Ein Platz an der Sonne

Interview Ein Platz an der Sonne Warum es sinnvoll ist, sich als Automobillogistiker mit Solarenergie zu befassen und weshalb der Einsatz von Lang- LKW wünschenswert wäre, erklärt Jörg Mosolf, Chef der Mosolf-Gruppe, im Interview mit der VerkehrsRundschau. Haben Sie sich eigentlich über den verregneten Sommer geärgert? Jörg Mosolf: Vor allem fand ich den langen Winter ärgerlich, aber ich ahne, worauf Sie anspielen … Immerhin haben Sie im Saarland einen zweistelligen Millionenbetrag in eine Anlage für Solarenergie investiert. Bauen Sie damit ein zweites Standbein auf? Man muss hier ganz klar trennen. Diese Investition in Solarenergie, also die MST Mosolf Solar Technik, ist mein Privatengagement und hat nichts direkt mit der Mosolf-Gruppe zu tun. Aber man kann oder besser muss sogar einen Zusammenhang sehen zwischen den Themen alternative Energieerzeugung, Stromtankstellen, Automobilindustrie und Mobilitätskonzepten der Zukunft. Dann ist unser Stammgeschäft der Gruppe plötzlich gar nicht mehr so weit weg von den grundsätzlichen Zukunftsfragen der Mobilität. Also doch kein reiner Privatspaß, sondern auch geschäftliches Interesse? Ja, natürlich. Als Mosolf-Gruppe müssen wir über künftige Investitionen nachdenken. Wenn sich das Thema regenerative Energie mit vorhandenem Geschäft verbinden lässt, umso besser. Wir versuchen derzeit, das Thema alternative Antriebe und Elektromobilität besser zu verstehen und ein Gefühl dafür zu bekommen, wohin die Reise geht. Auf jeden Fall wollen wir an dieser Reise beteiligt sein. Deshalb befassen wir uns in einer ganzen Reihe von Projekten mit Zukunftsfragen der Mobilität. Letzte Woche hatten wir zum Beispiel als Etappenziel der RWE-Kulturhauptstadttour von Essen nach Istanbul zwei Elektrofahrzeuge hier am Ort. Dabei ging es um einen Test zur Alltagstauglichkeit der Elektromobilität, also nicht nur um repräsentative, sondern um ganz praktische Sachen. Welche neuen Geschäftsfelder könnten sich für Mosolf ergeben? Dass sich daraus neue Felder ergeben, ist klar. Vorher stellen sich aber viele Fragen ganz neu: Haben wir künftig noch die gleichen Kunden oder ganz andere? Läuft der Logistikprozess so ab wie heute? Wie sieht der Individual- und Wirtschaftsverkehr in den Städten von morgen aus und was bedeutet das für uns als Automobillogistiker? Wie müssen unsere Umschlagterminals aussehen und welche Fähigkeiten müssen Mitarbeiter mitbringen? Wir erwerben jetzt das Wissen über die Mobilität von morgen, damit wir unsere Strukturen frühzeitig danach ausrichten können. Die Lernkurve geht steil nach oben. Teils heiter, teils wolkig – so stellt sich der Automobilmarkt dar. Die Binnennachfrage ist eingebrochen, der Export verläuft durch das Wachstum im Ausland wieder viel besser. Wie ist die Situation für die Autotransporteure? Wir müssen froh sein, dass wir die Abwrackprämie hatten, denn die hat uns im letzten Jahr sehr geholfen. Es war klar, was 2010 auf uns zukommen würde. Es wurden vor allem im Kleinwagenbereich viele vorgezogene Käufe getätigt und das spiegeln die aktuellen Zulassungen auch wider. Sie weisen bei einigen Marken Rückgänge von bis zu 30 Prozent für die ersten sieben Monate aus. Das ist gewaltig. Für uns bedeutet das zum einen weniger Geschäft und zum anderen mehr Abladestellen und mehr Leerkilometer aufgrund unpaariger Verkehre und Mengenschwankungen im Markt. Gleichzeitig spüren wir einen enormen Preisdruck sowie sehr starken Wettbewerb. Die Margen sind entsprechend schwach. Das kann der Export nicht auffangen? Nein, der Export nach Übersee und Asien bringt nur Fahrten zu den Seehäfen. Das ist weniger ergiebig als Umläufe, wo wir einen viel höheren Beitrag zur Wertschöpfung liefern können. Deshalb ist das Geschäft mit dem Export außerhalb Europas zwar wichtig für uns, bleibt aber eher marginal. Wir bedienen dieses Segment hauptsächlich mit eigenen Ganzzugverkehren auf der Schiene. Die sind zwar gut ausgelastet, aber das fängt die Marktschwäche im Inland nicht auf. Fällt Ihnen die Abwrackprämie nun auf die Füße? Nein, wir haben frühzeitig reagiert und schon im September 2008, als die Abwrackprämie noch nicht absehbar war, die Kapazitäten im Inland um 20 Prozent reduziert. Als dann im Dezember 2008 die Abwrackprämie beschlossen wurde, mussten wir völlig unerwartet andere Kapazitäten von unseren Töchtern und Beteiligungen in Frankreich, Polen und Tschechien zusammenziehen, damit wir die Mengen von 2009 bewältigen konnten. Die beschriebene Marktsituation wird noch bis Ende 2011 andauern. Das bedeutet für die Automobiltransporteure im Moment auch geringe Anreize zu investieren, denn momentan kann von auskömmlichen Renditen nicht die Rede sein. Haben Sie in der Krise Fahrzeuge abgebaut? Wenn man die Flotte Stand heute mit dem Stand von September 2008 vergleicht, haben wir europaweit 150 LKW abgebaut. Insgesamt betreiben wir derzeit in Europa 850 LKW. Die Hälfte davon gehört uns, der Rest wird von festen Subunternehmern unter unserem Label gefahren. Sind Sie auch in die Euro-3-Falle getappt? Das war eine klare Vorgabe der Politik. Damals konnten die Hersteller noch keine Euro-5-Fahrzeuge liefern. Also haben auch wir in Euro-3-Fahrzeuge investiert, die jetzt höhere Mautkosten verursachen und gleichzeitig einen entsprechend geringen Wiederverkaufswert haben. Wie hoch ist der Wertverlust? Der dürfte für unser Haus bei etwa einer Million Euro liegen. Der VDA rechnet im deutschen Automarkt in den nächsten Jahren mit stagnierenden Mengen. Wie stellen Sie sich darauf ein? So, wie bisher auch, denn abgesehen von 2009 haben wir es seit Jahren schon mit einem Verdrängungswettbewerb zu tun. Das Wachstum hierzulande ist eher moderat und wird es bleiben. Praktisch bedeutet das gleichbleibendes oder weniger Geschäft und höhere Anforderungen durch die Hersteller. Unternehmen, die jetzt kapitalkräftiger sind und ihre Dienstleistungspalette stärker diversifiziert haben, werden dabei den längeren Atem haben. Die Konsolidierung des Marktes ist in ganz Europa in vollem Gange – das zeigen auch die Insolvenzen, die wir schon gesehen haben und die Übernahmen mittelständischer Betriebe durch Konzerne. Es gibt in Deutschland nur noch zwei größere Betriebe in Familienhand: ARS Altmann und Mosolf. Verdrängung geht über den Preis. Inwieweit sind die Dienstleister selbst schuld an niedrigen Preisen? Jeder hat versucht, vorhandenes Geschäft zu schützen, wenn auch zu miserablen Preisen. In der Marktwirtschaft gelten die bekannten Spielregeln und letztlich entscheidet jeder selbst, zu welchen Preisen er fährt. Man muss aber auch die Marktmacht der Hersteller sehen, die ihre Dienstleister zu Preisnachlässen regelrecht gedrängt haben. Alle haben sich darauf eingelassen, ohne zu wissen, was dabei rauskommt. Bei vielen zeigen sich die Folgen in den Bilanzen. Wie hoch waren die Abschläge? Zwischen 5 bis 15 Prozent. Teilweise wurde im Markt auch auf Dienstleisterseite unvernünftig gehandelt, aber man muss den Druck sehen, der im Markt herrscht. Unternehmen müssen heute ihre Leasingraten zahlen und die Tilgung für Kredite bedienen, außerdem hat man Verantwortung für die Mitarbeiter im Betrieb. Ist Mosolf ein Übernahmekandidat? Wir fühlen uns nicht als Übernahmekandidat, aber wir gehen auch nicht raus und kaufen jetzt Geschäft dazu. Das Geschäft ist gar nicht da und wenn doch, dann ist es oft unrentabel. Nein, wir wollen lieber unser Netzwerk im Ausland ausbauen - über Kooperationen, Joint Ventures oder auch aus eigener Kraft. Interessant sind die Märkte, von denen wir glauben, dass wir in der Vernetzung noch einen Wachstumsmarkt haben und wo wir Strukturen in den Wertschöpfungsketten verändern können. Welche Märkte haben Sie im Visier? In Brasilien haben wir über eine 50-prozentige Unternehmensbeteiligung ein starkes Engagement mit 1200 Beschäftigten. Dort machen wir in erster Linie Produktionslogistik. In Indien sind wir für Volkswagen am Standort Pune seit einem Jahr aktiv. Wir übernehmen die Fahrzeuge ab Band und sind jetzt auch in den Fahrzeugtransport eingestiegen. Wir machen das über eine Mehrheitsbeteiligung, bei der wir die Führung haben. Sie brauchen dort einen Partner mit lokalem Know-how. Der größte Automobilmarkt mit hohen zweistelligen Wachstumsraten bei den Zulassungen ist heute schon China. Welche Pläne verfolgen Sie dort? Wir haben uns den Markt in den letzten zwei Jahren genau angeschaut und sind mitten im konkreten Businessplan. Bis Ende des Jahres treffen wir entsprechende Entscheidungen. Was können Sie in China konkret tun? Wir denken an hafennahe Dienstleistungen, aber auch an den Weitertransport der Fahrzeuge im Binnenland. Über den Hafen Tianjin laufen 60 Prozent der PKW-Importe. Ich hoffe, dass wir nächstes Jahr mit der Verladung von mindestens 10.000 Autos in China starten. Das ist nach Klärung von Lizenzfragen für das Frühjahr 2011 ge-plant. Müssen Sie sich insgesamt auf größere Schwankungen im Markt einstellen? Ja, die Ausschläge nehmen zu und Marktturbulenzen werden durch die unterschiedlichsten Themen verursacht. Ereignisse wie die Griechenland-Debatte oder eine mögliche Finanzkrise in Spanien haben in einer global vernetzten Welt immer große unmittelbare Auswirkungen. Das Risiko nimmt zu, lohnt es sich da noch, in eigenes Equipment zu investieren ? Wenn die Turbulenzen größer werden, muss man die Frage stellen, wie Risiken bezahlt werden. Eine Bank sagt: Wir haben ein gewisses Risiko und deshalb nehmen wir einen bestimmten Zinssatz. Normalerweise müssten wir mehr Rendite haben, um die Risiken abfangen zu können. Damit sind wir wieder beim Thema Investitionen. Wenn die Automobilindustrie den Dienstleistermarkt heute austrocknet, bekommt sie mittel- und langfristig ein Problem, denn die Kapazitäten werden fehlen. Würde der Einsatz von Lang-LKW den Autotransporteuren etwas bringen? Die Diskussion um Fahrzeugmaße beschäftigt die Branche seit Jahren. Wenn man mehr Autos laden kann, ist der Transport automatisch wirtschaftlicher und ökologischer. Deshalb haben wir uns für den Feldversuch zum Einsatz neuer Nutzfahrzeugkonzepte beworben. Es gibt interessante Entwicklungen in diese Richtung mit 25,25 Meter Länge. Statt acht könnten diese Kombinationen zwölf Fahrzeuge tragen. Wenn wir über Wettbewerbsfähigkeit reden, müssen wir auch solche Themen zulassen. Würden Sie solche Fahrzeuge kaufen? Wir würden erst mal ein oder zwei Kombinationen kaufen und auf ausgewählten Strecken testen. Allerdings nur, wenn wir über eine Sondervereinbarung ein kostenneutralisierendes Nutzungsrecht über mindestens fünf Jahre erhalten. Denn unabhängig von der politischen Entscheidung zum Versuchsausgang müssen wir rechnen und zumindest die Investition in die Fahrzeuge wieder reinfahren können. ❙❚■ Dietmar Winkler branchen-spezial Interview Vita Jörg Mosolf Seit 2005 steht Jörg Mosolf, Sohn des Firmengründers Horst Mosolf, als geschäftsführender Gesellschafter und Sprecher der Geschäftsführung an der Spitze der Horst Mosolf GmbH & Co. KG. Seit 2007 ist er stellvertretender Vorsitzender des Vereins Automobillogistik (AML) im BSL sowie seit 2008 Vorsitzender des Lenkungskreises Güterverkehr im Deutschen Verkehrsforum. Jörg Mosolf wurde 1956 in Esslingen am Neckar geboren. Nach einer Ausbildung zum Speditionskaufmann und einem Betriebswirtschaftsstudium promovierte Jörg Mosolf über „Interkulturelles Management in der Logistik“. Das Unternehmen Horst Mosolf GmbH & Co. KG Die Horst Mosolf GmbH & Co. KG mit Hauptsitz in Kirchheim/Teck bei Stuttgart wickelt über insgesamt 30 Technik- und Logistikzentren in Europa, Brasilien und Indien jährlich rund 2,6 Millionen Fahrzeugbewegungen ab. In Europa steuert Mosolf eine Flotte von 850 Fahrzeugtransportern, deren hellblaues Design jedem sofort ins Auge sticht. Das Unternehmen machte 2009 einen Umsatz von 330 Millionen Euro. Einen Gutteil der Umsätze macht Mosolf nicht mehr mit dem reinen Transport, sondern mit Mehrwertdiensten wie dem Sonderfahrzeugbau, Lack-, Mechanik- und Karosseriearbeiten sowie Inspektions- und Wartungsarbeiten. Jörg Mosolf ist ein Familienunternehmer mit Weitblick Interview Jörg Mosolf erklärt VerkehrsRundschau-Redakteur Dietmar Winkler seine Pläne in Asien

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