Eine Mischung ausruhig und rockig

Interview Eine Mischung ausruhig und rockig Seit vergangener Woche ist Jochen Quick Präsident des Verladerverbandes BWVL. Im Interview spricht er über sein Rollenverständnis, seine Ziele und über die Verhältnisse in der Transportbranche. Herr Quick, Sie sind ein großer Fan von Bruce Springsteen, nicht nur wegen seiner Musik. Was mögen Sie an ihm? Am ,Boss‘? (Lacht.) Ich mag seine Art. Er ist authentisch. Über Musik kann man bekanntlich streiten, wobei diese Mischung aus ruhig und rockig mir sehr liegt. An Springsteen schätze ich, dass er seit Jahrzehnten ehrlich rüberkommt und man ihm abnimmt, was er sagt – und singt. Das macht ihn für mich sympathisch. Er gilt ja eher als handfester Typ, als Handwerker. Liegt Ihnen das auch? Ich mag es nicht, wenn jemand Sprechblasen von sich gibt und man merkt, das ist nur heiße Luft. Als Unternehmer habe ich mit Menschen und Material zu tun und muss jeden Tag die anstehenden Probleme lösen. Sie sagten gerade ,Boss‘. Sehen Sie sich in Ihrer neuen Rolle auch als ,Boss‘ des BWVL? Satzungsgemäß korrekt heißt es ja Präsident. Und wenn man mich so wahrnimmt, ist das sicherlich schön. Aber der Stabwechsel nach zehn Jahren Herbert Götz ist erst gestern erfolgt. Das braucht seine Zeit, bis ich das selber verinnerlicht habe. Ich muss aber auch sagen, dass ich mich als Teamspieler sehe und meine Rolle so definiere. Ich denke, wenn Präsidium und Geschäftsführung gemeinsam den Verband präsentieren, entfaltet das am meisten Wirkung. Mit diesem bewährten Modell wollen wir auch in Zukunft agieren. Die Stabübergabe von Herbert Götz an Sie stellt einen Generationenwechsel dar. Wird es auch ein Strategiewechsel sein? Herbert Götz hat in seinen fünf Jahrzehnten Arbeit für die Verkehrswirtschaft eine Menge erreicht. In meinem Alter will ich noch einiges erreichen. Es werden zukünftig genug Anforderungen auf uns zukommen. Darauf müssen wir passende – auch neue – Antworten finden. Die Ausrichtung des BWVL wird sich automatisch dem stellen müssen. Ob das ein Strategiewechsel wird, kann ich noch nicht sagen. Was wäre Ihnen denn wichtig zu erreichen? Dass wir dort, wo wir als Verbände gemeinsame Aufgaben und Probleme haben, auch gemeinsame Antworten finden. Das würde unsere Schlagkraft erhöhen und uns bei der Politik mehr Gehör verschaffen. Hier könnte ich mir für mich auch eine moderierende Rolle vorstellen. Bei welchen Themen wäre das denkbar? Aktuell müssen wir uns über die neuen Rahmenbedingungen der Maut verständigen. Es reicht nicht aus, wenn sich zwei – wenn auch große – Verbände darüber einig werden, wie sie sich das vorstellen. Da müssen alle Verbände mit ins Boot, um gemeinsam mit der Politik eine Antwort zu finden. Die Verbände sind gut beraten die Gemeinschaft zu suchen, um mit einer größeren Breite der Politik als Diskussionspartner gegenüberzustehen. Wie schätzen Sie die Mautentwicklung ein? Wir wissen, dass es Kostensteigerungen geben wird. Die Höhe ist dabei noch völlig offen und hängt natürlich auch von der künftigen politischen Konstellation ab. Die Zeit bis zum Ende dieser Legislaturperiode verrinnt sehr schnell, entsprechend begrenzt sind die Gestaltungsmöglichkeiten der Politik. Ich glaube nicht, dass es bis zur Wahl 2013 zu einer Veränderung der Maut kommen wird. Ist das Thema Fachkräftemangel auch eines, das gemeinsam bearbeitet werden sollte? Das geht uns alle an, jeden einzelnen Unternehmer. Wir sind aufgefordert, die Menschen zu qualifizieren. Unsere Unternehmen haben noch nie so viel selber ausgebildet wie sie es heute tun. Früher haben wir auf die Fachkräfte aus Speditionen zurückgegriffen. Jetzt bilden wir Speditionskaufleute, Berufskraftfahrer und Lagerlogistiker selber aus. Wobei wir mittlerweile um jeden Auszubildenden, um jeden Mitarbeiter kämpfen. Dieser Wettbewerb um die Köpfe wird sich weiter verschärfen. Ist das nicht auch eine Frage der Bezahlung? Ich stelle immer wieder fest, dass nicht das Gehalt die Hauptmotivation für die Arbeit ist, sondern die Anerkennung. Hier muss sich jedes Unternehmen fragen, tue ich genug für die Zufriedenheit der Mitarbeiter? Die Preise, die von der verladenden an die transportierende Wirtschaft gezahlt werden, sind teilweise kaum grenzkostendeckend. Was werden Sie hier als Verband tun? Der BWVL hat sich schon immer ein faires Miteinander auf die Fahnen geschrieben. Der Dienstleister darf nicht ausgequetscht werden wie eine Zitrone. Er muss fair behandelt und fair bezahlt werden, wenn er morgen noch zuverlässig seine Leistung bereitstellen soll. Gerade unsere großen Mitglieder, die viel ausgelagert haben, brauchen verlässliche Logistikdienstleister. Wobei viele unserer Mitglieder einen eigenen Fuhrpark haben. Sie kennen die Kosten und wissen aus eigener Erfahrung, wenn diese steigen. Schon alleine dadurch bringen sie Verständnis für den Transportunternehmer auf. Wobei das nicht so weit gehen kann, dass sie eigene Wettbewerbsnachteile in Kauf nehmen können. Wobei das Preisniveau und die Vertragsfristen dokumentieren, dass es bei Weitem nicht immer so fair und harmonisch abläuft. Natürlich gibt es auch Druck. Wir befinden uns im nationalen, europaweiten und globalen Wettbewerb. Nicht nur der logistische Dienstleister, auch die verladende Wirtschaft muss die Produkte so wirtschaftlich wie möglich zum Kunden bekommen. Das geht nur mit Kostenoptimierung auf allen Ebenen. Man muss aber erkennen, dass ein gewisses Preisniveau vorausgesetzt werden muss. Darum und um die hierfür zu erbringende Leistung wird hart gerungen. Letztendlich muss jeder für sich selber zurechtkommen. Der Verband kann keinem das Rechnen abnehmen. Ein weiteres Konfliktthema zwischen Verlader und Transporteur ist die Rampe ... An dieser Schnittstelle klemmt es. Daran müssen wir arbeiten. Die Verlader, der Handel, haben das erkannt und versuchen zu optimieren, wo es nur geht. Hier bedarf es wieder der Anstrengung aller Beteiligten, bedarf es der Kommunikation entlang der kompletten Transportkette. Momentan sprechen die Beteiligten allerdings zu wenig miteinander. Dabei lässt sich das Problem nur durch den Dialog aller lösen. Wie stellt sich Ihnen das dar? Wenn man neue Wege gehen möchte, wird die Diskussion sofort durch Schuldzuweisungen der verschiedenen beteiligten Parteien geprägt. Wir sehen das beispielsweise beim Thema Zeitfenster, das ja nur eine kleine Möglichkeit darstellt. Wir diskutieren die Rampenproblematik auch im Rahmen des Aktionsplanes Transport und Logistik. Bei den ersten beiden Präsentationsveranstaltungen gab es bei Verkehrsgewerbe und verladender Wirtschaft schon fast Feindbilder. So finden wir keine Lösung. Wer hat bei dem Projekt den Hut auf? Derjenige, der bezahlt? Wer muss vorangehen? Aktuelle Trends zeigen uns, dass die großen Handelsunternehmen ihre Produkte direkt beim Lieferanten kaufen, die Logistik mit in ihr Portfolio nehmen und sie selber organisieren wollen. Dadurch kommen sie zu einer ganz anderen Betrachtung der Rampe. Sie sehen beim Lieferanten und bei sich selber viel deutlicher die Engpässe, als wenn ein Dienstleister nur bei ihnen anliefert. Das verändert die logistischen Strukturen. Derjenige, der die Logistikkosten bezahlt, nimmt die Logistikprozesse auch in die Hand. Eine sehr interessante Entwicklung. Wie glauben sie, geht das weiter? Es entsteht ein Wandel, der neue Anforderungen an unseren Verband und an die Mitglieder stellt. Ich sehe mit Freude, dass auch große Handelshäuser die Logistik als wesentlichen Faktor betrachten. Es wird stärker in den Köpfen verankert, dass dieser Prozess gesteuert und begleitet werden muss. Wenn die verladende Wirtschaft, zum Beispiel der Handel, in den Kooperationspartnerschaften das Heft in die Hand nimmt, könnte das wesentlich erfolgreicher werden als bisherige Versuche auf Dienstleisterebene. Sie sprachen vorhin die Behandlung der eigenen Mitarbeiter an. Die Fahrer der Transportunternehmen werden an den Rampen oft alles andere als gut behandelt. Es gibt sicher Unternehmen, wo es für Fahrer nicht sehr angenehm ist. Es gibt aber auch Unternehmen, bei denen es mittlerweile einen Erkenntnisprozess gibt. Wir können die Fahrer gar nicht genug herausheben. Diese Damen und Herren leisten jeden Tag mit viel Kraft und Einsatz anerkennenswerte Arbeit. Da sind wir auch wieder bei der Qualifizierung. Es ist eine gute Entwicklung, dass über gesetzliche und private Maßnahmen aus- und weitergebildet wird. Das verändert die Betrachtungsweise vom ,einfachen‘ zum ,qualifizierten‘ Fahrer. Ich sage zu meinen Fahrern immer: ,Ihr seid die Profis am Steuer, ihr seid die Vertreter des Unternehmens beim Kunden.‘ Wer das nicht verstanden hat, auch als Empfänger von Waren, der hat noch nicht begriffen, wohin die Reise geht. Sie haben zwei kleine Kinder. Welchen Platz geben Sie dem Thema Umwelt und Grüne Logistik? Da habe ich drei Seelen in meiner Brust. Als Familienvater denke ich natürlich daran, in welcher Umwelt meine Kinder zukünftig leben. Dann sehe ich als Unternehmer, was ich tun und effizient umsetzen kann. Es bringt nichts, Umweltweltmeister zu sein, aber wegen zu hoher Kosten nicht mehr am Markt bestehen zu können. Die dritte Position ist die des Verbandsvertreters der verladenden Wirtschaft mit der Industrie im Hintergrund. Die fordert einen möglichst umweltfreundlichen Transport, aber bitte auch so kostenoptimiert wie es geht. Dieses Spannungsverhältnis wird bleiben. Wir können uns über Visionen unterhalten, letzten Endes muss aber alles bezahlbar bleiben. Ist Euro 6 bezahlbar? Hier muss man die Wirtschaftlichkeit stark hinterfragen. Aus unternehmerischer Sicht ist es sehr, sehr schwierig, hier Vorreiter zu sein. Zumindest in meinem Markt, der Baubranche. Wie nett ich es auch verpacke, am Ende gibt immer der Preis den Ausschlag. Wie sieht es mit der Zukunft Ihres Unternehmens aus? Ihre Kinder sind zwar noch sehr klein, aber wäre eine Nachfolge vorstellbar? Das fragt mich meine Bank auch schon. Ich habe die Hoffnung, dass unser Unternehmen diese Zeiten des Wandels durchsteht. Für uns Mittelständler ist das nicht immer einfach bei der Konzentration, die in der Branche tagtäglich stattfindet. Wenn es uns lange genug gibt und die Kinder Interesse haben, sicherlich. Als Eltern würde uns das natürlich freuen, wenn unser Lebenswerk fortgeführt wird. Aber wer will das heute schon sagen? ❙❚■ Birgit Bauer, Michael Cordes Frisch gewählt: BWVL-Präsident Jochen Quick im Gespräch mit Birgit Bauer (links)und Michael Cordes aus der VerkehrsRundschau-Redaktion Verladerverband Neue Führungsspitze Die Mitgliederversammlung des Bundesverbands Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL)wählte in Berlin ein neues Präsidium. Herbert Götz, der den Verband zehn Jahre lang führte, trat nicht mehr zur Wiederwahl an. Sein Nachfolger ist Jochen Quick, der seit 1998 im BWVL engagiert ist, zunächst als Mitglied des BWVL-Beirates und seit 2002 als Vizepräsident des Verbandes. Das Präsidium setzt sich zusammen aus Klaus Hartmann, Lüder Meyer (beide Vizepräsidenten), Jörg Eichhorn und Willi Stollenwerk. Der BWVL, gegründet 1955, ist ein Unternehmensfachverband für Transport und Logistik mit rund 1400 Unternehmen aus Industrie, Handel und Logistikdienstleistung als Mitgliedern. bb Herbert Götz (rechts) kennt seinen Nachfolger Jochen Quick bereits viele Jahre Jochen Quick führt künftig nicht nur ein mittelständisches Familienunternehmen, sondern auch noch den BWVL Vita Jochen Quick 1978 gründete Hans-Gerd Quick in Buchholz/Westerwald ein Baustoffhandels- und Speditionsunternehmen, das sein Sohn Jochen heute mit 40 Mitarbeitern und 20 eigenen Fahrzeugen führt. Es ist überregional mit Baustoffhandel, Entsorgung und Natursteinverkauf befasst, und erbringt auch Transport- und Logistikleistungen für Dritte. Der 43-Jährige hatte eine Ausbildung zum Speditionskaufmann absolviert, bevor er in Bremen Verkehrswirtschaft studierte. Er und seine Frau Sandra, die ebenfalls im Unternehmen arbeitet, sind Eltern von einem Sohn und einer Tochter. bb Interview Interview