Berlin. Die Bundesregierung hat sich und die Bürger in dieser Legislaturperiode nicht mit Reformen überfordert. Was war nicht alles angekündigt: Eine große Steuerreform, eine Finanzmarktreform, eine Reform der Einspeisevergütungen bei Solarstrom. Zumindest Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat seine Reform umgesetzt. Die Reform der Verkehrssünderdatei, die ab dem 1. Mai 2014 Fahreignungsregister heißt.
Die wichtigste Änderung soll das bestehende System vereinfachen: Heute werden Verstöße mit ein bis sieben Punkten bestraft. Das neue Gesetz sieht nur noch drei Stufen vor: Ordnungswidrigkeiten werden mit einem Punkt bestraft, für grobe Ordnungswidrigkeiten mit Regelfahrverbot sowie leichtere Straftaten gibt es zwei Punkte und für Straftaten, die mit dem Führerscheinentzug einhergehen, werden drei Punkte notiert. Dafür muss man den Führerschein nicht mehr erst ab 18 Punkten abgeben, sondern schon ab 8.
Als „unverhältnismäßig“ kritisierten viele Verbände die Umstellung im Vorfeld. Dabei wurden im letzten Moment noch Änderungen durchgesetzt. Ursprünglich wollte Ramsauer, dass „schwere Verstöße“ mit einem, „besonders schwere Verstöße“ mit zwei Punkten geahndet werden. Hier forderten vor allem Bürger – die erstmals zu einem Gesetzesvorhaben aktiv über das Internet ihre Meinung sagen konnten – eine stärkere Differenzierung. Und sie haben sich durchgesetzt.
Daraufhin kritisierte der Bundesrat die Reform und stoppte das Gesetzesvorhaben im Juni. Der Einwand: Das dreistufige Punktesystem sei wirkungslos, da diese Straftaten ohnehin zum Entzug der Fahrerlaubnis führten. Bei der Neuausstellung des Führerscheins würden die alten Punkte dann ohnehin gelöscht.
Durchgesetzt hat sich Ramsauer dagegen mit seiner ursprünglichen Idee, nur noch Verstöße, die die Verkehrssicherheit betreffen, mit Punkten zu ahnden. Hier plädierte der Verkehrsausschuss des Bundesrates dafür, bisher punktebewehrte Tatbestände beizubehalten, etwa Verstöße gegen Fahrtenbuchauflagen oder Behinderung eines Rettungsfahrzeuges durch Zuparken einer Feuerwehrzufahrt. Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen. Der Bundesrat hat vorgeschlagen, Verkehrsverstöße wie das Zuparken von Rettungswegen und Feuerwehrzufahrten sowie Fahrerflucht durch eine Verordnung doch noch mit Punkten zu bestrafen.
Streitpunkt Punkteabbau
In der ursprünglichen Fassung des Verkehrsministeriums waren keine Abbauseminare mehr vorgesehen. Auf Drängen von Bürgern und den Interessenverbänden führte der Bundestag den Punkterabatt bei freiwilliger Teilnahme an einem Seminar wieder ein. Der Bundesrat lehnte das ab und drohte sogar mit einem Scheitern der Reform.
Der Kompromiss, der in letzter Minute gefunden wurde, sieht vor, dass Verkehrssünder, die ein bis fünf Punkte auf dem Konto haben, durch die Teilnahme an einem rund 400 bis 600 Euro teuren Fahreignungsseminar einen Punkt abbauen können. Dieser Rabatt kann allerdings nur einmal innerhalb von fünf Jahren in Anspruch genommen werden.
Wer noch vor Inkrafttreten der Neuregelung an einem Seminar oder einer verkehrspsychologischen Schulung teilnimmt, kann noch deutlich mehr Punkte loswerden. Darum lohnt sich die Teilnahme noch vor dem 1. Mai 2014. Zumal auch die Seminare umgestaltet werden sollen. Ein reines Absitzen und Anhören der Verkehrsregeln soll nicht mehr ausreichen. Vielmehr setzt der Gesetzgeber auf eine Kombination aus verkehrspädagogischen und verkehrspsychologischen Elementen. Wie das genau aussehen soll, ist noch unklar.
Der Bundesrat trotzte der Regierung ein weiteres Zugeständnis ab: Die Wirksamkeit der neuen Fahreignungsseminare soll über einen Zeitraum von fünf Jahren wissenschaftlich ausgewertet werden. Danach wird über das weitere Vorgehen entschieden. Gut möglich, dass der Punkteabbau in Zukunft wieder wegfällt.
Die wichtigsten Änderungen:
- Jeder Verstoß verjährt für sich. Ein neuer Eintrag verlängert nicht mehr automatisch die Tilgungsfrist der alten Einträge.
- Mit Punkten erfasst werden nur noch Verstöße, welche die Verkehrssicherheit gefährden.
- Andere Verstöße werden nicht mehr mit Punkten bestraft, sondern mit höheren Bußgeldern. Diese bestehenden Eintragungen werden mit Inkrafttreten der Neuregelung gelöscht.
- Es gibt nur noch drei Punktekategorien: Ordnungswidrigkeiten (ein Punkt), grobe Ordnungswidrigkeiten sowie leichte Straftaten (zwei Punkte), schwere Straftaten mit Führerscheinentzug (drei Punkte). Bisher gab es bis zu sieben Punkte.
- Drei Stufen: Vormerkung (bis zu drei Punkte), Ermahnung (vier bis fünf Punkte), Verwarnung (sechs bis sieben Punkte), Entziehung der Fahrerlaubnis (ab acht Punkten).
- Punkteeintrag erst ab 60 Euro (bisher 40 Euro)
- Punkteabbau: Bei ein bis fünf Punkten kann durch den Besuch eines Fahreignungsseminars ein Punkt abgebaut werden. Diese Möglichkeit besteht einmal innerhalb von fünf Jahren. Bei sechs bis sieben Punkten kann ein Fahreignungsseminar besucht werden, Punkte werden aber keine erlassen.
- Die Neukonzeption des Fahreignungsseminars soll ein reines Absitzen verhindern und zu einem besseren Fahrverhalten führen.
- Die neuen Tilgungsfristen: Ordnungswidrigkeiten mit einem Punkt: 2,5 Jahre; Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten mit zwei Punkten: fünf Jahre; Straftaten mit drei Punkten: zehn Jahre. (ah)