Berlin. Während in Ländern wie Dänemark, Finnland oder den Niederlanden das Potenzial der über 50-Jährigen schon länger erkannt wurde, holen deutsche Unternehmen das erst jetzt nach. „Der Jugendwahn hat ein Ende“, beobachtet Gundolf Meyer Hentschel vom gleichnamigen Institut in Saarbrücken, das sich schon seit Jahren mit dem Thema „50plus“ befasst. Einige Großkonzerne und mittelständische Betriebe stellen die Älteren schon ganz gezielt ein. Vielfach werden für offene Stellen aber auch keine Jüngeren mehr gefunden. Angesichts des demographischen Wandels hat auch die große Koalition das Thema auf ihrer Agenda. Erst vor kurzem rief Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer wöchentlichen Videobotschaft dazu auf, älteren Menschen mehr Chancen zu geben. Die Beschäftigung von über 50-Jährigen sollte am Freitag auch Thema im Bundesrat sein. Beim Handelsriesen Metro, zu dem Kaufhof, Media Markt und Saturn gehören, sind bereits rund 34.000 Beschäftigte mehr als 50 Jahre alt, das sind gut ein Viertel der gesamten Belegschaft in Deutschland. 2005 lag deren Anteil noch bei 23 Prozent. „Die Struktur unserer Kunden verändert sich ebenso wie die Zusammensetzung der Belegschaft“, betont Personalchef Jürgen Pfister. Künftig will der Konzern Älteren vermehrt Karrierechancen bieten. Beim Süßwarenhersteller Katjes ist im Stammwerk im nordrhein- westfälischen Emmerich sogar jeder Dritte der rund 300 Mitarbeiter älter als 50. „Die sind hochmotiviert und gar nicht so viel krank wie befürchtet“, berichtet Unternehmenssprecher Heiner Wolters. Für ein neues Bonbonwerk in Potsdam seien Ältere bevorzugt gesucht worden. In der im vergangenen Herbst eröffneten Fabrik sind gut zwei Drittel der 60 Beschäftigten über 50 Jahre alt. „Mit älteren Mitarbeitern geht es ruhiger zu. Die werden auch nicht so schnell panisch, wenn mal eine rote Lampe leuchtet“, betont Wolters. Die Lufthansa-Frachttochter Cargo hat seit Anfang des Jahres einen Logistikdienstleister, in dem vor allem auch ältere Menschen eingestellt wurden. „Wir sehen uns da sozial in der Pflicht“, heißt es aus dem Konzern. Die derzeit rund 100 Mitarbeiter der Cargo- Tochter „Handling Counts“ übernehmen am Boden die Verteilung der Fracht. Dies sei zwar körperliche Arbeit, die aber hoch technisiert ist, sagt Sprecher Nils Haupt. Die Direktbank ING DiBa gibt älteren Menschen als Auszubildende eine Chance zum Wiedereinstieg ins Berufsleben. In Nürnberg und Hannover werden die „50plus-Azubis“ im Dialogmarketing, in Frankfurt als Bankassistenten ausgebildet. „Bei uns spielt das Alter bei der Stellenbesetzung keine Rolle“, betont Personalleiter Matthias Robke. „Wir schätzen die große Berufs-und Lebenserfahrung unserer älteren Mitarbeiter“, heißt es beim süddeutschen Möbelhändler Segmüller. Für ein neues Handelshaus im hessischen Weiterstadt suchte das Unternehmen ganz gezielt über 50-Jährige. Frühere Mitarbeiter, die schon im Ruhestand sind, werden zudem als Berater an den Wochenenden eingesetzt. „Unsere erfolgreichste Jugendzimmerverkäuferin ist 76 Jahre alt“, sagt Vertriebsleiter Reinhold Gütebier. Auch Zeitarbeitsfirmen haben das Potenzial der „Silbergeneration“ für sich entdeckt. „Ich suche händeringend Ingenieure über 50“, sagt Eckard Gatzke vom Branchenprimus Randstad. Derzeit seien zwar nur 12 Prozent der durchschnittlich 40.000 Randstad-Beschäftigten älter als 50 Jahre. Randstad habe mit älteren Arbeitnehmern aber sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Vorbehalte vieler Unternehmen, ältere Beschäftigte seien häufiger krank oder unmotivierter, kann Gatzke nicht teilen. Auch nach Einschätzung von Experten haben sich die Jobchancen für ältere Arbeitnehmer in Deutschland deutlich verbessert. Seit zwei, drei Jahren beobachtet das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung eine positive Entwicklung. Der Bundesagentur für Arbeit zufolge stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Stellen für Ältere innerhalb eines Jahres bis Juni 2006 um knapp 200.000. Die größten Hindernisse bei der Einstellung älterer Mitarbeiter seien aber immer noch zu hohe Gehaltsforderungen und ein zu starres Kündigungsrecht, beobachtet die Management- und IT-Beratung Capgemini. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bestätigt zwar den Trend, mehr Ältere einzustellen, warnt aber zugleich vor zu optimistischen Erwartungen. „Nach wie vor haben es Ältere sehr schwer, sich im Beruf zu halten oder erst recht eine Stelle zu finden“, sagte DGB-Arbeitsmarktexperte Wilhelm Adamy.
Erfahren und kompetent - Wirtschaft entdeckt Stärken der Älteren
Die Älteren – sie gelten zwar als lebenserfahren und kompetent. Von der Wirtschaft wurden sie aber als wertvolle Arbeitskräfte bislang eher wenig geschätzt. Das ändert sich jetzt.