Unter den EU-Staaten zeichnet sich vorerst keine Mehrheit für ein europäisches Lieferkettengesetz ab. Eine Abstimmung über eine zuvor von Unterhändlern ausgehandelte Einigung wurde spontan verschoben, wie die belgische EU-Ratspräsidentschaft mitteilte. Das liegt auch daran, dass in Deutschland FDP-geführte Ministerien in der Bundesregierung kurz vor der Abstimmung angekündigt hatten, dem Vorhaben nicht zustimmen zu wollen. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Carl-Julius Cronenberg teilte mit, auch andere EU-Länder hätten Kritik an dem Vorhaben geäußert.
Durch das EU-Lieferkettengesetz sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Größere Unternehmen sollen zudem stärker auf die Einhaltung der Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung verpflichtet werden. Deutschland hat bereits ein Lieferkettengesetz, das EU-Vorhaben geht aber auch über die deutschen Vorgaben hinaus. So gilt es für mehr Unternehmen und sieht mehr Möglichkeiten vor, rechtlich gegen Unternehmen vorzugehen, die sich nicht an die Vorgaben halten.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hatte sich am Donnerstag noch eindringlich für ein EU-Lieferkettengesetz ausgesprochen. Deutschland werde einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden und Europa einen irreparablen politischen Schaden erleiden, falls das Lieferkettengesetz keine Mehrheit finde, so Marcel Fratzscher.
Unternehmensverbände hatten sich hingegen jüngst gegen das EU-Lieferkettengesetz ausgesprochen. In einem Brief an den Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warnten sie davor, dass sich Unternehmen aus Europa zurückziehen und Firmen mit unbegründeten Klagen konfrontiert sowie überzogenen Strafen sanktioniert werden könnten. Unterschrieben wurde der Brief von den Präsidenten des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH).