Die Straße und den Fahrer im Blick

Der aktuell größte Trend auf dem Telematikmarkt lautet Video Intelligence. Zu diesem Schluss kam unlängst das globale Beratungsunternehmen Frost & Sullivan (siehe Telematik-Spezial in Ausgabe fünf der VerkehrsRundschau). Bislang vor allem in der Nutzfahrzeugbranche in den USA ein Thema, schickt sich die Kombination aus Dashcam-Technik und Telematik nun an, auch hierzulande durchzustarten. So hat der zur Bridgestone-Gruppe gehörende Telematikanbieter Webfleet Solutions im Mai den Marktstart von Webfleet Video bekannt gegeben. Das Prinzip dahinter: Auf der Straße sowie optional in der Fahrerkabine aufgenommene Ereignisbilder werden mit Fahrdaten kombiniert. Nutzer können auf diese über eine einzige Schnittstelle zugreifen. Dazu kooperiert Webfleet mit Lytx, einem führenden Anbieter von Videotelematik-Lösungen. Flottenmanager sollen so Einblick in den Kontext von Verkehrsunfällen erhalten, indem sie Videos von einem bestimmten Zeitpunkt und einer bestimmten Position einer früheren Fahrt anfordern können. Nutzer können zudem einen Livestream von der Straße aus starten, um im Falle eines Ereignisses sofort handeln zu können. Wolfgang Schmid, Sales Director DACH bei Webfleet Solutions, bezeichnet die Lösung als "neutralen Zeugen, der - sollte es nach einem Unfall zu einem Prozess kommen - wichtiges Beweismaterial beisteuern kann." Daten werden überschrieben Der Einsatz von Dashcams ist nicht unproblematisch, so urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) im Mai 2018, dass die permanente und anlasslose Aufzeichnung des Verkehrsgeschehens mit den datenschutzrechtlichen Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes nicht vereinbar ist. "Daher werden in unserer Lösung die Daten grundsätzlich nicht dauerhaft gespeichert, sondern immer wieder überschrieben", betont Schmid. So wurde als Grundeinstellung die Speicherdauer des Videomaterials vor Überschreiben auf vier Minuten eingestellt. Diese Zeitspanne könne aber auch vom Kunden individuell eingestellt werden. Anders verhalte sich die rechtliche Lage für anlassbezogene Dashcam-Aufzeichnungen, die laut BGH als Beweismittel in Unfallhaftpflichtprozessen zulässig seien, so Schmid. "Unsere Lösung ist in der Lage, im Zusammenspiel mit der Fahrzeugtelematik anlassbezogene Aufzeichnungen, etwa scharfes Bremsen oder starkes Kurvenverhalten, zu identifizieren. Diese Videoausschnitte werden dann an die Unternehmens-IT weitergeleitet und können dort bis zu 90 Tage gespeichert werden", erklärt Schmid. Kameratechnik warnt den Fahrer Die Videotelematiklösung hat aber nicht nur die Straße im Blick. Eine Innenraumkamera soll mittels KI-Unterstützung riskantes Verhalten des Fahrers automatisch erkennen. Laut Schmid warne die Videotelematik den Fahrer etwa bei der Handynutzung am Steuer oder weiteren ablenkenden Tätigkeiten wie Essen, Trinken oder Rauchen. Die Warnfunktion kann dabei konfiguriert werden. Und was haben diese Warnungen für Folgen? "Wenn ein Fahrer nach einer Warnung das risikobehaftete Verhalten sofort einstellt - sprich: das Handy wieder aus der Hand legt - passiert nichts. Je nach Einstellung des Systems kann aber bei wiederholtem Risikoverhalten eine Meldung generiert werden", sagt Schmid. Innenraumkamera nur optional Die Innenraumkamera biete man an, sie müsse aber nicht zwingend genutzt werden, betont Webfleets Vertriebschef. Auch sie zeichne permanent auf, dauerhaft gespeichert würden aber nur durch den Anwender festgelegte Events. Wer das nicht möchte, kann die Innenraumkamera über die Software deaktivieren. Fahrer können sie mit einem mitgelieferten Objektivdeckel auch schließen. "Ganz wichtig ist: Alle Daten, die durch die Dashcam aufgezeichnet werden, gehören dem Kunden", betont Schmid. Bei ihm liege letztendlich die Verantwortung, mit dem Firmenjuristen, dem Betriebsrat und den Fahrern zu klären, wie die Lösung im eigenen Unternehmen eingesetzt werden kann. Der Unternehmer müsse bei Einsatz der Videotelematik - wie schon bei der Standard-Telematik mit GPS-Ortung - den Nachweis erbringen, dass ein ausreichender Betriebszweck gegeben ist. "Wir stellen die Lösung so konfigurierbar zur Verfügung, dass der entsprechende Einsatzzweck der Kunden sich in Einklang mit den Gesetzen befindet", versichert Schmid. Knackpunkt Fahrerakzeptanz Für den Unternehmer, der Videotelematik einsetzen will, bedeutet das also ein ganz genaues Hinschauen auf die arbeitsrechtlichen und datenschutzrechtlichen Feinheiten. Und für den Fahrer? Wie sicher ist sich Schmid, dass das Personal im Fahrerhaus so einen "Beifahrer" akzeptiert? "Schon Standard-Telematik wurde anfangs von Fahrern kritisch beäugt. Heute ist Telematik in den meisten Lkw gang und gäbe", sagt Schmid. Er zeigt sich daher überzeugt, dass die Videotelematik sich ebenfalls durchsetzen werde, auch was die Akzeptanz der Innenraumkamera betrifft. "Ich bin fest davon überzeugt, sobald der Fahrer erkennt, dass die Videotelematik seinem Schutz dient, wird er die Lösung mit anderen Augen sehen." Bislang habe Telematik dafür gesorgt, dass der Fahrer früher zu Hause sei - nun sorge sie auch dafür, dass er sicherer nach Hause kommt. Mehr zum Thema finden Sie unter #Telematik www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Per Videotelematik können Bewegtbilder einer früheren Fahrt angefordert werden. Das soll Unternehmen bei Unfallprozessen helfen. Aber auch das Verhalten der Fahrer wird von Kameras zum Wohle der Verkehrssicherheit beäugt. Webfleet Solutions hat nun ein entsprechendes Produkt auf den Markt gebracht.

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