Arbeitsunfall oder nicht?

In Kürze Die gesetzliche Unfallversicherung gewährt Leistungen im Falle eines Arbeitsunfalls. Auch wenn die Wege von und zur Arbeit mitversichert sind - alle privaten Tätigkeiten sind es nicht. Und hier steckt der Teufel oft im Detail. Zu den meisten Arbeitsunfällen im Güterverkehr kommt es bei Tätigkeiten am und um das Nutzfahrzeug herum, so die Berufsgenossenschaft (BG) Verkehr. Demnach geschehen Unfälle vor allem durch Stürze oder Abstürzen etwa beim Ein- und Aussteigen ins beziehungsweise aus dem Fahrerhaus; außerdem bei Ladetätigkeiten und mit wegrollenden Fahrzeugen sowie durch Gefährdungen im innerbetrieblichen Verkehr. Nicht immer einfach zu entscheiden Während im privaten Bereich die Krankenversicherung im Falle eines Unfalls einspringt, besteht bei einem Arbeitsunfall über die gesetzliche Unfallversicherung ein besserer Schutz mit weitergehenden Leistungen. Aber was ist eigentlich ein Arbeitsunfall? Der Gesetzgeber gibt im siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) den Rahmen vor. Aus den Entscheidungen der Sozial-gerichte und den Vorgaben des Gesetzes lassen sich einige Grundsätze ableiten, wann ein Arbeitsunfall gegeben sein kann und wann nicht. Allerdings bleibt es vom Einzelfall abhängig, da es auf die genauen Umstände ankommt, wie auch Franziska Hasselbach, Rechtsanwältin für Arbeitsrecht der Kanzlei Hasselbach, betont. Immer wieder gibt es Grenzfälle, die gegebenenfalls in letzter Instanz vom Bundessozialgericht (BSG) zu klären sind. "Die Fragen treten dort auf, wo die Grenze zwischen beruflicher Tätigkeit und privatwirtschaftlichen Eigeninteressen verwischen", so die Anwältin. "Das ist oft bei Wegeunfällen der Fall." Privat ist Privat Grundsätzlich sind bei einem Arbeitsunfall Tätigkeiten versichert, die zur Arbeit zählen oder der Arbeit dienen. Der Unfall muss zudem durch äußere Einflüsse entstanden sein: Ein Herzinfarkt zählt also nicht dazu. Sobald private Interessen im Vordergrund stehen, ist es kein Arbeitsunfall mehr. Das gilt in der Regel während des Verzehrs von Speisen und Getränken ebenso wie während des Aufenthalts in Toilettenräumen oder bei einem Spaziergang in der Pause. Im Einzelfall kann es Ausnahmen geben, etwa wenn man eine sehr anstrengende Tätigkeit ausführt und dabei mehr als das Übliche an Flüssigkeit benötigt, um wieder arbeitsfähig zu sein. Außerdem ist der Weg von und zur Arbeit als sogenannter Wegeunfall versichert. Zu solchen Wegeunfällen zählen auch der Weg von und zur Essensaufnahme während der Mittagspause, der Weg von und zur Toilette und der Weg, um sein Kind auf dem Arbeitsweg zur Kita zu bringen oder von dort abzuholen. Wichtig bei Wegeunfällen: Der Versicherungsschutz beginnt an der äußeren Haustür des Wohngebäudes und geht bis zur Außentür des Unternehmensgebäudes oder Werkstors. Die Gerichte sprechen hier vom öffentlichen Raum. Gleiches gilt zum Beispiel auch beim Essen, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Betriebsgeländes isst oder Essen und Trinken zum alsbaldigen Verzehr kauft. Befindet sich die Kantine im Betriebsgebäude, gilt der Versicherungsschutz bis zur Kantinentür. Geht der Versicherte in eine betriebsfremde Kantine, dann gilt der Schutz bis zur Außentür des Gebäudes, in dem sich diese befindet. Bei einem Supermarkt ist der Mitarbeiter bis zur Außentür des Supermarkt-Gebäudes gesetzlich unfallversichert, bei einem Einkaufszentrum mit vielen Geschäften ebenfalls bis zur Außentür des Zentrums. Kniffliger Kaffeeautomat Aber was ist, wenn der Versicherte sich am Kaffeeautomaten in einem Betriebs-gebäude einen Kaffee holt? Steht der Kaffeeautomat in der Kantine oder einem Sozialraum, der auch zum Essen und Trinken dient, dann ist es ein Wegeunfall bis zur Außentür des Raums. Steht der Automat in einem Sozialraum, der nicht zum Essen und Trinken genutzt wird und wo der Versicherte sich den Kaffee nur holt, dann ist der Weg bis zum Automaten versichert. Was wäre aber, wenn ein Lkw-Fahrer, der während des Be- oder Entladevorgangs bei einem Kunden wartet, sich einen Kaffee am dort vorhandenen Automaten besorgen möchte? "Sich einen Kaffee während der Bereitschaftszeit zu holen, gehört nicht zur eigentlichen Arbeitsaufgabe des Fahrers. Der Weg kann zwar noch versichert sein", erklärt Hasselbach. Wahrscheinlich sei das aber nur bis zur Außentür des Gebäudes, in dem der Automat steht, der Fall. "Denn es ist ja ein betriebsfremdes Gebäude, somit dürfte Ähnliches gelten wie beim Essen in einer betriebsfremden Kantine." Möglich wäre allerdings ein Versicherungsschutz, wenn der Fahrer das Gebäude aus beruflichen Gründen betreten müsste und der Kaffeeautomat auf dem Weg zum Büro liegen würde, in das er muss: wenn er sich den Kaffee also bei minimaler Abweichung vom Dienstweg "im Vorbeigehen" holen könnte. Schwieriger zu beurteilen sei, was für einen Aufenthaltsbereich gelten könnte. Wichtig ist der Grund, aus dem sich der Fahrer dort aufgehalten hat. "Geschieht es eher aus privaten Gründen, etwa, um sich zu unterhalten, dürfte es kein Arbeitsunfall sein." Sei es ein Bereich, gegebenenfalls sogar draußen, in dem sich der Fahrer aus sicherheitsrelevanten Gründen während des Be- oder Entladens auf Weisung des Kunden aufhalten soll, wäre der Fall anders gelagert. Luftschnappen und Betriebsgefahr Normalerweise gilt zudem in Pausenbereichen auf einem Betriebsgelände, die zum Luftschnappen dienen: kein Arbeitsunfall. Anders sieht es aus, wenn der Versicherte sich dort aufgrund einer spezifischen Betriebsgefahr verletzt, die im normalen Straßenverkehr nicht auftritt. Das ist einem Arbeitnehmer passiert, der an seiner Arbeitsstätte in so einem Bereich von einem Gabelstapler angefahren wurde. Tanken als Teil der Arbeit Wenn der Fahrer sich unterwegs, etwa auf einer Autobahn-Raststätte, etwas zu essen besorgt oder dort isst, gilt: Der Weg bis zur Außentür der Raststätte oder des Gebäudes ist noch von der Unfallversicherung gedeckt. Passiert etwas im Inneren des Gebäudes, greift die Krankenversicherung. Das Betanken seines Lkw und der Bezahlvorgang an der Tankstelle sind dagegen versichert. "Wenn der Fahrer tankt, gehört dies zur Arbeitszeit. Und das Bezahlen ist Teil des Tankvorgangs, da er dies machen muss", führt Hasselbach aus. Holt der Fahrer auf dem Weg zur Kasse noch einen Müsliriegel oder eine Tasse Kaffee, ist dies ein Grenzfall. Liegt der Müsliriegel "im Vorbeigehen" auf dem direkten Weg zur Kasse, könnte ein Richter es noch als Arbeitsunfall werten. "Wenn man drei Meter zur Seite und somit privat vom Weg abgewichen ist, kann dies zu Diskussionen führen. Doch wenige Meter Abweichung lässt die Rechtsprechung oft durchgehen." Passiert einem Mitarbeiter dagegen etwas beim Betanken des Privat-Pkws auf dem Arbeitsweg, ist dies kein Arbeitsunfall, auch wenn das Tanken zum Erreichen des Ziels nötig ist. Muss der Fahrer unterwegs auf Weisung des Arbeit-gebers übernachten, ist der direkte Weg vom Lkw-Parkplatz etwa zur Tür des Hotels oder der Herberge versichert. "Das ist wie ein Nachhauseweg zu werten." Achtung bei Abkehr vom Arbeitsweg Wichtig im Zusammenhang mit Wegeunfällen auf dem Heimweg oder während der Mittagspause: Sobald private Interessen im Vordergrund stehen, die auf dem Weg von und zur Arbeitsstätte mit erledigt werden, sind diese nicht versichert. Egal, ob es um den Einkauf für zu Hause geht, den Friseurbesuch, das Abholen von Kleidern aus der Reinigung oder Aussteigen aus dem Auto, um einen privaten Brief einzuwerfen. "In dem Moment, in dem man sich umdreht, also dem Arbeitsweg den Rücken oder die Seite zuwendet, besteht kein Wegeunfallschutz im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung mehr", so Hasselbach. Allerdings mache die Rechtsprechung hier auch Ausnahmen, wenn die Abweichung vom Weg minimal sei. "Es kann nach aktueller Rechtsprechung noch versichert sein, wenn man vom Fahrzeug weggeht und sich noch einmal kurz umdreht, um zu kontrollieren, ob wirklich abgeschlossen ist." Erst wenn die private Erledigung beendet und der Mitarbeiter wieder auf dem direkten Dienstweg ist, ist er wieder versichert. Das gilt aber nur, wenn die private Tätigkeit des Versicherten nicht länger als zwei Stunden gedauert hat. Pflichten beim Arbeitsunfall Kommt es zum Arbeitsunfall, müssen Unternehmen einiges beachten: Neben Erste-Hilfe-Maßnahmen gilt es sich gegebenenfalls um einen Transport der Verletzten zu kümmern. Außerdem muss das Unternehmen den Unfall bei der BG Verkehr anzeigen, wenn ein Arbeitnehmer mehr als drei Tage arbeitsunfähig ist oder aufgrund des Unfalls verstirbt. Ein Liste mit diesen und weiteren Informationen darüber, was ein Unternehmen im Falle eines Arbeitsunfalls zu beachten hat, finden Leser in unserem Profiportal VR plus als PDF zum Herunterladen. mwi www.verkehrsrundschau.de/plus/arbeitsunfall

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