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Studie: Wie massive Kurzarbeit während einer Gaskrise funktionieren könnte

31.08.2022 11:01 Uhr | Lesezeit: 4 min
Arbeitsagentur, Kurzarbeitergeld
Der vereinfachte Zugang zum Kurzarbeitergeld hat in der Coronakrise Arbeitsplätze gesichert. Allerdings ist das Instrument in seiner derzeitigen Form nicht besonders gut auf eine massenhafte Nutzung in einer Krise ausgelegt
© Foto: Fotostand /Gelhot/picture-alliance

Wie könnte sich die Kurzarbeit so ausgestalten lassen, dass sie auch in Krisen wie einem Gaslieferstopp für eine massive Nutzung ausgelegt wäre? Mit dieser Frage hat sich das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) auseinandergesetzt.

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So hat sich während der Coronakrise gezeigt, dass das Instrument der Kurzarbeit geeignet war, um die Beschäftigung zu sichern, erklären die Autoren Enzo Weber und Yasemin Yilmaz in ihrer Studie. Allerdings hätten die hohen Fallzahlen und die schwankende Nutzung der Kurzarbeit dazu geführt, dass die Arbeitsagenturen an die Grenzen der Bearbeitbarkeit stoßen. Die Bearbeitung werde Jahre in Anspruch nehmen. Denn das Instrument ist für individuelle Ansprüche konstruiert: Ansprüche und Abrechnungen müssen für jeden Fall einzeln geprüft werden.

Aktivierung im Krisenfall

Die Autoren gehen der Frage nach, wie sich Kurzarbeit in solchen und kommenden Ausnahmesituationen anders regeln und vereinfachen lässt. Einen möglichen Ansatzpunkt dafür sehen sie in entsprechenden Instrumenten aus dem europäischen Ausland. So haben andere Staaten während der Coronapandemie die Regelungen vereinfacht, in dem sie eine „höhere Gewalt“, einen Ausnahmezustand feststellten.

So ein Ausnahmezustand für die Kurzarbeit-Regelungen wird durch den Staat definiert und ausgerufen, das können besonders gravierende wirtschaftliche Krisensituationen oder Katastrophen sein. Tritt ein solcher Ausnahmezustand in Kraft, gelten ein vereinfachter Zugang und die zeitlichen Abläufe können anders angeordnet sein. So können Arbeitgeber zum Beispiel in Frankreich den Antrag auf Kurzarbeit nachträglich stellen.

Ein typischer Ansatz im Ausland ist zudem, im Falle der höheren Gewalt von der Einzelfallprüfung auf Kollektivverträge überzugehen. Die eigentliche Schieflage des Unternehmens muss in Belgien zum Beispiel bei Feststellen der höheren Gewalt nicht mehr nachgewiesen werden. Grundsätzlich gilt die Kurzarbeit als durch die Pandemie verursacht. Allerdings weisen die Autoren auch auf Mitnahmeeffekte in einzelnen Ländern hin.

Voraussetzung: Definition höherer Gewalt

Um auch für Deutschland eine Art Sonderregel für den massenhaften und vereinfachten Zugang zur Kurzarbeit zu ermöglichen, empfehlen Weber und Yilmaz als Basis eine entsprechende „höhere Gewalt“ auch für die Bundesrepublik zu definieren, aber die Kriterien dafür hoch anzulegen. So müssten die Auswirkungen über eine normale begrenzte Rezession zumindest für Teile der Wirtschaft hinausgehen.

Ein denkbarer Anwendungsfall könne ein möglicher Gaslieferstopp sein. Und man könnte die Kurzarbeit-Sonderregeln auf besonders betroffene Branchen begrenzen.

Mitnahmeeffekte begrenzen

Bei einem Gaslieferstopp profitierten dann zum Beispiel nur die, die unmittelbar bei der Gasmenge rationiert würden. Die Reichweite in der Wirtschaft wäre damit sehr begrenzt, geben die Autoren zu bedenken. Man könne zusätzlich Branchen einbeziehen, die in Lieferketten stark von den unmittelbar betroffenen energieintensiven Branchen abhängen. Das könnten zum Beispiel auch Zulieferer und Dienstleister sein, die infolge der Gasrationierung Aufträge verlieren.

Um Mitnahmeeffekte zu begrenzen, könne die Gesetzgebung ähnlich wie in Belgien verlangen, dass Unterlagen für einen Nachweis vorzuhalten sind, diese aber nur anlassbezogen oder auch stichprobenartig überprüfen. Eine weitere Möglichkeit wäre unter anderem, dass in offensichtlichen Fällen wie einem Gaslieferstopp die Kurzarbeitsanzeige entfallen könnte. Auch Urlaubs und Arbeitszeitguthaben könnte die Behörde außer Acht lassen.

Variante: Zuschüsse auf Lohnkosten

Die Autoren betrachten auch als weitergehende Variante ein sogenanntes Kollektivinstrument. In diesem Fall würde nicht mehr der Ausfall individueller Arbeitsstunden entscheidend sein. Stattdessen würde das Instrument Zuschüsse auf die gesamten betrieblichen Lohnkosten vorsehen. Empfehlenswert sei, dass diese Kosten vom ausgefallenen Umsatz abhängig sind. Außerdem sollten Entlassungen ausgeschlossen sein, solange das Unternehmen sich in Kurzarbeit befindet und auch einige Zeit danach.

Den Ausstieg regeln

Wichtig seien nicht nur Regelungen für die Aktivierung, sondern auch für den Ausstieg festzulegen, betonen die Autoren. Zum Beispiel müsste die außergewöhnliche Lage offiziell beendet werden, gegebenenfalls aber für besonders betroffene Branchen länger in Kraft bleiben können. Damit das ganze planbar für die Unternehmen bleibt, müsste nach Meinung der Autoren auch „hinreichend“ früh angekündigt werden, wenn die Maßnahmen auslaufen oder verlängert werden.

Man könne auch wirtschaftliche Faktoren für ein Ende der Kurzarbeit mit als Kriterium aufnehmen. „So könnte darauf abgestellt werden, dass sich die Umsatzentwicklung in den betroffenen Branchen dem Vorkrisenstand hinreichend (z. B. über 90 Prozent) annähert, und ergänzend könnten Vorlaufindikatoren wie Aufträge hinzugezogen werden“, heißt es in der Studie.

Die Studie kann hier auf den Seiten des IAB als PDF heruntergeladen werden. (mwi)

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