Interview TIP Group: "Ausschlaggebend sind die TCO"

In Kürze Die TIP Group vermietet neuerdings vollelektrische Sattelzugmaschinen, darüber hinaus Verteiler- und Spezialfahrzeuge. Commercial Excellence Manager Marcus Burmeister erläutert im Interview Details zum ersten Elektropaket und gibt einen Ausblick auf die langfristige Strategie des Vermieters in Sachen alternative Antriebe. Die wirtschaftliche Lage ist aktuell sehr durchwachsen. Merken Sie das als Vermieter? Ja, das merken wir auf jeden Fall, wenngleich wir mit den flexiblen Möglichkeiten, die wir als sehr großer Player im Markt anbieten können, vieles abfedern können. Rezessive Entwicklungen der Wirtschaft bekommen Vermieter von LKW-Flotten immer als erstes zu spüren, sie sind sozusagen ein Frühindikator. Davon bleiben auch wir nicht komplett verschont. Warum sollten Unternehmen ausgerechnet in solchen Zeiten in teure alternative Antriebe investieren? Wenn es um die reine Mietrate für E-Fahrzeuge geht, liegen wir noch bei Faktor 2, das stimmt. Das mag abschreckend klingen, ausschlaggebend sind aber die TCO, bei denen Faktoren wie künftige Mautersparnis und niedrigere Betriebskosten, selbst bei den derzeit hohen Strompreisen, eindeutig zu Gunsten des E-Antriebs gehen. Gleichzeitig stehen Unternehmen aus der verladenden Wirtschaft zunehmend unter Druck ihre Nachhaltigkeitsbemühungen nachzuweisen. Den Auftraggebern unserer Kunden ist bewusst, dass bei den Frachtraten für Elektro-Transporte Aufschläge gerechtfertigt sind. Es wird also schnell ein positiver Business Case, wenn alle Kosten zusammen betrachtet werden E-Fahrzeuge sind demnach – gesamtheitlich betrachtet – nicht viel teurer als Standard-Diesel. Vita Marcus Burmeister ist seit Juni 2022 Commercial Excellence Manager bei der TIP Group. Der Schwerpunkt auf dieser Position liegt bei der Einführung alternativer Antriebe wie Elektro und Wasserstoff in das Mietportfolio. Darüber hinaus unterstützt Burmeister die Vertriebsleitung DACH als stellvertretender Sales Director. Zu den früheren Stationen des langjährigen Vertriebsexperten zählen Fraikin Deutschland und Euro-Leasing. TIP hat im Mai dieses Jahres angekündigt, in die Vermietung von E-Lkw einzusteigen – und war damit nicht der Erste. Warum so zögerlich? Zögerlich ist in diesem Fall nicht die korrekte Beschreibung. Wir haben wie viele andere im August 2022 die Anträge auf Förderung über das KsNI-Programm gestellt. Soweit mir bekannt ist, waren wir mit unserem Portfolio von knapp 100 Einheiten der zweitgrößte Einreicher und sind davon ausgegangen, bis Jahresende 2022 beschieden zu werden. Final eingetroffen sind unsere Bescheide dann erst in diesem Jahr im Mai – drei Tage vor der Transport Logistic in München! Den positiven Ausgang der Bescheide und die damit verbundene Bewilligung unseres gesamten Portfolios, haben wir sehr begrüßt, denn zwischenzeitlich hatten wir von anderen Antragstellern gehört, die Absagen erhalten haben. Parallel haben wir Förderanträge auf Ladeinfrastrukturmaßnahmen gestellt. Diese wurden noch einmal acht Wochen später beschieden. Mit diesen langen Bearbeitungszeiten hatten wir nicht gerechnet und wir waren sehr erstaunt darüber. Es muss die Frage erlaubt sein, wie sinnhaft es für Unternehmen ist, in E-Lkw zu investieren, wenn sie zum Bestellzeitpunkt nicht wissen, ob sie auch die Ladeinfrastruktur gefördert bekommen? Hinzu kommt: Im Förderbescheid ist schwarz auf weiß zu lesen - bis Haushaltsjahr 2026 – wenn die Haushaltslage es zulässt. Die eigentliche Förderung wird durch die notwendige Vorfinanzierung auf dem heutigen Zinsniveau entsprechend geschmälert. Ich muss ehrlich sagen: wir als großes Unternehmen haben die Möglichkeiten, um diese Herausforderungen zu stemmen, aber ein kleiner Mittelständler kann das meist nicht. Als die Förderprogramme initiiert wurden, war noch von vier Förderrunden pro Jahr die Rede. Wir hatten bisher insgesamt zwei und die zweite und bisher letzte Runde fand im August 2022 statt. Wann die dritte Förderrunde startet, ist immer noch nicht kommuniziert. Das Thema Förderung ist ein ausgesprochen schwieriges Konstrukt und benötigt nicht nur viel Geduld, sondern auch die entsprechenden finanziellen Mittel auf Unternehmerseite. Sie sprachen die nötige Ladeinfrastruktur an - bieten Sie ihren Kunden entsprechende Lösungen? Das Thema Ladeinfrastruktur ist differenziert zu betrachten. Wir haben im ersten Förderfenster acht Ladeinfrastrukturmaßnahmen für unsere eigenen Standorte / Truck Center beantragt. Mietkunden wiederum können unter Angabe der KsNI-Nummer der gemieteten Fahrzeuge die Förderung für ihre eigene Ladeinfrastruktur beantragen. Sie werden so in die Lage versetzt, den Betriebshof, mit Hilfe der Förderung, E-ready zu machen und sich für die Zukunft zu wappnen. Bei der Frage, ob die hauseigene Netzleistung für das gewünschte Ladekonzept überhaupt ausreicht oder beim Netzversorger angepasst werden muss, stehen die Kunden aber nicht allein. Wir begleiten unsere Kunden, gemeinsam mit externen Beratungsunternehmen, bei der Erstellung und Umsetzung eines Ladekonzeptes. Der dritte Förderaufruf steht noch aus. Wie viele Anträge haben sie schon in der Schublade? Bei unserer Flottengröße müssen wir uns für die Zukunft rüsten. Das heißt, dass wir beim nächsten Förderfenster mit Sicherheit wieder ein großes Antragsvolumen einreichen, wenn klar ist, wann es sich öffnet. Wenn das dritte Fenster sich erst Anfang 2024 öffnet, sind eineinhalb Jahre zum letzten vergangen. Unter dem Gesichtspunkt kann ich die Logistikunternehmen gut verstehen, die aktuell gegen die anstehende Mauterhöhung um fast 80 Prozent, durch die CO2-Komponente, aufbegehren: Aus Sicht eines Flottenbetreibers hat die Politik es ganz klar versäumt realistische, transparente Szenarien aufzuzeigen, wie die ehrgeizigen Ziele und Anforderungen umgesetzt werden können. Des Weiteren stehen dem Markt nicht die notwendigen Stückzahlen zur Verfügung, um auf die in Sachen Maut günstigere Elektromobilität umzusatteln. Hinzu kommt, dass die Bemühungen beim Aufbau einer öffentlichen Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge noch viel zu gering sind. Die Spediteure stehen enorm unter Druck und das in einer ohnehin schwierigen wirtschaftlichen Situation. Wie viel Investitionsbudget für Elektro-Lkw hat TIP für den deutschen Markt? Wir haben knapp 100 voll-elektrische Fahrzeuge für unsere Mietflotte geordert. Die Investitionssumme kann demnach leicht errechnet werden. Sie liegt im zweistelligen Millionenbereich. Wir werden auch in Zukunft in ähnlicher Größenordnung weiter in diesem Bereich investieren und unsere Flotte ausbauen. Wir gehen davon aus, dass mit entsprechender Marktdurchdringung der E-Fahrzeuge und einer verbesserten Ladeinfrastruktur, der Anteil an Fahrzeugen auch in unserer Mietflotte noch viel stärker wachsen wird. Alternative Antriebe sind unsere Zukunft. Da gehen wir zu 100 Prozent mit. Ab welcher Laufzeit kann man aktuell bei TIP E-Lkw mieten? Die neuen Fahrzeuge sind, vom Gesetzgeber ausgehend, an bestimmte Kilometerleistungen pro Jahr gekoppelt. Grund ist die Erzielung einer möglichst hohen CO2-Einsparung. Eine kurz- oder mittelfristige Mietvertragslaufzeit, wie es sie bei traditionellen Fahrzeugen gibt, ist in diesem Bereich nicht umsetzbar und auch nicht wirtschaftlich. Die E-Lkw werden mit einer Laufzeit von vier Jahren aufwärts vermietet. Je länger ein Kunde bei uns mietet, desto mehr wirkt sich dies auch positiv auf die Mietrate aus. Der Zeitraum von vier Jahren mag lang erscheinen, ist aber auch bei der Vermietung von Diesel-Fahrzeugen üblich, um die geringeren Mietraten zu nutzen. Warum sollten Unternehmen dann überhaupt mieten – was sind die Vorteile zum Leasing? Wir grenzen uns vor allem bei den Serviceleistungen vom Leasing ab. Natürlich bekommen Unternehmer beim OEM auch einen Wartungsvertrag. Hersteller inkludieren allerdings eher selten die Reifen in ihren Serviceverträgen und bieten auch meist kein umfassendes Versicherungspaket an. Wir unterscheiden uns von einem Leasinggeber dadurch, dass wir ein viel größeres Paket an zusätzlichen Serviceleistungen anbieten. Wie hoch ist zum Start die Nachfrage nach Ihrer E-Flotte? Elektro-LKW sind kein Massenprodukt, noch nicht. Das Interesse ist sehr groß, aber ebenso groß ist auch die Herausforderung, die neuen Fahrzeuge wirtschaftlich einzusetzen. Wir leisten intensive Beratungsgespräche mit Kunden, um ihnen die Möglichkeiten und Vorteile aufzuzeigen. Unser Angebot richtet sich an Kunden, die auch die für die Förderung maßgebliche Kilometerleistung im Einschichtbetrieb ausnutzen können. Wir sind mit unseren E-Fahrzeugen in einer Fahrzeugklasse unterwegs, auf der ohnehin unser Fokus liegt: dem Schwerlastbereich. Wir haben zu 75 Prozent schwere Sattelzugmaschinen bestellt, der Rest verteilt sich auf Verteiler-Lkw und Spezialfahrzeuge wie Hofumsetzer. Auch wenn der politische Druck sicherlich in Richtung Elektrifizierung des städtischen Verteilerverkehrs zeigt, geht meiner Meinung nach im Schwerlastbereich die Kosten-Nutzen-Rechnung sogar noch eher auf – nicht zuletzt durch die Mautersparnis. Verteilerfahrzeuge sind in der Anschaffung im Grunde nicht viel günstiger als Sattelzugmaschinen, kommen aber im Betrieb auf vergleichsweise wenig Maut-relevante Kilometer und damit Einsparungen. Wie viele Ihrer Werkstätten haben bereits die Kompetenz, E-Fahrzeuge zu warten? In unseren Truck-Centern haben wir die Qualifizierung des Werkstattpersonals vorgenommen, so dass grundlegende Wartungs- und Servicedienstleistungen gewährleistet werden können. Flankierend dazu haben wir Wartungsverträge mit Herstellern abgeschlossen. Sollte es zu einem Impact oder Servicebedarf kommen, kann demnach auch das Servicenetz des Herstellers genutzt werden. Wie sehen Ihre Pläne bezüglich Brennstoffzelle/Wasserstoff aus? Wir glauben, dass im Bereich Brennstoffzelle künftig eine sehr hohe Skalierung möglich ist und suchen bereits aktiv mit potenziellen Partnern nach Lösungen. Dazu können wir zu gegebener Zeit sicher mehr berichten. Welche Partner sind das? Da die OEMs in Sachen H2-Antrieb noch nicht ganz so weit sind, sind wir auch in Kontakt mit Fahrzeugbauern, die bereits Lkw auf Brennstoffzelle umrüsten, wie etwa Paul Nutzfahrzeuge. Sie erfüllen heute schon OEM Anforderungen. Wir befinden uns zudem in sehr fortgeschrittenen Gesprächen mit Tankstellenbetreibern und Wasserstoffproduzenten, um skalierbare Konzepte zu entwickeln, die gleichzeitig ein vernünftiges Preisgefüge bieten. Ich gehe davon aus, dass wir spätestens 2024 die ersten Wasserstofffahrzeuge einführen können. Nicht nur Zugmaschinen werden elektrifiziert. Wann werden wir E-Trailer bei TIP sehen? Wir haben bereits 2022 in den Benelux-Ländern begonnen, mit elektrischen Achsen und/oder auch elektrischen Kühlmaschinen ausgestattete Testfahrzeuge im Einsatz. In diesem Bereich gibt es aktuell noch viel technische sowie zulassungsrelevante Fragen. Wir beobachten die Entwicklung genau und sind für weitere Feldversuche offen. Die Idee, einen Trailer elektrisch anzutreiben und damit auch den Verbrauch einer Diesel-Zugmaschine zu senken, ist aus unserer Sicht eine Gute. Ob reine E-Trailer, die voraussichtlich frühestens 2025 in Serie gehen werden, dann auch für die Transporteure finanzierbar sein werden, muss sich noch herausstellen. In der Zwischenzeit beschäftigen wir uns intensiv mit Hybridkonzepten für Kühlauflieger beispielsweise, das heißt, mit der nachträglichen Elektrifizierung der Kühlmaschine und dem Einbau von elektrischen Achsen, zusätzlich zum Dieselaggregat. Einen Prototyp eines solchen Hybridkühlers haben wir dieses Jahr auf der Transport Logistic ausgestellt. Wir stecken bei den Trailern noch in einer Übergangsphase, werden die Elektrifizierung aber auch hier begleiten und weiter fördern. Die TIP-Gruppe wächst durch Unternehmensübernahmen stetig. Können Sie sich vorstellen, mittels Akquisitionen auch ihre Marktposition im Bereich alternative Antriebe auszubauen? Ja, wir schließen keine Möglichkeit aus, um unsere Position bei den alternativen Antrieben zu stärken. Dies gilt für das Vermietgeschäft aber vor allem auch für den Bereich Wartung und Reparatur von alternativ betriebenen Nutzfahrzeugen. Wir haben bereits heute enge Partnerschaften und Joint Ventures und erweitern unser Netzwerk stetig. Interview Das komplette Interview mit Marcus Burmeister lesen Abonnenten auf unserem Profi-Portal VerkehrsRundschau plus. www.verkehrsrundschau.de/plus/TIP-Burmeister-Interview

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