durchweg positiv, ergänzt der Geschäftsführer: "Es holt die Mitarbeiter aus ihrer Komfortzone und bringt sie dazu, zu überlegen. Und da kommen sehr, sehr viele Ideen." Auch für Coach Dröge ist dies ausschlaggebend: "Jeder Mitarbeiter hat sein Spezialgebiet und es ist relevant, dass sie ihre Expertise bei der Entwicklung eines neuen Produktes einfließen lassen." Das habe noch einen weiteren Vorteil: "So lernt der Chef, Verantwortung abzugeben und den Experten diese Verantwortung auch entsprechend zu übertragen", erklärt Dröge. Förderung noch bis 2027 In den Arbeitsphasen investiert jeder Mitarbeiter des Lab-Teams pro Woche etwa eineinhalb Stunden seiner regulären Arbeitszeit. Die auf bis zu sieben Monate verteilten zwölf Tage à acht Stunden Coaching kosten 14.400 Euro netto, das wird aber zu 80 Prozent gefördert. Der Eigenanteil der Betriebe liegt bei etwa 2880 Euro. Saritas registriert, dass "man in so einer Umsetzungsphase schon merkt, dass es das Tagesgeschäft beansprucht." Zudem kritisiert der Firmenchef die Bürokratie, da die Beratung im Voraus zu zahlen ist, er dann aber sehr lange auf die Auszahlung warten müsse - INQA zufolge durchschnittlich drei Monate. "Man muss es dennoch zu schätzen wissen", betont Saritas. Eine Förderung sei immerhin nicht selbstverständlich. Apropos: Noch bis 2027 können KMU die Förderung im Programm INQA-Coaching in Anspruch nehmen und sich im ersten Schritt an die regionalen INQA-Beratungsstellen wenden.