Endet die Schonfrist?

Um Unternehmen zu unterstützen, die wegen der Corona-Krise in wirtschaftliche Schieflage geraten sind, hat der Koalitionsausschuss am 25. August beschlossen, die im März beschlossene Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Unternehmen bis Jahresende zu verlängern. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf hat die Bundesregierung am 2. September im Bundestag eingebracht. Noch ist das Gesetz allerdings nicht verabschiedet. Nicht in Sicherheit wiegen "Unternehmer sollten sich dennoch nicht in Sicherheit wiegen", warnt Robert Buchalik, Geschäftsführer der Buchalik Bönnekamp Rechtsanwaltsgesellschaft in Düsseldorf (siehe Seite 31). Denn die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt nur für den Insolvenzgrund Überschuldung, nicht aber für den Insolvenzgrund Zahlungsunfähigkeit. Und in 95 Prozent der Fälle sei erfahrungsgemäß Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzgrund, und nur in fünf Prozent die Überschuldung. Als "überschuldet" gilt laut dem Juristen ein Unternehmen im Rahmen der Insolvenzverordnung dann, wenn sein Vermögen nicht mehr ausreicht, um bestehende Schulden zurückzuzahlen. Als "zahlungsunfähig" hingegen dann, wenn die fälligen Verbindlichkeiten zum Stichtag die freien liquiden Mittel um mehr als zehn Prozent übersteigen. Freie liquide Mittel sind nur Bankguthaben, und freie Banklinien, fällige Forderungen zählen nicht dazu. Ein Geschäftsführer ist allerdings entschuldigt, wenn er auf der Grundlage einer vertretbaren Prognose davon ausgehen konnte, dass durch vorhandene liquide Mittel und zu erwartende Zahlungseingänge in den auf den Stichtag folgenden drei Wochen die fälligen und die in dieser Zeit fällig werdenden Verbindlichkeiten zu mehr als 90 Prozent gedeckt sind. Ab 1. Oktober heißt das: "Ist ein Unternehmen zahlungsunfähig, muss es von Oktober an wieder Insolvenz beantragen - egal, ob es durch die Corona-Krise oder durch andere Missstände in diese Situation geraten ist", betont der Rechtsanwalt. Sonst drohen empfindliche Konsequenzen - sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht Grundsätzlich gilt: Ist das Unternehmen als juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit organisiert, ist das Vertretungsorgan (zum Beispiel Geschäftsführer oder Vorstand) verpflichtet, unverzüglich nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag zu stellen, spätestens aber binnen drei Wochen, führt Buchalik aus. Diese Insolvenzantragspflicht bestehe fast bei allen Gesellschaftsformen (insbesondere GmbH, UG, AG, KGaA, eG, SE und GmbH & Co. KG). Ganz wichtig: "Unkenntnis entlastet den Unternehmer nicht", unterstreicht der Jurist. Entscheidend sei, ob er Kenntnis von der Insolvenzreife hätten habe müssen. Achtung: Vertretungsorgan haftet Die Verletzung der Insolvenzantragspflicht ist im Übrigen strafbar. "Bei verspäteter Antragstellung kann dem Vertretungsorgan eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren drohen", mahnt Buchalik. Zudem haftet das Vertretungsorgan für alle Zahlungen, die er seit erstmaligem Eintritt der Antragspflicht an Dritte geleistet hat. Hat er in der Zeit zum Beispiel einen Lieferanten oder Löhne bezahlt, ist er dazu verpflichtet, alles aus seiner privaten Tasche an die Insolvenzmasse zurückzuzahlen. Es komme nicht darauf an, betont er, was er dafür als Gegenleistung erhalten habe. Einzelunternehmer sind laut Buchalik hingegen nicht verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Zwar könne dem Einzelunternehmer keine strafbare Insolvenzverschleppung vorgeworfen werden. Dafür bestehe aber das Risiko, andere Straftaten zu begehen, zum Beispiel Betrug oder die Vorenthaltung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung. "Bei (drohender) Zahlungsunfähigkeit keinen Insolvenzantrag zu stellen, kann also keine Lösung des Problems sein", sagt der Restrukturierungsexperte. Denn es gebe viele Möglichkeiten, die ein angeschlagenes Unternehmen doch noch retten können, etwa Stundungsvereinbarungen mit Gläubigern, ein Gläubigervergleich über eine umfassende operative Sanierung bis hin zu einer Sanierung in einem Insolvenzverfahren. "Scheuen Sie sich da also nicht", rät er Unternehmern, "juristische und betriebswirtschaftliche Hilfe in Anspruch zu nehmen." Mehr zum Thema finden Sie unter #Zahlungsverkehr www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Die Regierung hat sich darauf verständigt, die Lockerung des Insolvenzrechts zu verlängern, um die Zahl von Firmenpleiten klein zu halten. So soll die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, die Ende September enden sollte, bis zum Jahresende verlängert werden. Indes nur für überschuldete, aber noch zahlungsfähige Firmen. So schützen Sie sich nun vor Forderungsausfällen Experten zufolge steht Deutschland im Herbst vor einer riesigen Insolvenzwelle. Wie kann sich ein Spediteur vor möglichen Forderungsausfällen schützen, weil sein Kunde insolvent ist?Typische Warnsignale sind, wenn der Kunde um längere Zahlungsziele bittet oder erst nach der zweiten oder gar der dritten Mahnung bezahlt. Ist dies der Fall, ist höchste Vorsicht geboten.Was sollte ein Spediteur bei kritischen Kunden tun?Kritischen Kunden sollte er stets sehr kurze Zahlungsziele einräumen. Am besten ist es, nur Leistungen gegen Vorkasse zu erbringen. Ganz wichtig ist, dass der Spediteur stets nur seine aktuelle Leistung berechnet. Im Übrigen steht dem Spediteur das gesetzliche Spediteurspfandrecht als Sicherheit zur Verfügung. Sollte er den Verdacht haben, dass sein Kunde insolvenzreif sein könnte, sollte er sich rechtzeitig den Zugriff auf ausreichend werthaltige Ware des Kunden sichern.ehRobert Buchalik, Geschäftsführer der Buchalik Bönnekamp Rechtsanwaltsgesellschaft in Düsseldorf

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