BWVL-Forum: Wir brauchen Vorreiter

Die Arbeitslosenquote in Deutschland liegt bei knapp über fünf Prozent und damit fast schon wieder auf demselben niedrigen Niveau wie vor der Corona-krise, zudem ist auch die Anzahl der Kurzarbeiter sehr stark zurückgegangen. Noch nie waren in Deutschland mehr Menschen erwerbstätig als im Jahr 2022. Laut einer DIHK-Umfrage unter 22.000 Unternehmen hat die Hälfte der deutschen Betriebe Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Es fehlen aktuell fast zwei Millionen Fachkräfte und bis 2035 könnte der Fach-kräftemangel nach jüngsten Prognosen auf sieben Millionen ansteigen. Die Lücke wird größer Das Bild bei den Berufskraftfahrer:innen sieht ähnlich dramatisch aus. Zu diesem Ergebnis kommt auch die aktuelle Konsortialstudie "Begegnung von Kapazitätsengpässen im Straßengüterverkehr - Fokus Personal", an der der BWVL mitgewirkt hat. Danach belief sich der Mangel im Jahr 2021 auf 36.000, laut Prognose für 2022 auf 53.000 und im laufenden Jahr auf 70.000 Fahrer:innen. Auch in anderen EU-Staaten werden Fahrer händeringend gesucht, allein in Rumänien fehlen 70.000 Fahrer, so die International Road Union (IRU). Diese Entwicklungen treffen die BWVL-Mitgliedsunternehmen aus Handel und Industrie - entweder im Werkverkehr unmittelbar oder als Verlader mittelbar über die logistischen Dienstleister im gewerblichen Straßengüterverkehr. Laut Bundeswirtschaftsbericht 2023 "müssen vorhandene Arbeitskräftepotenziale durch angemessene Anreize und Rahmenbedingungen wirksamer gehoben, die Aus- und Weiterbildung gestärkt und die Fachkräfteeinwanderung gezielt unterstützt werden. Hierzu hat die Bundesregierung eine Fachkräftestrategie sowie Eckpunkte für umfangreiche Maßnahmen zur Steigerung der Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten verabschiedet". Schätzungen zur Menge benötigter Fachkräfte pro Jahr reichen von 400.000 bis zu einer Million (ohne Familienmitglieder). Im Wettbewerb der Branchen um die Arbeitskräfte bleiben laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit über fünf Prozent der Stellen beim Fahrpersonal unbesetzt, in Pflege-berufen sind es knapp vier Prozent. Allerdings haben Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer im Gegensatz zu anderen in der öffentlichen Diskussion als Engpassberufe wahrgenommene Berufsbilder mit einem gesellschaftlichen Imageproblem zu kämpfen. Entwicklung in Deutschland Bestand an Fahrerkarten im Fahrtenschreiber-Kartenregister (FKR) am 1. Januar 2022 Männer 1.347.831 -3,5% Frauen 37.652 +1,9% Insgesamt 1.385.673 -3,4% Quelle: KBA Die BWVL-Unternehmen fragen sich, wo die Arbeitskräfte herkommen sollen. Der umfangreiche Mangel an Fahrer:innen trifft auf einen Arbeitskräftemarkt in den EU-Staaten, der eine einfache Mengenlösung so wie in der Vergangenheit kaum möglich erscheinen lässt. Fahrer:innen aus Drittstaaten? Vor circa zehn Jahren gab es den Versuch, spanische Fahrer:innen für deutsche Transportunternehmen zu gewinnen. Neben der Sprache war die grundsätzliche kulturelle Integration eine enorme Herausforderung. Eine enorme Herausforderung sind auch die Unterkünfte: Wohnungen sind Mangelware. Und in diesem Zusammenhang gilt: ohne Arbeits- kein Mietvertrag und umgekehrt. Hier könnte jedoch die Förderung von Werkswohnungen einen sinnvollen Unterstützungsansatz bieten. Unternehmen, die dieses Unterbringungskonzept schon vor Jahren angegangen sind, besitzen heute Werkswohnungen in dreistelliger Anzahl, deren Nutzung als Gehaltsbestandteil in das Arbeitsverhältnis integriert ist. Anfangs von anderen Unternehmen belächelt, wachsen diese Unternehmen auch personell. Es gibt sie: die guten Beispiele, die Unternehmen, die von sich sagen, dass sie weit weniger Fahrermangel erleben als allgemein suggeriert - sowohl im Werkverkehr als auch in Speditionen; hervorragende Unternehmen, die längst die Bedeutung der Fahrer:innen verinnerlicht haben und die Wertschätzung leben. Der zentrale Punkt Wertschätzung ist auch das tragende Element der angesprochenen Studie, die an der Schnittstelle zwischen Politik, Unternehmen und Gesellschaft einen entscheidenden Druckpunkt des Berufsbildes sieht und empfiehlt, diesen stärker zu entwickeln. In diesem Sinne schlägt der BWVL vor, mit einem "Projekt Arbeitgeber 2023" vorbildliche Arbeitgeber und Berufskraftfahrer zu Wort kommen zu lassen, diese publik zu machen und zusätzlich zum Top- Arbeitgeber in Deutschland mit zufriedenen Berufskraftfahrern auszuzeichnen. INFOBOARD Neufahrzeuge mit über 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht müssen ab dem 21. August 2023 mit einem intelligenten Fahrtenschreiber (Smart-Tachograph) Generation 2, Version 2 ausgerüstet sein. Aus Brüssel vernimmt der BWVL, dass die Einführung der Tachographen nicht wie vorgesehen starten kann. Die automatische Authentifizierung der Fahrzeugposition über OSNMA (=Open Service Navigation Message Authentication) mit dem europäischen Galileo-Satellitennavigationssystem wird nach Aussage der EU-Kommission nicht vor Dezember 2023 bereitstehen. Stattdessen sollen die sich bereits in der Produktion befindlichen Fahrzeuge mit dem US-amerikanischen GPS-System ausgeliefert werden. Ein Software-Update soll das Defizit dann ab April 2024 richten. Kosten zwischen 250 und 800 Euro, so die Schätzung von Fachleuten. Auch bei der Nachrüstung bisheriger Tachographen der 1. und 2. Generation gibt es Schwierigkeiten aufgrund von Lieferketten-Engpässen und Problemen bei der Chip-Herstellung sowie anderer Komponenten. Die EU-Kommission empfiehlt: Rechtzeitige Umrüstung und Bestellung! Impressum BWVL-Forum, eine Information des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik e.V., Augustastraße 99, 53173 Bonn, Telefon 0228/92535-0, Fax 0228/9253545, www.bwvl.de, E-Mail: Info@bwvl.de, Schriftleitung: Markus Olligschläger (verantwortlich)Verlag: Springer Fachmedien MünchenGmbH, Aschauer Straße 30, 81549 München

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