„Faszinierende Verzahnung mit dem Gewerbe“

Interview „Faszinierende Verzahnung mit dem Gewerbe“ Warum der Versicherer Kravag sich um größere Unternehmen bemüht, mit welchen Strategien das Unternehmen wieder in die Gewinnzone kommen möchte und wie es um die Anhängerhaftung steht, beantwortet im Interview Kravag-Chef und R+V-Vorstand Norbert Rollinger. Herr Rollinger, 2010 verzeichnete die Kravag-Logistic ein Ergebnis von minus 6,8 Millionen Euro, Kravag-Allgemeine von minus 4,9 Millionen Euro. Wann schreibt die Kravag wieder schwarze Zahlen? Ich gehe davon aus, dass wir in diesem Jahr schwarze Zahlen schreiben werden. Als rheinischer Optimist bin ich davon überzeugt, dass unsere Planungen aufgehen werden und im Moment habe ich auch keinen Anlass, daran zu zweifeln. Das heißt, auf der Delegiertenversammlung im Juni werden Sie für 2011 noch keine erfreulichen Ergebnisse präsentieren können? 2011 werden wir versicherungstechnisch noch einen Verlust schreiben, der im Vergleich zu 2010 jedoch geringer ausfällt. Die Trendwende ist geschafft, aber das Ergebnis ist noch nicht ausgeglichen. Wir werden also auch weiterhin alle Anstrengungen unternehmen müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Warum sind die Zahlen immer noch nicht so, wie sie sein sollten? 2011 hatten wir einen harten Winter, außerdem eine boomende Konjunktur. Beides hat die Schadensituation weiter angespannt. Entgegen unseren Prognosen verzeichnen wir sowohl im gewerblichen als auch im privaten KFZ-Geschäft steigende Schadenhäufigkeiten. Seit Mitte der 1990er-Jahre sind die Schadenzahlen Jahr für Jahr tendenziell zurückgegangen. Leider ist dieser Trend seit zwei Jahren gebrochen. Wir verzeichnen rund fünf Prozent mehr Personenschäden im Markt, bei den gewerblichen Schäden sind es zwei bis drei Prozent mehr. Wie sieht es mit den Beitragseinnahmen aus? Die haben wir 2011 gesteigert. Wir liegen insgesamt – Transport und KFZ – um etwa acht Prozent höher. Aufgrund von Prämienerhöhungen? Es ist ein Mix aus Prämienerhöhungen, Sanierungen und leicht gestiegenen Stückzahlen. Dabei sind die Prämienerhöhungen sehr unterschiedlich ausgefallen. Sie lagen zwischen fünf und zehn Prozent, das ist marktkonform. Wie viel teurer wird es 2012 für die Versicherten? Normalerweise passen wir die Beiträge Mitte des Jahres oder im Herbst an. Dann werden wir uns sehr genau den Schadenverlauf ansehen. Bis jetzt läuft alles gut: Die trockene Kälte im Januar hat dazu beigetragen, dass die Schadenaufwendungen geringer waren als 2011. Für weitere Prognosen ist es jetzt aber noch zu früh. Sie hatten auf der letzten Delegiertenversammlung deutliche Sanierungen bestehender Verträge angekündigt. Wie ist das umgesetzt worden? Wir möchten mit unseren Kunden generell langfristige Geschäftsbeziehungen pflegen. Das geht aber nur, wenn beide Seiten auch Spaß daran haben, sprich, wenn beide auch die Chance haben, Geld zu verdienen. Wenn wir sehen, dass Verbindungen über lange Jahre sehr schadenträchtig sind, müssen wir auch mal unangenehme Entscheidungen treffen und die Prämien anheben. Da hilft uns zugegebenermaßen die härtere Marktentwicklung, diese Maßnahmen durchzusetzen. Natürlich differenzieren wir zwischen Kunden mit Großschäden und denen, die systematisch viele Schäden produzieren, weil sie beispielsweise keine guten Fahrer haben. Das analysieren wir genau. Wer einen Großschaden hat, den lassen wir nicht im Regen stehen. Aber auch dort müssen wir die Chance haben, in den nächsten Jahren wieder etwas zu verdienen. Andererseits ist es nicht so leicht, an gute Fahrer zu kommen. Die Nachwuchssorgen des Gewerbes spüren wir ebenfalls. Wir stellen fest, dass die neu eingestellten Fahrer teilweise nicht sehr qualifiziert sind. Von der erhöhten Schadenquote habe ich ja schon gesprochen. Wer in die Fahrerausbildung investiert, der spart nicht nur bei der Versicherungsprämie, sondern hat auch weniger Ärger in seiner Kundenbeziehung. Grundsätzlich kann ich aber sagen, dass das Risikomanagement in den Unternehmen immer professioneller wird. Beim Thema Versicherung kommt man seit einiger Zeit automatisch zur Anhängerhaftung, die für starke Unruhe gesorgt hat. Die Entwicklung ist für uns alle sehr unbefriedigend. Da hat sich die Branche ein Urteil eingefangen, wonach bei einem Schaden nicht mehr wie bisher im Wesentlichen die Zugmaschine belangt wird. Die jetzt ausgesprochene hälftige Teilung zwischen Zugmaschine und Anhänger schafft ein Missverhältnis zwischen Schäden und Beiträgen. Die Anhänger, für die geringe Beiträge genommen werden, bekommen eine enorme Schadenlast. Die Zugmaschinen erhalten eine entsprechende Entlastung. Wir streben – gemeinsam mit der Transportbranche – danach, den alten Rechtszustand zurückzubekommen. Wer momentan Anhänger und Zugmaschine bei verschiedenen Versicherern untergebracht hat, bekommt mit seinem Anhänger gerade ein Problem. Ganz schwierig wird es bei reinen Anhängerflotten. Hier müssen wir entsprechende Versicherungsbeiträge zugrunde legen. Wie weit werden die Preise erhöht? Die Beiträge für Anhänger können zwischen Faktor null und Faktor 15 nach oben gehen. Das hängt unter anderem davon ab, wie und wie häufig der Anhänger eingesetzt wird. Diese neuen Tarifierungsmerkmale mussten wir sozusagen aus der Not heraus schaffen. ➞ Wie wahrscheinlich ist es, die alte Rechtslage wiederherstellen zu können? Es gibt eine grundsätzliche Einigung mit der Politik. Bei anderen fiskalischen Themen gibt es aber noch Diskussionsbedarf. Da alle diese Themen in einem Gesamtpaket verabschiedet werden sollen, verzögert sich die Lösung des Problems. Eigentlich hätte es zum 1. Januar 2012 über die Bühne gehen sollen. Jetzt müssen wir noch ein weiteres Jahr überbrücken und mit den Verwerfungen bei den reinen Anhängerflotten zurechtkommen. Sie haben vergangenes Jahr die Kravag-Logistic-Police (KLP) um die „KLP-blau“ und die Forderungsausfallversicherung ergänzt, die durch die R+V gezeichnet werden. Wie laufen die Produkte? Die KLP haben wir jetzt um die drei neuen Bausteine Rechtsschutzversicherung, Managerhaftpflicht und die Versicherung gegen Internet- und Wirtschaftskriminalität erweitert. Da wir gerade erst mit der Vermarktung begonnen haben, können wir noch keine Zahlen nennen. Aber die Resonanz aus dem Vertrieb ist sehr positiv: Zusammen mit der Verkehrshaftungsversicherung und der Betriebshaftpflicht können Unternehmer jetzt alle wesentlichen Risiken mit einer Police absichern. Gut nachgefragt wird die Forderungsausfallversicherung. Sie hilft der Logistikbranche – die ja nicht so kapitalisiert ist, dass sie alle Stürme wegstecken kann –, stabil durch die Unwägbarkeiten des Marktes zu kommen. Was steht für 2012 auf dem Programm? Außer der KLP blau planen wir für dieses Jahr keine neuen Produkte. Hier sind wir bereits sehr gut aufgestellt. Jetzt kommt es darauf an, die Vertriebspartner an uns zu binden. Das erreichen wir beispielsweise durch die Modifizierung bestehender Produkte. Gemeinsam mit der AMÖ, dem Bundesverband Möbelspedition und Logistik, haben wir gerade eine modifizierte KLP auf den Weg gebracht und den Versicherungsschutz speziell auf die Bedürfnisse der Möbeltransporteure zugeschnitten. In der AMÖ-KLP versichern wir unter anderem die Lagerung des Umzugsguts, Installationsarbeiten an Haushaltsgeräten oder die Rückladung nach Umzügen. Außerdem gibt es bei der Umzugstransportversicherung die Wahlmöglichkeit zwischen Neu- und Zeitwert. Sie sind auch mit dem Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV) eine Vertriebskooperation eingegangen. Traditionell vertreiben doch die Straßenverkehrsgenossenschaften (SVG) die Kravag-Produkte? Eines vorweg: Unsere Partner seit 60 Jahren sind die SVGen und der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Und das soll auch so bleiben. Auf der anderen Seite verschenken wir aber auch Chancen, wenn sich der DSLV für einen Exklusivvertrag mit einem anderen Versicherungspartner entschieden hätte. Viele DSLV-Mitglieder sind gute SVG-Kunden und haben Doppelmitgliedschaften beim BGL. Das hat uns bewogen, mit dem DSLV ins Gespräch zu kommen. Wir sind mit dem Verband jetzt eine Partnerschaft eingegangen und wollen gleichberechtigt unsere Produkte anbieten. Hier haben wir es in der Regel mit etwas größeren Unternehmen zu tun als im BGL. Aber auch für sie haben wir die passenden Versicherungslösungen. Wir vertreiben weiter über die SVG – der Kontakt kommt aber über den DSLV. Sie öffnen sich verstärkt größeren Betrieben? Wir müssen unseren ertragsorientierten Wachstumskurs fortsetzen. Wenn wir die Chance haben, auch mit größeren Gesellschaften und neuen Vertriebspartnern ins Geschäft zu kommen, sind wir hier selbstverständlich offen. Ich wage die Prognose, dass wir in diesem Jahr die magische Schallgrenze von einer Milliarde Euro Beitragsvolumen überschreiten. Damit sind wir durchaus ein potenter Partner am Markt, auch für größere Einheiten. Allerdings liegt unser Fokus sehr stark auf Deutschland, das ist bei größeren Unternehmen eher ein Hindernis. Streben Sie deshalb mehr Internationalität an? Wir untersuchen das Thema sehr intensiv und haben schon verschiedene Konzepte geprüft. Den Stein der Weisen konnten wir aber noch nicht finden. Nur wenn es eine Nachfrage gibt, lohnt es sich für uns auch, zu investieren. Wie blicken Sie als Versicherungsfachmann auf die Branche? Mich fasziniert die enge Verzahnung zwischen der Kravag und dem Gewerbe. Die Produkte und der Service sind genau auf die Bedürfnisse der Branche zugeschnitten und werden deshalb sehr gut angenommen. Das Vertrauen der Unternehmer zeigt sich auch in Zahlen: Kravag ist im vergangenen Jahr wieder marktüberdurchschnittlich gewachsen. Aber das macht das Geschäft auch schwierig, gerade wenn Sie mehr Prämien haben wollen. Teils ja, teils nein. Das Vertrauen und auch die Transparenz sind größer als bei anderen Versicherern. Wenn das Vertrauensverhältnis nicht so groß wäre, wäre es sicherlich schwieriger. ❙❚■ Birgit Bauer, Eva Hassa Hat Vertrauen in das Gewerbe: Kravag-Vorsitzender Norbert Rollinger im Gespräch mit den VerkehrsRundschau-Redakteurinnen Birgit Bauer und Eva Hassa (von links) Unternehmen Kravag – ein Unternehmen der R+V-Versicherung Die Gründung der Kravag-Versicherungen geht auf das Jahr 1950 zurück, als sieben Straßenverkehrs-Genossenschaften die heutige Kravag-Sach Versicherung des Deutschen Kraftverkehrs VaG ins Leben rufen. Mit der R+V arbeitet Kravag schon seit 1996 zusammen – zunächst in der Rechtsschutzversicherung und der Krankenversicherung. 1997 nimmt die Kravag-Allgemeine ihren Geschäftsbetrieb auf. Aufgrund der guten Zusammenarbeit gründeten die Kravag-Sach und die R+V Allgemeine 1999 die Kravag-Logistic Versicherungs-AG. Der Spezialversicherer im Hause R+V ist zuständig für Nutzfahrzeug- und Transportversicherungen. Die Kravag-Gesellschaften Logistic und Allgemeine verzeichneten in den letzten beiden Jahren steigende Beitragseinnahmen und Marktanteile. Allerdings hatte das Unternehmen auch mit einer hohen Schadenquote und einem schwierigen Markt zu kämpfen und verbuchte 2010 Verluste. bb Versicherungsexperte Norbert Rollinger: Verwerfungen bei reinen Anhängerflotten Vita Norbert Rollinger Aufklärungspflichten bei Börsentermingeschäften – mit diesem Thema wurde Norbert Rollinger (47) an der Universität Gießen zum Dr. iur. promoviert. Studiert hat er Rechtswissenschaften und Betriebswirtschaft in München. 1990 startete der Luxemburger seine Karriere bei der Unternehmensberatung McKinsey & Company in Düsseldorf und Köln. Im Versicherungsbereich arbeitet er bereits seit 1995 in verantwortlichen Positionen, zuletzt als Komposit-Vorstand bei der Generali Versicherung in München und Vorstand der Volksfür-sorge Versicherungsgruppe, Hamburg. Seit 1. Januar 2010 ist Rollinger im Holding-Vorstand der R+V für das gesamte Kompositver-sicherungsgeschäft der R+V verantwortlich. Seitdem ist er auch Vorstandsvorsitzender der Kravag-Gesellschaften in Hamburg. bb Interview Interview