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Fachkräfteeinwanderungsgesetz laut Studie verbesserungswürdig

01.08.2023 10:30 Uhr | Lesezeit: 3 min
Grüne Ampel für das Fachkräfteinwanderungsgesetz
Gerade in der Verwaltung gibt es noch Verbesserungspotenzial, was das Fachkräfteeinwanderungsgesetz angeht
© Foto: hkama/ AdobeStock

Viele Branchen in Deutschland spüren einen deutlichen Mangel an Fachkräften. Um Unternehmen zu ermöglichen, Stellen mit qualifizierten Arbeitskräften aus Nicht-EU-Staaten zu besetzen, trat am 1. März 2020 das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft. Das Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hat die Entwicklung der Fachkräftemigration und die Auswirkungen in der Verwaltungspraxis für die Jahre 2021/2022 untersucht. Ein Ergebnis: Speziell bei der Gewinnung von Fachkräften mit Berufsausbildung gibt es noch viel Verbesserungspotenzial.

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Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll es erleichtern, die Einwanderungsmöglichkeiten für beruflich Qualifizierte aus Staaten außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (sogenannte Drittstaaten) zu schaffen, um dem akuten Fachkräftemangel entgegen zu wirken. „Vor allem für nicht-akademische Fachkräfte mit Berufsausbildung war die Möglichkeit einer Zuwanderung zuvor weitestgehend auf bestimmte ,Engpassberufe‘ beschränkt“, erklärt Johannes Graf, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) und einer der Studienautoren des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, die die Entwicklung der Fachkräftemigration und die Auswirkungen des FEG in der Verwaltungspraxis für die Jahre 2021/2022 untersucht haben. „Die Neuregelungen im FEG ab 2020 sahen Erleichterungen beispielsweise auch für den Zuzug für eine Maßnahme zur Anerkennung eines ausländischen Berufsabschlusses oder die Aufnahme einer Berufsausbildung vor.“

Statistische Daten und Interviews in Ausländerbehörden und Auslandsvertretungen

Ziel des Begleitforschungsprojekts war zu untersuchen, wie die neuen Regelungen angewandt wurden und ob das FEG aus Sicht der Ausländerbehörden und Auslandsvertretungen positiv zur Fachkräftegewinnung beitragen kann. Daneben sollte die quantitative Entwicklung der entsprechenden Zuwanderung nach Inkrafttreten des Gesetzes beobachtet werden.

Für die nun vorliegende Studie wurden Daten aus der Visastatistik und dem Ausländerzentralregister ausgewertet und die Aussagemöglichkeiten beider Datenquellen beleuchtet. Zudem wurden von Juni bis November 2021 insgesamt 27 qualitative leitfadengestützte Interviews mit Mitarbeitenden durchgeführt – sowohl in lokalen Ausländerbehörden als auch in zentralen Ausländerbehörden, die in einigen Bundesländern für die Durchführung des beschleunigten Fachkräfteverfahrens eigens eingerichtet wurden.

Eine zweite qualitative Befragung erfolgte zwischen Dezember 2021 und Februar 2022 in neun ausgewählten deutschen Auslandsvertretungen (Serbien, Türkei, Russische Föderation, Indien mit zwei Vertretungen, China, Brasilien, Mexiko und Philippinen). Die Auswahl der Auslandsvertretungen richtete sich dabei sowohl nach dem Aufkommen an Visaerteilungen (Hauptherkunftsländer) als auch nach den mittelfristigen Entwicklungsperspektiven der Erwerbsmigration nach Deutschland (beispielsweise durch bilaterale Vereinbarungen im Pflegebereich). Durch die Interviews mit am Verfahren beteiligten Personen wurden somit Erfahrungen aus der Praxis gewonnen, die zeigen, inwieweit die Regelungen des FEG in der Anwendung funktionieren und in welchen Bereichen besondere Herausforderungen bestehen.

Verwaltungsverfahren offenbaren Verbesserungspotenzial

Verbesserungspotenzial sehen die befragten Behördenmitarbeitenden beispielsweise bei verfügbaren Personalressourcen: In kleinen Behörden mit nur wenigen Zuständigen für das beschleunigte Fachkräfteverfahren kommt es oft zu Engpässen bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln. Die gebündelte Bearbeitung des beschleunigten Fachkräfteverfahrens in einer zentralen Anlaufstelle für das jeweilige Bundesland stellt – wo bereits eingerichtet – eine wirksame Entlastung für die kommunalen Ausländerbehörden in den entsprechenden Bundesländern dar und konzentriert Kompetenzen, sodass Verfahren nach einheitlichen Standards schnell abgearbeitet werden können.

Allerdings wird die Fachkräftezuwanderung weiterhin durch die teilweise noch sehr aufwendigen Anerkennungsverfahren ausgebremst: Bei akademischen Fachkräften funktioniert die Anerkennung der Abschlüsse bereits meist digital, da über die von der Kultusministerkonferenz eingerichtete Datenbank „anabin“ ausländische Hochschulabschlüsse zügig geprüft und deutschen Bildungsabschlüssen zugeordnet werden können. Bei beruflichen Abschlüssen dauert die Prüfung hingegen oft mehrere Monate. Gründe dafür sind fehlendes Personal in einigen Anerkennungsstellen und Schwierigkeiten der Arbeitgeber beziehungsweise der Fachkraft, notwendige Qualifikationsnachweise zu beschaffen. Bei den reglementierten Berufen, unter anderem im Gesundheitsbereich, dauern die umfangreichen Anerkennungsverfahren überdurchschnittlich lang, bis zu mehr als ein Jahr.

Von den Befragten kritisiert wurden die sehr hohen administrativen Anforderungen an einzureichende Antragsunterlagen. Digital verschickte Dokumente erleichtern die Bearbeitung der Antrags- und Anerkennungsverfahren sowie den Austausch zwischen den verschiedenen Behörden. Allerdings ist die technische Ausstattung in den Ausländerbehörden, Auslandsvertretungen und Anerkennungsstellen nicht überall ausreichend, weshalb insbesondere für das Anerkennungsverfahren nicht-akademischer beziehungsweise reglementierter Berufsqualifikationen zahlreiche Originaldokumente oft noch mit der Post verschickt werden müssen. Zur Optimierung der Arbeitsweise wünschen sich die Befragten ebenso einen stärkeren, auch bundesländerübergreifenden Erfahrungsaustausch zwischen Ausländerbehörden und den anderen beteiligten Akteuren.

Neuzuwanderung steigt nach Corona seit 2021 wieder an

In Bezug auf die Entwicklung der Fachkräftemigration konnten die Forschenden mit ihrer statistischen Analyse feststellen, dass sich die Neuzuwanderung zu Bildungs- und Erwerbszwecken, die im Zuge der Corona-Pandemie 2020 deutlich eingebrochen war, seit 2021 zunehmend erholt. Speziell seit der Lockerung der Einreisebeschränkungen für geimpfte Personen im Juni 2021 stiegen die Zahl der erteilten Visa zu Bildungs- und Erwerbszwecken und damit sukzessive auch die Zuwanderung wieder an. Durch die pandemiebedingten Einschränkungen, die praktisch zeitgleich mit dem FEG in Kraft traten, lässt sich ein quantitativer Effekt des Gesetzes jedoch nicht bestimmen.

Zugleich hat sich die Struktur der Zuwanderung durch das FEG noch nicht wesentlich verändert: (Angehende) akademische Fachkräfte sind nach wie vor die zentrale Zuwanderungsgruppe. Trotz der Erleichterungen für den Zuzug von Personen, die eine Berufsausbildung beziehungsweise eine Bildungsmaßnahme zur Anerkennung ihres ausländischen Berufsabschlusses absolvieren möchten, stellen Studierende noch immer die deutliche Mehrheit der Bildungsmigrantinnen und -migranten dar. Bei der Erwerbsmigration bilden akademische Fachkräfte, insbesondere über die Blaue Karte EU, und Personen, die über die Westbalkanregelung einreisen, die zahlenmäßig bedeutendsten Gruppen. Die Neuzuwanderung von Fachkräften mit Berufsausbildung liegt bisher noch deutlich darunter. Auch die neuen Regelungen zur Ausbildungs- und Arbeitsplatzsuche werden (noch) nicht in größerem Umfang genutzt.

Gesetzliche Weiterentwicklungen

Das Forschungsprojekt wurde Ende 2022 abgeschlossen.

Seitdem hat sich in der ersten Jahreshälfte 2023 noch einiges getan: Mittlerweile sind ein Gesetz sowie eine Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung von Bundestag und Bundesrat gebilligt worden. „In unserem Begleitforschungsprojekt haben wir die 2020 eingeführten Regelungen untersucht. Einige der in den Interviews angesprochenen Vorschläge zur Erweiterung und weiteren Vereinfachung der Fachkräfteeinwanderung finden sich auch im aktuellen Gesetz wieder, zum Beispiel die erweiterten Zuwanderungsmöglichkeiten auf Basis der Berufserfahrung“, sagt Barbara Heß, Leiterin der Begleitforschungsstudie. „Zugleich hat unsere Forschung gezeigt, dass der gesetzliche Rahmen nicht das allein entscheidende Erfolgskriterium ist: Digitalisierung, ausreichende Personalausstattung und Einarbeitungszeit bei neuen Regelungen in den Behörden sowie kommunikative Abläufe sind wesentlich dafür verantwortlich, ob dem zunehmenden Fachkräftemangel in Deutschland wirksam durch Bildungs- und Erwerbsmigration aus Drittstaaten begegnet werden kann.“

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