Europapolitiker, Industrievertreter und Unternehmer haben sich während einer Konferenz in Brüssel dafür ausgesprochen, bei der Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs nicht nur auf den Elektromotor als umweltfreundliche Antriebsart für Lkw zu setzen.
Gerade in der aktuellen Phase, in der die Antriebswende eingeläutet worden sei, sei es besser, Technologieoffenheit zu fördern, um zu schauen, welche Antriebsarten sich für welche Transporte am besten eignen. Das Verbot von Verbrennungsmotoren wäre dabei kontraproduktiv.
„E-Lkw sind zu teuer, die Infrastruktur für sie ist noch nicht fertig, und es gibt zurzeit keine anderen ‚grünen‘ europäischen Lösungen für den Straßengüterverkehr“, beklagte der Pole Dariusz Joński, stellvertretender Verkehrs-Koordinator der bürgerlich-konservativen EPP-Fraktion im Europaparlament. Die Fokussierung gerade der EU-Kommission rein auf die Elektromotoren bremse die europäische Industrie auf ihrem „Weg in die Unabhängigkeit“.
„EU muss Anreize setzen“
„Die EU-Kommission ist dabei den Karren vor den Ochsen zu spannen“, ärgerte sich die irische Europaabgeordnete Cynthia Ní Mhuchú von den Liberalen. Wenn die EU weiter nur auf E-Lkw setze, drohe die Gefahr, dass tausende kleinere und mittlere Unternehmen in den Ruin getrieben würden.
Die EU müsse mit Anreizen arbeiten, zum Beispiel durch Steuer- oder Mautvorteile, statt auf Bestrafung und Verbote zu setzen - so wie das Verbrenner-Aus oder die verpflichtende Anschaffung von E-Lkw in Flotten, was zurzeit als Idee in der EU-Kommission diskutiert werde.
Nicht nur auf E-Mobilität
„Allein der Kauf von E-Lkw kann nicht der Weg sein“, gab auch UPS-Europachef Rick Fletcher zu bedenken. Sein Unternehmen habe es gerade weitgehend geschafft, die Flotten der Kleintransporter weitgehend auf E-Antrieb umzustellen. „Schwere Lkw sind aber noch einmal eine ganz andere Herausforderung“, sagte er.
Die EU täte sich außerdem keinen Gefallen damit, bereits vorhandene Lösungen für die Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs nicht zu nutzen. Als Beispiel nannte Fletcher die weiterhin zögerliche Haltung der EU beim Einsatz von Lang-Lkw im Regelverkehr.
„Wir brauchen alle Technologien, wenn es wirklich um Dekarbonisierung gehen soll“, sagte Sergio Treviño, CEO des Logistik- und Transportunternehmens Sesé. Der E-Lkw sei dabei vielleicht eine gute Lösung für Stadtverkehre und kurze Strecken, Wasserstoffantriebe und Dieselmotoren dagegen besser geeignet für lange Strecken.
„Als Unternehmen wollen wir auch Profit machen“, erinnerte Treviño. Und das sei mit einem E-Lkw zurzeit höchstens dann möglich, wenn man ihn fast rund um die Uhr im Einsatz hielte.
Bio-Fuels und E-Fuels als Alternative?
„Warum setzen wir nicht weiter auf Bio-Fuels?“, stellte Gabrielle Gauthey von Total Energie als Frage in den Raum. Für Bio-Fuels sei die Infrastruktur vorhanden, da habe man nicht das Problem, das mit dem fehlenden Netz von leistungsfähigen E-Ladepunkten eins der größten Hindernisse für den Einsatz von E-Lkw ist. Oder: „Warum treiben wir die Forschung an E-Fuels nicht voran?“, fügte die Französin als Frage hinzu.
EU-Ladeinfrastruktur für E-Lkw im Aufbau
EU-Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas hatte sich kurz vor der Veranstaltung entschuldigen lassen, so dass von der EU-Kommission nur die Direktorin der Generaldirektion Klimapolitik, Beatriz Yordi, direkt Stellung nehmen konnte.
Sie verwies darauf, dass sich das Europa-Netz an leistungsfähigen E-Ladepunkten für Lkw dank der AFIR-Verordnung im Aufbau befände. „Wir brauchen Anreize, weil die Verkehrswende von allein nicht kommen wird und viele Maßnahmen zusammenpassen müssen, damit es gelingt“, sagte Yordi.
Die IRU-Konferenz war als Debattenforum geplant. Entscheidungen, Beschlüsse oder Petitionen wurden nicht gefasst oder formuliert. Am 5. und 6. Juni (Donnerstag und Freitag) finden im polnischen Rzeszów die EU-Industrie-Tage 2025 statt, bei der Fragen der Wettbewerbsfähigkeit und der Dekarbonisierung im Zentrum stehen sollen.