Drohne ante portas

Der Konkurrenzkampf im Handel wird künftig auch in der Luft ausgetragen. Wal-Mart, der weltgrößte Einzelhändler, hat am 26. Oktober eine Erlaubnis beantragt, um Versuche mit Lieferdrohnen durchführen zu können. In Hallen seien sie schon getestet worden, nun wolle man so schnell wie möglich weitergehen, sagte ein Sprecher der "New York Times". Google eifert Wal-Mart nach Wal-Mart plant, die Fluggeräte in den USA zwischen Distributionszentren und Läden einzusetzen. "Sie könnten Waren auch direkt ausliefern, etwa zu einer Ecke des Parkplatzes", so der Sprecher. Bis hin zur Zustellung direkt an den Kunden nach Hause sei alles denkbar. Tatsächlich wäre Wal-Mart hier im Vorteil, da 70 Prozent der US-Bevölkerung nicht weiter als acht Kilometer von einer Filiale entfernt wohnen. Nach Expertenmeinung könnte der Vorstoß Signalwirkung entfalten, denn wenn Wal-Mart ein Thema angeht, kommt es bald überall auf die Agenda. Ein Beispiel dazu aus der Vergangenheit ist die Radiofrequenz Identifikation (RFID). Und tatsächlich zog ein großes Unternehmen unmittelbar nach der Ankündigung von Wal-Mart nach. Netzgigant Google gab bekannt, schon 2017 mit dem Drohnen-Lieferdienst starten zu wollen. In welchem Land die unbemannten Flieger indes abheben sollen, ließ das Unternehmen noch offen. Die dafür vorgesehenen Drohnenmodelle transportieren bis zu 2,5 Kilogramm, starten senkrecht, fliegen dann horizontal und seilen am Ziel, statt zu landen, das Paket ab. Dabei sollen die Drohnen automatisch zum Empfänger fliegen. Könnten das die Startschüsse für das oft belächelte Konzept sein? Die Pioniere bleiben optimistisch. "Wir sind auf einem guten Weg", sagt Lukas Wrede. Der Deutsche ist Mitgründer des kalifonischen Unternehmens Skycart und hat auf dem letzten EHI-Handelskongress sein Geschäftsmodell vorgestellt. Er will Pakete mithilfe von Drohnen ausliefern, die sich selbst steuern - also ohne einen Menschen an der Fernsteuerung auskommen. "Umfragen zeigen, dass es eine signifikante Zahl von Menschen gibt, die bereit sind, für eine 1-Stunden-Belieferung eine Gebühr von 20 US-Dollar zu zahlen", so Wrede. Er peilt sogar eine Lieferzeit von 30 Minuten an. Die passenden Drohnen hat er schon. Sie können mit einer Akkuladung 40 Minuten in der Luft bleiben und dabei eine Strecke von rund 30 Kilometern zurücklegen, die Nutzlast liegt bei 3,5 Kilogramm. "Das reicht für Spontankäufe", wirbt Wrede. Er will seine Firma als Dienstleister für Internet-Shops positionieren, die diese Lieferoption ihren Kunden anbieten wollen. Das würde dann so funktionieren: Der Shop kommissioniert die Ware und stellt sie auf einem Landeplatz vor dem Distributionszentrum ab. Die Drohne kommt, nimmt das Paket auf und bringt es zum Kunden. Angepeilt wird dabei die geografische Position seines Handys. DHL bewertet die Einsatzmöglichkeiten etwas vorsichtiger. Die Bonner beliefern in einem Test schon länger die Insel Juist per Paketkopter mit Medikamenten. "Das Beispiel zeigt, dass diese Zustellform gerade in geografisch schwer zugänglichen Regionen wie Inseln eine interessante Alternative sein kann, etwa in der Notfallversorgung", sagt Ole Nordhoff, Vice President Business Customers bei DHL Paket. Es gehe darum, Lieferungen möglich zu machen, die mittels traditioneller Verkehrsmittel heute nicht erbracht werden könnten. Ob der Kunde eine Privatperson oder ein Unternehmen sei, spiele aus seiner Sicht keine Rolle, so Nordhoff.In den USA laufen ebenfalls erste Praxistests. Zuletzt setzte eine Drohne des Start-ups Flirtey Medikamente in einer abgelegenen Gemeinde im Bundesstaat Virginia ab. Der Versuch war behördlich genehmigt und wurde zusammen mit der NASA durchgeführt. Interessant bei Flirteys Ansatz ist ein technisches Detail: Damit kein Landeplatz geräumt werden muss und keine Gefahr durch drehende Rotoren entsteht, seilt die Drohne am Zielort das Paket aus der Luft ab. An Selbstbewusstsein mangelt es den Flugpionieren nicht. Auf der Website verkünden die Macher, dass "Flirteys am Himmel bald so normal sind wie Lieferwagen auf der Straße". Soweit die Visionen. Doch auf jeden Fan kommt mindestens ein Zweifler. Als Amazon vor zwei Jahren zum ersten Mal seine Vision vom Paketkopter präsentierte, spotteten viele Experten über "Bezos' Luftnummer"; manch einer vermutete hinter der Ankündigung sogar einen Aprilscherz. Sofort wurde eine Mauer aus Gegenargumenten hochgezogen: Was ist, wenn die Drohne abstürzt oder absichtlich abgeschossen wird? Wo soll sie in engen Innenstädten landen? Wer haftet für Unfälle? Wie steht es um die Reichweite? Tatsächlich spricht einiges gegen den massenhaften Einsatz von unbemannten Flugobjekten. Gegenwind kommt zum Beispiel vom Gesetzgeber. Der schränkt nämlich ein, wo Drohnen überhaupt eingesetzt werden dürfen. Der Luftraum über Menschenansammlungen, Unfallorten, Gefängnissen oder sensiblen Industrieanlagen, zum Beispiel Atomkraftwerke, ist tabu, genau wie der Bereich rund um Flughäfen. In Berlin gilt innerhalb des gesamten S-Bahn-Rings sogar ein totales Drohnenverbot. Das heißt, die Helfer vom Himmel können nicht einmal theoretisch dazu beitragen, den Straßenverkehr in der Hauptstadt zu entlasten. Das entscheidende Killerargument steckt jedoch in Paragraf 15a der deutschen Luftverkehrsordnung: Er schreibt nämlich vor, dass der Pilot immer Sichtkontakt zum Fluggerät haben muss. Drohnen darüber hinaus ausschwärmen zu lassen ist illegal. Damit wird der größte (Kosten-)Vorteil der Technologie zunichte gemacht. Denn der Einsatz von fliegenden Zustellrobotern ergibt nur dann Sinn, wenn sie selbstständig große Distanzen zurücklegen. Doch das könnte sich bald, zumindest zum Teil, ändern. Mit dem Drohnenführerschein, den das Bundesverkehrsministerium (BMVI) plant. Minister Alexander Dobrindt (CSU) will die Nutzung von zivilen Drohnen neu regeln. Aktuell wird in seinem Haus daran gearbeitet, die entsprechenden Rechtsvorschriften zu ändern. Anlass ist, laut einer Mitteilung des BMVI, die steigende Zahl an Geräten und die Unfallgefahr, die von ihnen ausgeht. Führerschein für die Langstrecke Daher sollen alle gewerblich und privat genutzten Geräte ab 500 Gramm künftig kennzeichnungspflichtig werden, um bei Missbrauch, zum Beispiel dem Spannen, oder Unfällen den Verursacher identifizieren zu können. Für gewerbliche Nutzer von Drohnen soll es künftig einen Führerschein geben. In der dafür nötigen Prüfung sind fliegerische und luftrechtliche Kenntnisse nachzuweisen. Die Lizenz erteilt das Luftfahrt-Bundesamt. Dann können Landesbehörden für gewerbliche Einsätze künftig Flüge auch außerhalb der Sichtweite des Steuerers erlauben, wenn der sichere Betrieb nachgewiesen wird - der Schlüssel zu Logistikanwendungen. Für private Drohnen indes gilt, neben zahlreichen Überflugbeschränkungen, eine Höchstflughöhe von 100 Metern. Zudem darf sie nicht aus dem Sichtfeld des Piloten fliegen. Doch für die bald zulässigen Langstreckenflüge ist die Technik noch nicht reif. "Das Fluggerät muss Kollisionen sicher vermeiden, egal ob es regnet oder schneit. Und das ist heute noch nicht immer mit der erforderlichen Zuverlässigkeit möglich", sagt Dieter Moormann vom Institut für Flugsystemdynamik an der RWTH Aachen. Er begleitet das DHL-Projekt wissenschaftlich und kennt die Knackpunkte. Bei einem Test über der Nordsee etwa flog ein Rettungshubschrauber in den Luftraum ein, sodass ein geplanter Start des Paketkopters kurzfristig verschoben werden musste. "Ziel muss sein, dass die Fluggeräte in solchen Fällen künftig automatisch reagieren", so Moormann. Die Tücken des Wetters hat auch der Blumen-Versandhändler Blume 2000 zu spüren bekommen. Anfang November wollte das Unternehmen zusammen mit seinem Partner Skycart sein Drohnen-Projekt der Öffentlichkeit vorstellen. Doch Herbststürme verhinderten den Start des unbemannten Flugobjektes. Wegen der starken Böen habe man keine Fluggenehmigung bekommen, erklärte Florian Sieg, Vorstand von Blume 2000. Bei Schnee oder Regen hätte der Versuch stattfinden können. Noch 2016 soll der Pilotversuch des Onlinehändlers starten - vorausgesetzt der Partner Skycart, der die Drohnen bereitstellt, erhält die erforderlichen Genehmigungen bei den Luftfahrtbehörden. Bei dem Konzept sollen die Fluggeräte die Rosen und Tulpen vorerst aber nicht zur Haustüre der Ehefrau bringen. Die Drohnen fliegen zu festen Paketstationen und bringen die in Kartons verpackten Sträuße so in die Nähe des Kunden. Der erhält eine Nachricht aufs Smartphone, kann das Paket abholen und es seiner Liebsten selbst überreichen. Von den Drohnenauslieferungen verspricht sich Blume 2000 Kosteneinsparungen. Im Blumengeschäft sei die Lieferung zum Wunschtermin bereits seit langem an der Tagesordnung und traditionelle Kurierlieferungen seien teuer. Die ferngesteuerten Drohnen könnten punktgenau innerhalb von 30 Minuten liefern und das für weniger Geld, erklärte Sieg. Neben den technischen Kleinigkeiten fehlt der Drohnentechnik noch vieles, was in der kommerziellen Luftfahrt üblich ist: redundante Systeme, festgelegte Werte für ihre Zuverlässigkeit und Wartungskonzepte. Professor Moormann hält alle technischen Probleme für lösbar, warnt aber vor zu hohen Erwartungen an eine schnelle Marktreife. "2017 ist sicher ein visionäres Ziel." Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Drohnen www.verkehrsrundschau.de/dossiers Die Serie Luftfrachtmarkt im Wandel - Erfolgsmodelle für die Zukunft- Teil 1: Die Luftfrachtbranche ist derzeit massiv im Umbruch. Was dies für die Luftfrachtspeditionen und Airlines heißt- Teil 2: Temperierte Waren: Wie Airlines im Zusammenspiel mit Spediteuren die durchgängige Kühlkette national und international sicherstellen- Teil 3: Zustellung via Drohnen: Auf welche Lösungen Logistiker setzen Von der Old- zur New-Economy der Luftfahrt Luftfracht-Manager wechselt ins Drohnen-Geschäft Selbst wenn Drohnen im Himmel noch mit zahlreichen Beschränkungen zu kämpfen haben, üben sie selbst auf erfahrene Luftfrachtmanager eine Anziehungskraft aus. So hat Oliver Evans , der frühere Leiter von Swiss WorldCargo, der Frachtdivision der Schweizer Swiss Air Lines International, einen Top-Job bei Drohnenhersteller Matternet angetreten. Bei dem in Kalifornien beheimateten Unternehmen ist Evans jetzt für die globale Geschäftsentwicklung zuständig. Die Beziehung bahnte sich bereits vor rund einem Jahr an, als Evans noch Chef von Swiss WorldCargo war. Seinerzeit kamen er, die Schweizer Post und die Matternet-Unternehmensführung überein, Versuchsflüge einer von den Amerikanern entwickelten Drohne zum Transport von Briefsendungen und kleineren Päckchen in den Schweizer Alpen durchführen zu lassen. Damit sollte der Einsatz dieser unbemannten Flugköper für die Zustellung von Kleinstsendungen auf der letzten Meile in unwegsamem und schwer zugänglichem Gelände einem Härtetest unterzogen werden. Die Flüge erfolgten diesen Sommer mit positivem Ausgang.Bereits sehr frühzeitig nach Anbahnung der Geschäftsbeziehung zwischen Evans und Matternet-Gründer Andreas Raptopoulos erklärte der Cargochef von Swiss, dass er seinen Posten bei der Frachtfluglinie zum 30. September dieses Jahres nach zwölfjähriger Leitungstätigkeit bei Swiss WorldCargo aufgeben würde,"um sich neuen Herausforderungen der Logistik- und Transportwelt zu stellen". Evans soll das Geschäft des Drohnenherstellers von Zürich aus leiten. hs