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Tarifeinheitsgesetz könnte Konflikte noch anheizen

30.06.2015 09:30 Uhr
Tarifeinheitsgesetz könnte Konflikte noch anheizen
Professor Stefan Greiner von der Uni Bonn glaubt nicht, dass das Tarifeinheitsgesetz den Konflikt zwischen Verdi und IG Metall in der Logistik befrieden kann
© Foto: Universität Bonn

Stefan Greiner, Professor für Bürgerliches Recht, Arbeits- und Sozialrecht in Bonn, über die Auswirkungen des Tarifeinheitsgesetzes.

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Was wird in Zukunft passieren, wenn sich in einem Betrieb zwei inhaltlich nicht identische Tarifverträge überschneiden und die Gewerkschaften sich untereinander nicht einigen können?
Dann müssen Mitglieder gezählt werden. Der Tarifvertrag der mitgliederstärkeren Gewerkschaft setzt sich durch. Welche das ist, müsste im Konfliktfall vor Gericht im Beschlussverfahren geklärt werden, entweder durch klassische Beweisführung oder in einem Geheimverfahren vor einem Notar.

In einem Geheimverfahren?
Ja, zum Beweis über die Mitgliederzahl müssten die Gewerkschaften vor einem Notar ihren Mitgliederstand plausibel darlegen. Der Notar beurkundet dann die Zahl der Mitglieder. Geheim deshalb, weil die Mitgliederdaten nicht der Öffentlichkeit oder dem Arbeitgeber bekannt werden. Maßgeblicher Termin ist der Moment, in dem zwei Tarifverträge kollidieren. Allerdings hat der Gesetzgeber hier viele Detailfragen offengelassen.

Wird das Tarifeinheitsgesetz den Streit zwischen Verdi und der IG Metall befrieden?
Ich befürchte, nein. Es besteht sogar die Gefahr, dass es zu einer Anheizung des Konflikts kommt. Das Mehrheitsprinzip könnte den Kampf um Mitglieder verschärfen und wie ein Brandbeschleuniger wirken. Aber das bleibt abzuwarten. Wenn alle Beteiligten sehen, dass die Mehrheitsregelung schwierig ist, könnte davon auch ein Einigungsdruck ausgehen. Die unbefriedigende Gesetzeslage könnte den Gewerkschaften dann quasi als Einigungsanreiz ­dienen.

Das Interview führte Ina Reinsch für die VerkehrsRundschau.

Hintergrund:
Jahrzehntelang galt in Deutschland der Grundsatz „ein Betrieb – ein Tarifvertrag“. Das bedeutete: Allen Mitarbeitern mit derselben Tätigkeit standen grundsätzlich derselbe Lohn und dasselbe Gehalt sowie dieselben Arbeitsbedingungen (zum Beispiel Urlaub und Arbeitszeit) zu. 2010 kippte das Bundesarbeitsgericht allerdings das Prinzip der Tarifeinheit. Es ermöglichte so, dass in einem Unternehmen für eine Arbeitnehmergruppe mehrere Tarifverträge nebeneinander gelten. Gewerkschaften wildern seitdem immer häufiger im Revier der Konkurrenz. Der Bundesregierung ist dies ein Dorn im Auge. Sie hat deshalb das Tarifeinheitsgesetz auf den Weg gebracht, das am 12. Juni den Bundesrat passierte und voraussichtlich im Juli in Kraft tritt. Es sieht im Kern vor, dass bei kollidierenden Tarifverträgen künftig nur noch der Tarifvertrag der Gewerkschaft Anwendung findet, die die meisten Mitglieder im Unternehmen hat (Mehrheitsprinzip). (ir)

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