Fahrer testen die Fahrmaschine

Ein silberner und ein blauer Volvo FH in der Performance Edition warten auf dem Euro Rastpark Schweitenkirchen an der A 9 und auf ihre Tester. Ihre Ausstattung klingt nicht nach typischem Unternehmer-Lkw: 540 PS, Doppelkupplungsgetriebe, Einzelradaufhängung, elektrohydraulische Servolenkung, Vollausstattung - will heißen: alle elektrischen und elektronischen Helfer für eine sparsame, sichere und komfortable Fahrt sind an Bord - sowie eine in Leder möblierte Kabine. Aber, dieser Lkw könnte ein Instrument sein, Fahrer für gute Leistungen zu belohnen und ans Unternehmen zu binden. Ob der Volvo FH 540 Globetrotter XL Performance Edition das Zeug dazu hat, haben sechs Berufskraftfahrer im Fahrertest der VerkehrsRundschau beurteilt. Skepsis bei Lenkung und Federung "Ich liebe ihn", strahlt George Lazidis nach einer kurzen Runde über den Autohof. Sein eigenes Arbeitsgerät ist auch ein Volvo FH - allerdings ein etwas in die Jahre gekommener FH 12 460 mit Euro-3-Maschine. Lazidis würde sofort tauschen. Der Grieche ist der einzige der Tester, der sich, bevor er die Kabine betritt und auf den Ledersitzen Platz nimmt, die Schuhe auszieht. Lenkung, Rundumsicht und die größere Kabine empfindet er im Vergleich zu seinem FH als echte Verbesserung. Die Handbremse hingegen sei "ungewohnt". Die elektrische Feststellbremse löst sich beim Tritt aufs Gaspedal automatisch. Alle anderen Testfahrer drehen eine größere Runde zur Probefahrt. Ihre Tour führte sie über die A 9 Richtung Nürnberg bis zum Autobahndreieck Holledau, von dort weiter auf der A 93 bis Wolznach und wieder zurück. Andreas Rust ist dagegen noch nie einen Volvo gefahren. Seine Chefs hatten immer andere Marken im Fuhrpark. Aktuell steuert er einen Mercedes-Benz Actros 1846. Rust ist sich nicht sicher, ob der FH wirklich so viele Extras benötigt. "Ich hatte mal einen Daimler mit Vollluftfederung. Ob man die Einzelradaufhängung wirklich braucht, ist so eine Sache", äußert er sich aufgrund seiner Erfahrungen skeptisch. Offensichtlich sind die aktuellen Fahrwerke so gut, dass selbst Fahrer derart teure technische Spielereien für verzichtbar halten. Ähnlich beurteilt der Actros-Fahrer die mit Elektromotoren unterstützte Servolenkung (Dynamic Steering). Auch sie wäre für ihn nicht unbedingt nötig. Insgesamt findet er, dass der Volvo durch die beiden Extras "mehr schwimmt" als sein Daimler und "vorne sehr leicht" ist. Dafür macht das Doppelkupplungs-Getriebe (I-Shift) mehr Eindruck auf Rust: "Mein Daimler schaltet sehr langsam." Zudem seien die Gangwechsel überhaupt nicht zu spüren. Dass neben den Sitzen auch der restliche Innenraum samt Armaturentafel mit Leder ausgekleidet ist, beurteilt der Fahrer positiv: "Man schwitzt weniger, es flust nicht und lässt sich leichter sauber halten als grober Kunststoff." Gegenüber seinem Mercedes attestiert der 1,95-Meter-Mann dem FH einen besseren Sitz und mehr Beinfreiheit. Dass in dem wohnlichen Innenraum so wenig vom Motor zu hören ist, findet Rust schon fast ein wenig schade: "Es ist doch schön, wenn man die Maschine arbeiten hört." Frank Greubel aus Ramsthal bei Bad Kissingen fährt zurzeit mit einem älteren Volvo FH für die niederländische Spedition Bolk. Anders als Rust mag er die Einzelradaufhängung: "Du hast ein viel softeres Lenkgefühl, vor allem in Verbindung mit der elektrischen Lenkung." Geschmäcker sind eben verschieden. Mit dem Doppelkupplungs-Getriebe findet noch ein weiteres Schmankerl aus dem Test-Truck Anklang bei Greubel. "Wahnsinn, das Getriebe schaltet butterweich ohne jeglichen Kraftverlust. Das bringt besonders bergauf wichtige Meter." Den topografieabhängigen Tempomaten (I-See) empfindet er als Bereicherung, vor allem im direkten Vergleich zu seinem Lkw. Die volle Punktzahl gibt Greubel auch für die anderen Fahrer-Assistenzsysteme: "Wären die überall an Bord, gäbe es garantiert viel weniger schwere Unfälle." Nach seiner Runde im FH gibt der (Test-) Fahrer noch einen Hinweis an die Unternehmer: "Wenn alles immer mehr reglementiert wird, hast du mit einem Truck, der so viel kann, deutlich mehr Spaß an der Arbeit." Neben der Ausstattung hat daran die Motorleistung ihren Anteil: "Mit 540 PS bist du in jeder Situation ausreichend motorisiert." Kamera hilft beim Abbiegen Mit 24 Jahren ist Benjamin Agoston aus dem rumänischen Simleu Silvaniei der jüngste unter den Testern. Seit Dezember 2016 ist er selbstständig als Lkw-Fahrer und betreibt zwei Volvos älteren Baujahrs. Ihm schmecken die Zutaten: die Optik, die coole Technik und die Sicherheitsaspekte machen Eindruck auf ihn - und natürlich die 540 PS: "Hätte nie gedacht, dass wir mit 40 Tonnen unterwegs sind", entfährt es ihm während seiner Testfahrt. "Schon beim Einsatz der Motorbremse merkst du, was der Truck für eine Power hat." Die Kamera beim Rechtsabbiegen findet er "super sinnvoll". Sie soll die Spiegel nicht ersetzen, sondern ergänzen. Ihr Bild wird im Display vor dem Fahrer angezeigt und verrät ihm, ob sich jemand im Gefahrenbereich tummelt oder nicht. Das soll die meist tragisch endenden Rechtsabbiege-Unfälle vermeiden helfen. DAF-Fahrer Thomas Kohn hat nur noch ein Jahr bis zur Rente. Die in die elektrische Handbremse integrierte Berganfahrhilfe findet er "nicht schlecht". Hilfreich findet Kohn die automatisch einfallende Feststellbremse für das hektische Rein und Raus im Alltag an der Rampe. Die vielen elektrischen Helfer im Volvo verursachen bei dem 62-Jährigen etwas Bauchschmerzen: "Alles, was elektrisch ist, kann schneller kaputtgehen." Auch "I-Roll" will ihm nicht so recht munden. "Damit wirst du schnell zu schnell, eventuell muss man es bergab ausschalten." Beim Bergabfahren kuppelt I-Roll den Motor aus, um den Schwung der Masse auszunutzen - das soll Kraftstoff sparen. Erst beim Überfahren piept es Angetan ist der Fast-Rentner dagegen vom Spurverlassenswarner des FH. Der meldet sich erst, wenn die rechte Linie ganz überfahren wird, und nicht schon, wenn der Reifen noch auf ihr ist. "Beim Actros hat mich das genervt, hier ist es in Ordnung." Die Gefahr, dass es deaktiviert wird, sei beim Volvo-System geringer. Die Abbiege-Kamera kam auch bei Kohn gut an, nur wenn sie dauerhaft ein Bild liefern würde, würde ihn das stören. Auf den Steigungsstücken der Testrunde genießt der gebürtige Ulmer die PS. "Hier würde mein 460er DAF XF unter die 80 fallen." Etwas mehr Raum dürfte es schon sein Viel PS, aber wenig Raumgefühl. Den DAF-Fahrer stört der Motortunnel ("ist im XF aber genauso") und den Bereich oberhalb der Windschutzscheibe mit dem Digi-Tacho empfindet er als ziemlich nah. "Deswegen mag ich Scania auch nicht." Zudem dürfte der FH ein paar mehr Ablagen haben. Schon vor der Testrunde kurz vor Ende seiner Lenkzeit angekommen überraschte Kohns Frage nicht: Wie breit ist das Bett? Antwort: 70 bis 80 Zentimeter, ausgezogen 100 Zentimeter. Der sechste Tester des Tages, Detlef Blankenburg, schätzt es, dass Mensch und Maschine im Volvo zusammenarbeiten: "Dass der Tempomat beim Beibremsen drinbleibt, gefällt mir gut." Den in den Tacho integrierten Drehzahlenmesser findet der 60-Jährige ungewöhnlich, aber nicht schlecht, "so habe ich beides zusammen im Blick". Für etwas unübersichtlich hält der DAF-Fahrer dagegen die vielen Schalter und Knöpfe im Fahrerhaus. Auch einige Anzeigen im Display sind für ihn nicht selbsterklärend genug. Beispielsweise "IS" für den Topografietempomaten I-See, "das müsst ihr noch ändern", sagt er mit einem Augenzwinkern. "Bis heute ein Fahrer das Potenzial eines neuen Lkw voll ausnutzen kann, vergehen vier bis fünf Wochen." Oft müssen Kollegengespräche die eigentlich sinnvolle Fahrerschulung ersetzen. Mit Blick Richtung Hersteller kritisiert der erfahrene Fahrer: "Eine gute Einweisung in einen Neuwagen habe ich erst einmal erlebt." Als sinnvolle Zutat sieht der gebürtige Frankfurter (Oder) die Spiegel mit ihren schlanken Profilen und Gehäusen. "Die beschränken die Sicht nicht so." Trotzdem sei in den gewölbten Scheiben alles Wichtige zu sehen. Seinen DAF möchte Blankenburg drei Jahre vor der Rente zwar nicht mehr eintauschen, "der bietet mir mehr Raum", räumt aber ein, dass Motor und Getriebe den Volvo FH 540 zu einer interessanten Fahrmaschine machen: "Das Auto macht Spaß, den dürft ihr so verkaufen", sagt Detlef zum beim Test anwesenden Volvo-Pressemann. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Volvo www.verkehrsrundschau.de/dossiers