Im ersten Teil berichtete ich über meine erste Zeit als Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Möbelspedition und Logistik (AMÖ). Aufbauen konnte ich auf meine Erfahrungen bei ACI EUROPE in Brüssel – ein äußerst professionell geführter und handelnder Verband, der die Interessen der europäischen Flughäfen vertritt und wo ich zwischen 2012 und 2014 arbeitete. Ein Verband, der allerdings ganz andere Ressourcen zur Verfügung hat als die AMÖ.
Was muss ein moderner Verband heute leisten?
Ausgehend von meiner Expertise bei ACI fragte ich mich, was ein Verband heute leisten muss. Ich bin überzeugt, dass in einer vernetzten Welt kein Verband nur durch Interessenvertretung und Ausbau des eigenen Netzwerks Mitglieder gewinnen kann.
Jede Änderung eines Gesetzes oder einer Verordnung wird für die gesamte Branche gelten. Nie wird ein Gesetz oder eine Verordnung Regelungen treffen, die nur AMÖ-Mitgliedern zugutekommen. Das bedeutet, dass die Zahlungsbereitschaft von Mitgliedsunternehmen allein für professionelle Interessenvertretung eher gering ist.
"Es brauchte eine umfassende Transformation des Bundesverbandes, radikale und fundamentale Veränderungen, die auf einem gänzlich neuen Zielbild beruhten."
Klare Mehrwerte für Mitgliedsunternehmen
Obgleich ich die Interessenvertretung für einen wesentlichen Teil der AMÖ-Arbeit halte, muss die AMÖ weitere klare Mehrwerte für ihre Mitgliedsunternehmen schaffen. Diese Mehrwerte müssen auch wirtschaftlicher Natur sein.
Was wir gemeinsam mit der AMÖ aufbauen, ist ein Verband mit moderner Prägung. Ein Verband, der einzigartig ist, der ideellen und wirtschaftlichen Mehrwert für seine Mitglieder generiert. Ein Verband, dessen Mitgliedsunternehmen in einer Gemeinschaft agieren. Wie kann das gelingen?
Transformation statt nur einzelne Stellschrauben drehen
Das geht nicht durch das Drehen kleiner Stellschrauben. Es brauchte eine umfassende Transformation des Bundesverbandes, radikale und fundamentale Veränderungen, die auf einem gänzlich neuen Zielbild beruhten. Gleichzeitig wollten und mussten wir das Geschäftsmodell des Bundesverbandes, seine Kultur und die Arbeitsweise umfassend verändern.
Klar war auch, dass eine Transformation immer mit erheblicher Unsicherheit verbunden, und ihr Gelingen ungewiss ist. Daher brauchen Transformationen seitens der handelnden Personen ein hohes Maß an Risikobereitschaft und auch Experimentierfreude. Wie also sind wir vorgegangen?
Andreas Eichinger ist seit 2021 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Möbelspedition und Logistik (AMÖ) e.V. Zuvor war er in der Luftverkehrsbranche und in der europäischen Verbandsarbeit tätig. In seiner Funktion treibt er die Modernisierung der AMÖ und den Wandel der Branche mit unternehmerischem Blick voran.
Vordenken als Führungsprinzip in der Transformation
Beim Vordenken geht es aus meiner Sicht darum, gedanklich einige Schritte weiter zu sein, dennoch diejenigen nicht zu verlieren, die noch nicht so weit sind – ein Spagat und eine Kunst. Man darf sich nie vom grundsätzlichen Weg abbringen lassen. Man darf auch nicht der Illusion erliegen, auf alle Rücksicht nehmen zu können.
Jede signifikante Veränderung führt dazu, dass Menschen mit der Veränderung nicht einverstanden sind. Das ist nicht schlimm, sondern normal. Je nach Veränderung können Mitarbeitende oder Mitglieder verloren gehen. Aber mit der Veränderung besteht auch die Chance, dass neue Mitglieder hinzugewonnen werden oder der Verband für Menschen als Arbeitgeber attraktiv wird, die vorher nicht daran gedacht hätten, für ihn zu arbeiten.
Für mich ist klar, dass sich ein moderner Verband dem Wettbewerb stellen muss – auf jeder Ebene. Es ist immer besser, nicht in archaischen Strukturen und Organisationen zu arbeiten.
Mitglieder und Geschäftsstelle aktiv beteiligen
Da ein Verband von seinen Mitgliedern getragen wird, sie in ehrenamtlichen Funktionen der Gemeinschaft dienen und die zentrale Daseinsberechtigung des Verbandes der Dienst für die Mitglieder ist, ist es essenziell, diese bei der Transformation eines Verbandes zu beteiligen.
Ebenso essenziell ist es, die Menschen, die für den Verband arbeiten, an der Entwicklung zu beteiligen. Beides haben wir getan.
Offene Diskussionen als Treiber des Wandels
Mit allem, was wir verändert haben, haben wir uns immer wieder der Diskussion gestellt. Wir waren auf Veranstaltungen, zu Besuch bei unseren Landesverbänden, in den ehrenamtlichen Gremien und auch bei einzelnen Unternehmen, um Ideen, Themen und Initiativen offen zu diskutieren.
Wenn es um Veränderungen geht, dann ist es wichtig, den „Informationshunger“ Betroffener und Interessierter nicht zu unterschätzen. Missverständnisse entstehen fast zwangsläufig. Die muss man ausräumen. Das ist mühsam, aber notwendig.
"Offenheit ist anstrengend – aber sie ist der einzige Weg, Wandel wirklich zu verankern."
Kommunikation neu denken: Vom Landesverband zum direkten Austausch
Was sehr schnell offenbar wurde: In einer vernetzten Welt war der bisherige Kommunikationsweg vom Bundesverband zu den Mitgliedsunternehmen über Landesverbände viel zu langsam und zu ungenau. Wen erreichen unsere Botschaften und wer braucht sie eigentlich?
Manch Landesverband verteilt Informationen nach dem Gießkannenprinzip, manche versenden umfassende Kompendien mit einer Flut an Nachrichten. Andere versenden kaum etwas an die Mitgliedsunternehmen. Wie also sicherstellen, dass die relevanten Informationen auch bei den Menschen in den Mitgliedsunternehmen ankommen? Insbesondere die Informationen, die die Transformation des Bundesverbandes betreffen?
Neues Fundament: Effizienz und wirtschaftliche Stabilität
Zunächst galt es, die AMÖ auf ein neues Fundament zu stellen. Viele internen prozessualen oder auch IT-Themen sind für Mitglieder nicht interessant. Sie sind aber entscheidend, wenn es um Effizienz und Durchschlagskraft des Verbandes geht – in dem Sinne, dass Menschen, die im Verband arbeiten, ihre Zeit im Sinne der Mitglieder sinnvoll nutzen können.
Einer der ersten, sichtbaren Schritte war die Gründung der sumo GmbH, einer einhundertprozentigen Tochter des Bundesverbandes. In ihr haben wir den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Bundesverbandes zum großen Teil gebündelt und damit auch verbundene Risiken ausgelagert. Zeitgleich haben wir Kooperationen und neue Partnerschaften auf- und ausgebaut.