Echte Familienbande

Ein bisschen Wehmut ist dabei, wenn Karl-Heinz Budde auf die 70er- und 80er-Jahre zurückblickt. "Damals bin ich noch selbst Lkw gefahren und habe zum Beispiel Stoffe aus Osnabrück nach Tunesien und zurück fertige Levi's-Jeans befördert", erzählt der Geschäftsführer der mittelständischen Spedition Budde in Radevormwald bei Remscheid. Kundenservice, der sich auszahlt Gut und gerne 14 Tage hat eine solche Tour damals gedauert. "Ein harter Job, aber angenehm", sagt Budde. Heute würden die Lkw nurmehr bis Genua oder Marseille fahren, wo die Auflieger auf die Fähre nach Tunis geladen werden. "Das richtige Fernfahrerleben von früher gibt es heute nicht mehr", bedauert er. "Der Zeitdruck war früher kleiner." Heute laufe alles unter der Maxime "schnell und billig". Seit 45 Jahren ist der heute 64-Jährige in der Spedition Budde in Radevormwald tätig, seit 1975 als Geschäftsführer. Gegründet hat sie 1934 sein Großvater, ein Metzgermeister. "Das war eher aus Frust, weil er nie pünktlich mit Vieh und Fleisch versorgt worden ist", verrät Budde augenzwinkernd. Die ersten Budde-Lkw fuhren erst mal Vieh und Fleischprodukte. In den 50er-Jahren - da war Karl-Heinz Buddes Vater schon an Bord - kam dann das Geschäft der Bahnspedition in Lüttringhausen dazu und ab dem Jahr 1961 der Fernverkehr. "Wir sind damals bis nach Afrika runter und nach Skandinavien hoch. Es gibt kein Land, wo wir nicht waren." Und wenn ein Kunde in Niederbayern eine Palette schon um sieben Uhr brauchte, sprang Budde am Abend auch mal nach der Arbeit selbst in den Lkw und fuhr sie nachts zum Empfänger. Ein Kundenservice, der sich ausgezahlt hat. Im August feierte Budde 85 Jahre Bestehen und beschäftigt mittlerweile 27 Mitarbeiter, davon 15 Berufskraftfahrer, und setzt europaweit insgesamt über 100 eigene Einheiten ein. Egal ob Lebensmittel für Discounter, Stückgut für die Konsumgüter- und Automobilbranche, zeitsensible Messe- und Event-Güter oder gar gefährliche Explosivstoffe (dazu später mehr) - die Spedition befördert alles. Vor einigen Jahren hat das Unternehmen zudem Lagerflächen von insgesamt 10.000 Quadratmetern in unmittelbarer Nähe des Speditionsgeländes erworben und ist nun immer stärker in der Lagerlogistik tätig. Zusätzlich repariert die eigene Werkstatt Budde Truck Service Nutzfahrzeuge und vermietet Lkw und Anhänger. Ein weiteres wichtiges Angebot der Spedition ist die Aus- und Weiterbildung - fast jedes Wochenende schult Karl-Heinz Budde Lkw-Fahrer. Kurzum: "Für Geld tun wir (fast) alles, wenn es unserem Kunden hilft", formuliert es der Mittelständler trocken. Tochter Daniela fährt so manche Tour Was den 64-Jährigen besonders stolz macht: 2004 stieg seine Tochter Daniela in die Firma ein. Sie brach dafür sogar ihre Ausbildung zur Rechtsanwalts-Fachangestellten ab und machte stattdessen eine Ausbildung zur Kauffrau für Spedition und Logistikdienstleistung. Schon drei Jahre später erteilte ihr Vater ihr Prokura - da war sie 23 Jahre. Heute kümmert sie sich ums Kaufmännische, ihr Vater und ihr Mann Markus sich um das Technische. Geheiratet haben er und Daniela im Übrigen pünktlich zum 85. Jubiläum der Budde Spedition am zweiten August 2019. Und eines Tages werden sie und ihr Mann die Spedition übernehmen. Geregelt haben sie da nichts. Brauchen sie auch nicht. Das gegenseitige Vertrauen ist da. Für Daniela Budde ist das alles keine große Sache: "Ich bin mit unserer Spedition groß geworden, wir haben ja direkt nebenan gewohnt. Und mein erstes Taschengeld habe ich mir hier mit acht Jahren mit Ablagearbeiten aufgebessert", erzählt sie und lacht. "Wer sagt, Spedition ist dröge, der lügt. In diesem Geschäft passiert so viel, man hat so viel menschlichen Kontakt - das macht einfach Spaß", schwärmt die 33-Jährige. Ihre erste Tour fuhr sie bereits mit Anfang 20 nach Skandinavien - "mein Vater hat zwar gezittert, aber er hat mir vertraut." Auch heute noch springt die Unternehmerin kurzerhand ein, wenn ein Fahrer ausfällt, und übernimmt so manche Tour. Nicht minder pragmatisch ist ihr Mann Markus, der heute ebenfalls im Unternehmen "als Mädchen für alles" (sagt er von sich selbst) mitmischt. Als gelernter Anlagenmechaniker sattelte auch er noch zum Berufskraftfahrer um. "In unserer Branche kann man so viel bewegen. Die Menschen, die Wirtschaft, alle sind vom Transport abhängig - das zu koordinieren, gefällt mir." Das klassische Speditionsgeschäft ist aber nur ein Teil der vielfältigen Aufgaben und Services. Daneben hat BLS Budde seit vielen Jahren Spezialgeschäfte aufgebaut. So koordiniert die Spedition jedes Jahr unter anderem die gesamte Messelogistik für mehr als 100 Werbemittel-Aussteller in ganz Deutschland. "Das ist zeitlich extrem eng getaktet", erklärt Karl-Heinz Budde. Drei Züge mit vier Fahrern würden dafür die Messegüter morgens bis zum Messestand verbringen, dort am Abend wieder abholen und nachts zur nächsten Messe-Stadt befördern - inklusive des gesamten Paletten- und Rollcontainer-Handlings. Bis vor wenigen Jahren wickelte Budde die Messelogistik für die Aussteller sogar in Skandinavien ab - zum Beispiel von Oslo/ Norwegen über Jönköping und Stockholm/Schweden, Helsinki/Finnland und Kopenhagen/Dänemark und zurück in die Region Wuppertal - in gerade einmal 1,5 Wochen. "Termin- und Service-Einhaltung sind in der Messe- und Eventlogistik ein absolutes Muss." Höchste Sorgfalt zu jeder Zeit Eine weitere wichtige Säule im Unternehmen sind der Transport und das logistische Handling von explosiven Stoffen wie Schwarzpulver, Munition bis hin zu Feuerwerkskörpern und Explosivstoffen gemäß Paragraf 7 Sprengstoffgesetz. So fährt die Spedition nicht nur alljährlich Feuerwerkskörper zum Großfeuerwerk "Kölner Lichter" am Rheinufer, sondern auch zu den Filmfestspielen ins französische Cannes. "Wir waren 2011 beim Box-Event von Vitali Klitschko in Breslau dabei oder auch beim europäischen Song-Contest in Kopenhagen 2014", erzählt Karl-Heinz Budde stolz. Und mittlerweile organisiert das Speditionsunternehmen für die Rüstungsindustrie den Transport von Panzern - national und international. "A und O ist natürlich, dass wir uns immer zuverlässig an die Vorgaben des Gesetzgebers halten: in puncto einzuholende Genehmigungen für den Transport, Dokumentation, Fahrzeugausstattung, Ladungssicherung und Fahrer-Qualifikation", erklärt Daniela Budde. "Sonst sind wir ganz schnell in der persönlichen Haftung drin." Zumal Fahrzeuge mit der Gefahrgutklasse 1 immer im Fokus der Kontrolleure stünden. "Höchste Sorgfalt zu jeder Zeit ist also für uns ein Muss", weist sie auf die Besonderheiten solcher Spezialtransporte hin. Passiert ist zum Glück noch nie etwas. In all den Jahren nicht. "Auch dank der Besonnenheit unserer Lkw-Fahrer, die zum Teil schon 20 Jahre und länger für uns fahren", weiß sie, wem sie diese Leistung auch zu verdanken hat. "Klar macht ein solches Spezialgeschäft mehr Aufwand", sagt Karl-Heinz Budde und zählt als Beispiele die vielen gesetzlichen Vorgaben und behördlichen Auflagen auf, gerade im Bereich Transport von Explosivstoffen - mit entsprechenden spezifischen Anforderungen an Fahrzeugtechnik, Fahrerschulungen und Unternehmerhaftung. So fordere die Bundeswehr, als Auflage beim Transport von Munition, zum Beispiel immer eine Zwei-Fahrer-Besetzung. "Andererseits honorieren uns die Kunden unseren Mehraufwand auch", betont er. "Außerdem sind das Dinge, die macht nicht jeder. Die kann zum Glück auch nicht jeder", unterstreicht er. Gerade weil der Transport- und Speditionsmarkt so wettbewerbsintensiv ist, ist dieses Alleinstellungsmerkmal für Budde wichtig. Der Weg hin zur Spezialisierung war also, da sind sich Vater und Tochter Budde einig, die richtige Entscheidung. "Unsere Nischengeschäfte heben uns damit vom normalen Wettbewerb ab." Herausfordernd: der alternative Antrieb Dieser Mut von Budde, auch mal ungewöhnliche Segmente zu erschließen, erwweist sich aus heutiger Sicht als ein echter Vorteil - zumal die Herausforderungen in den kommenden Jahren wohl eher zu- als abnehmen werden. Da ist zum Beispiel das Thema alternative Antriebe, das Karl-Heinz Budde im Moment Sorgen macht (siehe Kasten Seite 20). Auf welche Lösung er da in den nächsten Jahren setzen will, weiß er noch nicht. "Jede hat da ihre Vorund Nachteile." Einfach in der Umsetzung sind sie alle nicht, und vor allem nicht kostengünstig in der Anschaffung - so viel ist für ihn schon klar. Und noch eine Frage ist für ihn offen: wann er den Stab offiziell an Tochter Daniela und Schwiegersohn Markus übergeben wird. "Am liebsten wäre es mir, wenn ich mit 65 Jahren, wie einst mein Vater, offiziell alles meiner Tochter übergebe und danach jeden Tag in die Spedition komme, um nur noch genau das zu machen, was ich gerne machen", verrät er. "Bis zu seinem Tod mit 81 Jahren war mein Vater immer dabei." Mehr zum Thema finden Sie unter #Lkw-Landverkehr www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Seit 85 Jahren hält sich das mittelständische Transport- und Speditionsunternehmen Budde in Radevormwald erfolgreich im Markt. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor von Geschäftsführer Karl-Heinz Budde, seiner Tochter Daniela und ihrem Mann Markus war und ist die Spezialisierung auf Nischen, Die Spedition Budde Die Spedition Budde in Radevormwald bei Remscheid wurde 1934 von Willhelm Budde gegründet. Das Unternehmen beförderte nach eigenen Angaben "fast" alles. Eine Spezialität ist der Transport von Explosivstoffen. Insgesamt sind für Budde 21 Mitarbeiter tätig. Das Unternehmen verfügt über 100 Einheiten, davon über 30 Zugfahrzeuge, 60 Anhänger und Aufbauten (zum Beispiel Kofferaufbauten, Wechselbrücken, Kühlaufbauten), aber auch Lösungen für Sondertransporte, zum Beispiel Spezialkoffer für den Transport von explosiven Stoffen. Einige Tieflade-Auflieger können Schwergut mit 56 Tonnen am Stück mit einer Ladebreite von 4,50 Metern und einer Laderaumhöhe von 3,60 Metern aufnehmen. eh